Donnerstag, 24. April 2025

Schippern

Ich habe auf der Fähre schnell einen ruhigen Platz im Restaurant gefunden, eine Bank in einer abgelegenen Ecke. Dort habe ich mich häuslich niedergelassen und alsbald schlafen gelegt. Die letzten Gäste haben sich schnell verzogen, es wurde ruhig, keiner wollte mich verscheuchen. Auch kein Schiffsdiesel zu hören, keine Wellen, kein Seegang. Es war schlicht und einfach viel zu ruhig - eine neue Ausrede, warum ich keinen Schlaf finde. So eine Mammut-Tour wie gestern werde ich nie wieder machen! Aber das habe ich schon öfters geschworen, ich kann mir selbst nicht mehr glauben.

Ab 5 Uhr gibt's Frühstück, da will ich dann auch nicht mehr schlafen. Ein oder zwei Stündchen war ich aber anscheinend doch weg.
Um sieben Uhr morgens betreten (oder besser befahren) wir schwedischen Boden. An der Grenzstation krame ich mühsam noch meinen Pass heraus, aber dann werden wir einfach durchgewunken. Morgendlicher Nebel empfängt uns an Land; er zwingt mich, die Brille aufzusetzen und den "Scheibenwischer" einzuschalten. So folgen wir eben blind dem Navi. Es ist frisch, ich vermmisse eine Griffheizung. Immerhin trägt Odin wenigstens Lenkerstulpen, die einen guten Dienst tun.

In Lund geraten wir in den Berufsverkehr und stehen ewig an einem Kreisel. Kurzerhand nehmen wir eine andere Ausfahrt und müssen dann durch die Stadt, was eigentlich nicht schlimm ist. Nur, wenn dort mal wieder genau die Straßen gesperrt sind, die wir bräuchten. Die Umleiterei hat den Vorteil, daß wir direkt an einem Lidl-Markt vorbeikommen, wo ich endlich ein günstiges Frühstück (wenn auch ohne warmes Getränk) bekomme.

Inzwischen hat sich der Nebel gelichtet und verzieht sich als hübsche Wölkchen am blauen Himmel. Die Sonne macht Laune, auch wenn die Luft eiskalt bleibt. Meiner Lisl wäre der Streckenverlauf vermutlich zu langweilig, weil viele gerade Strecken dabei sind, aber Odin kann hier wenigstens mal ein bißchen laufen. Er säuft genauso viel wie Hägar -  10 l auf 100 km! Und er gibt auch genauso an - wenn der Tacho starke 90 km/h anzeigt, sind es tatsächlich grade mal 80! Nur meine kleine Trulla, die mit dem Elektroantrieb und der begrenzten Reichweite...die hängt uns immer im Nacken und mußte noch kein einziges Mal nachladen! (ha ha)

In feinem Zick-zack führt uns das Navi ziemlich knapp der Luftlinie folgend nach Norden. Mir ist saukalt! Schon lange wollte ich was Warmes trinken, aber dafür ist Skandinavien nicht die richtige Ecke. Cafes oder Restaurants gibt's hier nicht. Heißgetränke kann man auf die Schnelle nur an den Tankstellen bekommen, aber die sind abseits der Hauptstraßen ebenfalls dünn gesät. Wenn schon mal eine Zapfsäule auftaucht, dann gut versteckt, einsam und verlassen, nur mit einem Automaten. Odin hat damit ein Problem, er hat schon wieder Durst!

Mitten im Wald, fast hätte ich es übersehen, lockt eine kleine Hütte auf einem Bauernhof mit dem Schild "Cafe". Drin ist es warm und einsam. Ein großes und vielfältiges Angebot an vielerlei Ess- oder Trinkbarem, Souvenirs oder Kleidung wartet auf Kundschaft - allerdings scheint man nur mit einer schwedischen Bankapp bezahlen zu können. Selbstbedienung. Irgendwann taucht dann doch zum Glück die Bäuerin auf und wir finden gemeinsam einen Weg, die 2,40 € den Besitzer wechseln zu lassen. Drei Straßenbauarbeiter wärmen sich und ihr Mittagessen auf. Vor dem Aufbruch lege ich noch eine Lage Kleidung zu - das ist jetzt das Maximum, was ich anziehen kann. Es ist immer noch kalt.

Duft von frisch geschlagenem Holz! Ich liebe ihn! Ah, da ist ein Sägewerk. Im direkt angrenzenden Birken- und Kiefern-Wald verströmen die noch stehenden Bäume ihren typischen Duft. Ein gestutzter Baum reckt mahnend einen Zeigefinger seiner übriggebliebenen Hand in den Himmel - was er uns wohl sagen soll? Interessant auch, welche Tiere sich hier auf dem Asphalt wärmen: Rehe, Hasen und Störche. Mittlerweile sind wir auf einem hügeligen und kurvenreichen Nebensträßchen angekommen. Der Geschwindigkeits-Schnitt sinkt drastisch, dafür steigt der Spaßfaktor. Als uns das Navi auf einen Schotterweg lockt, schlagen Odins und mein Herz höher, aber mit Rücksicht auf den Anhänger samt Inhalt verzichten wir auf das Vergnügen. 

Am frühen Nachmittag taucht dann tatsächlich eine Tankstelle mit Rastplatz auf - und die Sonne wärmt herrlich! Ich habe bereits angefangen, dauerhaft und heftig zu nießen - wird wohl eine fette Erkältung werden. Etwas aufgewärmt greifen wir die letzte Etappe an. Zur Mittagszeit habe ich 2 bike-bunker angeschrieben und tatsächlich eine Einladung erhalten! Die Adresse ist etwas schwierig zu finden, aber mittels modernem Telefon und altmodischem Winken finden wir zueinander. Christian hat ein kleines Gästehäuschen, das er bereits vorgewärmt hat. Eine heiße Dusche und eine Zeit vor dem bullernden Holzofen bringen die Wärme endlich bis ganz innen. Anschließend - es regnet jetzt! - bin ich zum Abendessen bei Kjötboller, Bratkartoffeln und selbstgemachtem Sauerkraut (und Fliedersaft) eingeladen. Mit dem 19-jährigen Sohn des Hauses entspinnt sich ein intensives Gespräch über Berufswahl, Weltgeschehen und Politik. Jetzt "muß" ich noch den Bürokram erledigen (auch bloggen), aber ich bin soooo müde, daß ich bestimmt die Hälfte vergessen habe.