Samstag, 2. November 2024

Irischer Ausklang

Ann hat mir ein feudales irisches Frühstück zubereitet, genug für 3 Tage! Ich habe definitiv zuviel gegessen! Wir haben heute eine längere Strecke bis zum Hafen in Rosslare vor uns, darum möchte ich "früh" los - Aufbruch ist dann 10 Uhr bei dem üblichen trist-grauen Wetter. Die Luftfeuchtigkeit ist wieder gestiegen: zu wenig um es Regen zu nennen, zu viel um trocken zu bleiben. Darum ist der Dresscode heute: oben mit, unten ohne Regenüberzug. Mit 14 Grad ist es eigentlich nicht kalt, aber zusammen mit der Feuchtigkeit kriecht die Kälte dann doch wieder in die Knochen. Aufwänrmen an einer Tankstelle funktioniet leider auch nicht, die heizen (noch) nicht. Das Navi ist auf "schnell" programmiert, das Straßenangebot reicht von 4-spurig und kerzengerade bis Fähre (5€). Wir kommen zügig voran, stehen in keinem Stau, machen keine Besichtigungsstops.

Lisls Hinterreifen ist jetzt nicht nur optisch abgenutzt, sie mag auch keine Kurven mehr. Insbesondere bei der Ausfahrt aus engen Kreiseln würde sie lieber in der Senkrechten bleiben. Höchste Zeit für neue Schuhe, allerdings habe ich immer noch keine Ahnung, wo ich etwas Passendes bekommen kann. Morgen ist Sonntag, da wird es auch keine Neuigkeiten geben.

Wir sind frühzeitig am Hafen, der Checkin ist allerdings schon geöffnet. In jedem Hafen muss man sich einen anderen Weg durch die Anlage suchen. Hier herrscht dazu noch Großbaustelle. Am Schalter begrüßt mich der Mann mit meinem vollen Namen, ohne daß ich irgendetwas vorgezeigt hätte. Vielleicht weil ich das einzige Motorrad an Bord bin? Oder hat er im vorbeifahren bereits mein Kennzeichen erfasst? Er probiert auch seine Deutschkenntnisse aus - ein lustiger Mann. Für uns ist die einzige freie Spur vorgesehen, wie meist für Motorräder. Mit dem Boardingpass kann ich auch ins warme (?) Terminal, wo es immerhin trocken und ein bisschen gemütlich ist. Der Weg dorthin schlängelt sich ebenfalls unübersichtlich durch Bauzäune und Hinterhöfe.

Meinen Vorteil als Motorradfahrer kann ich weiter ausbauen, da ich Erster an Bord bin. Vom Personal werde ich extrem freundlich, fast sogar überschwenglich begrüßt. Obwohl ich keinen Sitzplatz oder Kabine gebucht habe, bekomme ich auf Nachfrage einen Liegesitz zugeteilt. Eigentlich suche ich aber ein Sofa, wo ich richtig flach liegen kann. Einmal quer durch's Schiff, dann finde ich ein Plätzchen neben der Spielecke (nachts wird es da vielleicht ruhig sein) mit Steckdosen für mein Equipment. Wenn's nicht passt, kann ich immer noch zum Ruhesessel zurückkehren.



Freitag, 1. November 2024

Crag Cave

Brenda und Joe sind natürlich schon bei der "Arbeit" (Brenda hilft bei ihrer Tochter aus, Joe muß golfen), als ich aus dem Bett krabble. Brenda hat ein Frühstück bereitgestellt, das ich mir munden lasse. Die Lisl hat draußen gut geschlafen. Ich hoffe, wir verlassen das Haus in korrektem Zustand was Hunde, Schlüssel und Gartentor betrifft. Um halb elf sind wir tatsächlich auf der Straße. Das Wetter ist weiterhiin herbstlich trüb aber trocken, eigentlich sollte ich froh darüber sein. Aber es mag nicht so richtig Stimmung aufkommen. Wir bewegen uns doch in meiner Traumwelt, der "Paralellwelt" der Ministräßchen! Im Gegensatz zu Deutschland sind die hier aber maximal eine Autobreite weit, rechts und links von Mauern und dichten Hecken gesäumt - d.h. man sieht nichts von der Landschaft - mit sehr eckigen und engen Kurven sowie steilen Anstiegen gespickt. Man weiß nie, welche Überraschung hinter der nächsten Ecke wartet, darum lugen wir immer im Schritttempo vorsichtig um die Ecken. Eine letzte Abzweigung, und wir befinden uns mitten in der (Groß)stadt Limerick. Zwei Welten. Erstaunlicherweise gelangen wir weder in Stau, dichten Verkehr oder verfahren uns - so mag ich Städte am liebsten.

Ich habe dem Navi noch ein paar Umwege befohlen, denn wir haben Zeit genug und auf der Karte lockt mich eine kurvenreiche Straße. Die nächste Ortschaft Adare steht anscheinend unter Denkmalschutz; eine teils baufällige Kirche (die ich mir nicht anschaue) scheint eine Touristenattraktion zu sein. Außerdem gibt es eine Reihe hübscher bunter, reetgedeckter Häuschen. In Richtung Killarney können wir auf einer größeren Straße gut Strecke machen.

Das Navi führt uns nun wieder auf eine kleinere Straße und zufällig ist hier auch eine Höhle ausgeschildert. Höhlen haben mich immer fasziniert! Meist liegen sie aber ein Stück abseits der Straßen oder es gibt andere Ausreden bzw. Hinderungsgründe, sie nicht zu besuchen. Hier liegen Parkplatz und Eingang direkt an der Straße. Das Eingangsgebäude lockt auch mit einem heißen Pott Tee, den ich dringend brauche. Der Eintritt ist nicht billig, Studenten und Senioren bekommen einen Nachlaß. Ich bin beides, bekomme ich dann 2 mal Nachlaß? Ich kann gerne für Studenten UND Senioren bezahlen meint der Herr an der Kasse - ha ha. Was mir hier sehr gefällt ist, dass es keine Führungen gibt, sondern jeder kann sich frei in der Höhle bewegen, die Führung findet mittels einer Audiodatei auf dem Handy statt. Auch die abscheckenden 75 Stufen verteilen sich auf einen längeren Weg in der Höhle und sind daher kaum beschwerlich. Wow! Ich liiiiiebe Tropfsteinhöhlen. Diese hat so viel Varianten an Stalagmiten und Stalagtiten zu bieten, große, kleine, hohle, flache, künstlerische...der größte Stlagtit ist ca. 1 m lang. Ich kann mich kaum satt sehen. Ich erfahre unter Anderem auch, daß die Höhle ein Drehort für "Herr der Ringe" war. Im Anschluss an diese Tour gibt es dann endlich den Pott Tee, während ich fast auf dem Sofa einschlafe. Beim Aufbruch gibt es dann Probleme mit dem Navi - das Navigationshandy hat sich komplett entladen und arbeitet nicht mehr. Auf dem anderen Handy funktioniert die App nicht, so muss ich leider auf Tante Google zurückgreifen, die aber unseren Fahrstil leider nicht kennt.

Im nächsten Ort ist Pferdemarkt. Ja, so wie ich ihn aus früheren Zeiten kenne. Mitten auf der Hauptstraße wuselt es nur so von Mensch und Tier. Kinder, Pferdehändler und Farmer, Mamas und alte Männer. Dazwischen natürlich Pferde und Ponies - von Schäferhundgröße bis "normaler" Pferdegröße ist alles vorhanden und verziert mit seinen Äpfeln Straßen und Gehsteige. Ein geliebter Duft! Sättel - neu und alt - Zaumzeuge, anderes Pferdezubehör aber auch landwirtschaftliche Utensilien bis hin zu gebrauchten Schubkarrenrädern ist zu finden. Natürlich auch Wurstbuden! Der Fahrzeugverkehr gesellt sich einfach dazu.

Wir sind ja noch nicht weit gekommen heute, unsere verlängerte Route werden wir wohl kaum noch schaffen. Ab sofort wird die kürzeste und schnellste Route genommen - trotzdem sind wir erst bei Einbruch der Dunkelheit um fünf Uhr bei Ann und Mike. Ein großes Stück konnten wir rasant über eine 4-spurige Straße zurücklegen, aber die letzten ca. 30 km sind wieder ein Schmankerl! Auf der zweispurigen Straße können wir alle mopedgerechten Kurven nehmen wie sie kommen, ohne Angst vor bösen Überraschungen haben zu müssen

Im Rose cottage sitzen wir bei 3-gängigem Menü gemütlich beisammen und natürlich wird viel geredet - diesmal viel über Reisen. Und wie immer wird es spät.

Donnerstag, 31. Oktober 2024

Keine Abenteuer

So kalt war es gar nicht. Es hat auch nicht geregnet und die Luftfeuchtigkeit hält sich in Grenzen, darum sind Zelt und Isomatte (fast) trocken am Morgen. Dennoch lockt das trübe, triste Wetter nicht zum spazierenfahren. Ich beschließe, einen Pausentag einzulegen und nur das kurze Stück bis zu Brenda zu fahren. Wir haben viel Zeit.

An einer größeren Tankstelle nisten wir uns ein und erledigen einige Arbeiten (Bürokratie, Reifensuche). Die Lisl bekommt jetzt endlich eine Hochdruckwäsche - allerdings reichen 2 Reinigungsgänge nicht für eine Komplettreiinigung aus. Deutlich sichtbarer ist sie jetzt aber schon! Vielleicht haben dann die Komplimente (nice bike) eher eine Berechtigung?

Wir erreichen unser Ziel lange vor der ausgemachten Zeit, aber Brenda und Joe sind schon zu Hause und ich werde mit offenen Armen empfangen. An Brendas sechzehntem Geburtstag - sie ist 4 Wochen älter als ich) wurde ich für 3 Wochen in ihre Familie aufgenommen, um mein Schulenglisch auf die Probe zu stellen bzw. anzuwenden. Joe ist ein charmanter Clown - alles ist speziell und NUR für mich! Ein hervorragender Wein (schmeckt mir sehr gut) wurde natürlich auch nur für micht aus Frankreich importiert. Er schmeckt auch Joe sehr gut, so gut, daß er auf dem Sofa einschläft während Brenda und ich politisieren und philosophieren. Brenda hat ein herrliches Dinner mit feinen Gewürzen und Tricks zusammengestellt. Meine Wäsche wird auch wieder fluffig und duftig gewirbelt und dann gibt's ein bequemes, warmes, trockenes Bett. Hab ich ein gutes Leben!

Mittwoch, 30. Oktober 2024

Wo sind die Cliffs?

Bei einem Glas Wein ist es gestern spät geworden. Dann noch Blog schreiben und es war schon "heute". Ich habe schnell und gut geschlafen, aber vermutlich nicht genug. Egal, das Haus ist schon wach, also stehe ich auch auf. Ich bekomme eine Tasse Früchtetee - das wollen die Kinder dann auch haben. Leider gefällt ihnen der Geruch nicht (sie sind nur schwarzen Tee gewöhnt), auch mit zugehaltener Nase mögen sie sie diesen Tee nicht. Alles ist gepackt, David reißt sich zum Abschied von der Arbeit los, Rachel ist mit den Kindern bei den Pferden. Tschüß, vielen Dank, vielleicht sehen wir uns ja in Norwegen wieder.

Meine Gedanken wandern zu Lisls Hinterreifen. Irgendwie müssen wir jetzt bald einen neuen bekommen. Mehrere Mails an französiche Reifenhändler in Cherbourg wurden nicht beantwortet. David hat mir eine Telefonnummer von einem sehr freundlichen Motorradgeschäft in der Nähe von Limerick gegeben, aber auch die können leider nicht weiterhelfen. Sie kennen nicht einmal meine gewünschte Marke! Wir sind noch keinen Schritt weiter gekommen.
Um 10 Uhr "on the road" umgibt uns die selbe Suppe wie gestern. Grau in grau und mit Wasser beladen umgibt uns der Hochnebel. Die Temperatur treibt sich um angenehme 13 Grad herum. Die Regenhose hat gefälligst im Gepäck zu bleiben, aber um die Motorradbrille komme ich leider nicht herum. Zweimal tiiiiief durchatmen - und Freude aufkommen lassen!

Was gibt's heute zu sehen? Zuerst einmal ganz kleine verwinkelte Sträßchen. Da machen wir kaum Strecke. Viele Dachse gibt es anscheinend in diesem Land, zumindest liegen viele Kadaver auf den Straßen.
Wir durchqueren ein steinernes Meer, sowohl einige Berge als auch viele Weiden sind dicht mit flachen Steinen bedeckt. Sonderbarerweise gibt es auch fein abgegrenzte grüne Weiden mittendrin. Das sieht sehr sonderbar aus, ich kann mir nicht erklären, wie dieses Phänomen zustande kommt.

Ein handgeschriebenes Schild weist auf eine heilige Quelle auf einer Weide hin.

Ja, die Cliffs of Moher, die will ich unbedingt nocheinmal sehen. Ich war schon einmal hier, da war alles in Wolken gehüllt und nichts zu sehen. Heute sieht es leider kaum anders aus. Mein Dickkopf möchte aber trotzdem hin! Bereits lange vor wir den offiziellen Parkplatz erreichen stehen an jedem noch so kleinen Ausweichplatz Parkverbotsschilder. Das gilt leider auch für die Lisl. Der Parkplatz soll 12 € (für Rentner -7 studenten 10 €) kosten! Das ist Wucher! Nein, da fahren wir weiter. Die Lisl entdeckt ein Weidetor mit einem kleinen Grünstreifen davor, hier wurde das Parkverbot anscheinend vergessen. Wir zwängen uns zwischen Straße und Tor hinein - die gelbe Parkverbotslinie auf der Straße berühren wir nicht! Von hier aus ist es sogar näher zum Besucherzentrum als vom offiziellen Parkplatz aus! Über den Busparkplatz erreichen wir ein Eingangstor - auch hier stehen die teuren Eintrittspreise. Als ich die Tafel kritisch studiere fragt mich der Kassierer, ob ich hier geparkt hätte? "Ja" antworte ich wahrheitsgemäß. "Gut, dann haben Sie ja schon bezahlt und der Eintritt ist frei" ist die Antwort und er überreicht mir eine Eintrittskarte. In den schweren Motorradklamotten erklimme ich einige Stufen, die auf die Klippen hinaufführen um WAS zu sehen? Genau: nichts! Dichter Nebel und Gischt verhüllen alle Klippen! Na gut, ich hab ja auch nichts bezahlt - dann sind wir quitt. Im Besucherzentrum treten sich die Touristen zwischen Cafe, Restaurant, Andenkenladen und Bilderausstellung gegenseitig auf die Füße, vor den Toiletten warten lange Schlangen. Nix wie weg hier! Am Busparkplatz gibt es noch eine große Toilettenanlage - total leer! Dieses Highlight war wohl leider keines. Zum Glück sind wir kurz zuvor "aus Versehen" am Doolin Pier gewesen, von wo man einen schönen Blick auf steile Klippen hatte. Wenige Kilometer weiter landen wir wieder an einem Surferstrand mit ebenfalls schönen Klippen und einem hübschen Touristenort.

Ich bin schon eine ganze Zeit lang ziemlich müde, den für heute geplanten Streckenabschnitt werden wir nicht ganz schaffen. Müssen wir ja auch nicht. Schon früh halte ich erfolglos nach Campingmöglichkeiten Ausschau, dann erreichen wir eine Fähre über den Shannon, den größten Fluß Irlands. Die Fähre kostet stolze 12 € - wow! Google Streetview zeigt am Fähranleger in Trabert einen Parkplatz mit Sitzgarnituren, Rasen und Palmen - ob das was wäre? Mir gefällt der Platz, auch wenn er nicht einsam ist. Die vorbeifahrenden oder parkenden Autos kann man ja einfach ignorieren. Niemand kümmert es, daß ich hier ein Nachtlager aufbaue. Die Palmen sind etwas niedrig, die Koje hängt zwar frei, aber sobald ich einsteige sinkt sie auf den Boden. Macht nichts. Als ich fertig bin und nochmal etwas nachbessern will, kommt ein älterer Mann direkt auf mich zu und fragt, ob ich hier schafen will. Oh je, jetzt muß ich wieder abbauen, ist mein erster Gedanke. Aber der Mann ist nur besorgt, daß mir kalt wird. Ein nettes Gespräch entwickelt sich und ich erfahre, daß hier sogar Toiletten verfügbar sind und wo ich morgen früh ein Frühstück bekommen kann.

Es ist erst halb sechs, aber ich bin so müde, daß ich mich sofort in den Schlafsack verziehe. Nach einer Stunde ruhen bin ich aber wieder fit genug zum schreiben. Vom Fluß kriecht jetzt feuchte Kälte zu mir herauf. Brrr...


Dienstag, 29. Oktober 2024

Nebulös

Eigentlich wollte ich nur aufstehen und frühstücken. Aber dann geht einfach alles seinen Gang...hier ein Handgriff, dort kann man ein Teil gleich aufladen, dies verpacken, das benutzen. So wird aus "nur frühstücken" ein Multitasking von packen, frühstücken, Zähne putzen, Zelt abtrocknen usw. Und schon steht die Lisl fertig gepackt da und auch ich bin im Anzug. Der Wetterbericht hat recht - es regnet nicht! Das heißt aber noch lange nicht, daß es trocken ist! Wieder was dazu gelernt. Es gibt Hochnebel mit extrem hoher Feuchtigkeitskonzentration. Wir sammeln sie mit jedem Quadratzentimeter unserer Silhouette ein und werden genauso nass wie die letzten Tage. "Der Sonne entgegen" heißt heute: schauen, wo das Licht herkommt. Derweil wurde in meiner Heimat Norwegen die erste Warnung vor Schneechaos veröffentlicht.
Aus Nuegierde betrachte ich natürlich die Gegend auch unter dem Aspekt "Campingmöglichkeit" und stelle zu meiner Zufriedenheit fest: wir hatten mit Abstand die beste (oder einzige) Möglichkeit genutzt.

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Der Tag beginnt mit einer schönen, kurvenreichen Küstenstraße für die Morgengymnastik. Die Lisl tut sich da leichter, sie hat noch einen leeren Magen (seit 2 Tagen). Mit dem letzten Tropfen erreichen wir eine Tankstelle - die Zapfsäule ist außer Betrieb. Aber es gibt ja noch eine zweite. "Bitte an der Pumpe bezahlen" steht da, denn es ist nirgends eine Kasse zu sehen. Der Kartenautomat ist abgesperrt. Und jetzt? Es kommt ja doch Sprit aus dem Zapfhahn!! Sehr gut. Ich frag mal im Gemischtwarenladen gegenüber, wo man bezahlen kann - je, genau hier. Das Spülbecken hinterm Tresen trägt auch ein Schild "Nicht benutzen, defekt". An einer der beiden Kassen wartet eine lange Schlange alter Leute, um ihre Zeitung zu bezahlen. Vor mir hat eine alte Dame bereits ihren Einkauf bezahlt und gibt jetzt noch ihre Lottoscheine ab. Was kann daran soooooo lange dauern, die zu registrieren? Ich hab mir schon die Füße in den Bauch gestanden, bis ich meine Rechnung begleichen darf. Toilette? Ja, haben sie. Im Restaurant nebenan. Sieht alles nach guter Gemeinschaft aus.

Dieser Küstenabschnitt ist flach, keine Klippen. Der Übergang von Festland zu Moor, Wasserlachen bis zum offenen Meer ist fließend. Nach einem kurzen steilen Aufstieg gelangen wir zwischen Bergen entlang eines munter sprudelnden Flüßchens mit einem netten Wasserfall geht es hinunter zum nächsten Fjord. Ach ist das schön! Der Nebel hat sich etwas gelichtet und ich kann endlich die Motorradbrille absetzen.

Die Gedanken in meinem Kopf entstehen zwar meist in deutsch, aber ich übersetze sie schon automatisch ...derzeit ins englische. Oder ins norwegische? Ich bin mir da nicht sicher. Oft bin ich mir da nicht sicher, denn es tauchen immer wieder Wörter in der falschen Sprache auf oder es fehlen Wörter in der gerade gewünschten Sprache, aber in der anderen sind sie verfügbar. Ein Sprach-Chaos.

Wir entdecken den Connemara Giant, eine Steinstatue am Atlantikufer. ChatGPT beschreibt die Statue so: "Die Statue stellt einen riesigen Mann dar, der eine Art „Kriegerpose“ einnimmt und eine Hand in Richtung Himmel hält." Btte mit dem Foto vergleichen! Und dazu die Historie auf der Metalltafel nebenan. Humor haben sie hier!
In der nächsten Ortschaft möchte mein Navi noch einen Schlenker einbauen - leider gelingt das nicht, denn die gewünschte Straße ist gesperrt. Pferdemarkt. Alles ist voll mit den bekannten Connemara Ponies.

Galway ist schrecklich, was den Verkehr angeht - 30 min stehe ich im Stau. Das bestätigt mir auch Samantha, die Tochter des Hauses, in dem ich heute aufgenommen werde. Sie wohnt z.Zt. mit ihren kleinen Kindern wieder bei den Eltern, da ist Leben in der Bude. Kurz nach 16 Uhr finden wir unsere Übernachtungsmöglichkeit, die Lisl bekommt ein Dach über dem Kopf, das Zelt eine Wäscheleine zum Trocknen. Ich bekomme wieder ein warmes, weiches und vor allem trockenes Bett, David holt das Abendessen beim Inder und zum Nachtisch gibt es Samanthas selbstgebackenen Schokoladen-Gebrutstagskuchen. Und natürlich wieder alle möglichen Benzingeschhichten. Bis ich todmüde bin.


Montag, 28. Oktober 2024

Zur Abwechslung mal wieder Regen

Ich habe wunderbar geschlafen, lange. Ryan bereitet uns ein typisch englisches Frühstück zu, "damit es lange hält". Ja, davon kann man ganz gut satt werden. Es gibt noch ein paar Geschichten, dann packe ich meine sieben Sachen zusammen. Inzwischen hat Ryan schon die Lisl aus ihrem Schlafgemach herausbugisert - das ist ein Service! Ach, geht es mir so gut! Wieder einen interessanten Menschen kennengelernt. Überhaupt bekomme ich Spaß daran, so viele unterschiedliche Menschen und ihre Geschichten kennenzulernen. Eine ganz neue, andere Art zu reisen und zu erleben.

Es regnet. Natürlich. Für heute ist ja auch noch Regen angesagt - zuverlässig. Es war angenehm, in den trockenen Anzug zu steigen, aber jetzt wird er halt unweigerlich wieder naß. Immerhin hält er mich innerlich wieder schön trocken. Ich habe noch einen Tipp "Wasserfall" bekommen. Unsere Route führt sowieso direkt daran vorbei. Parkplatz mit Restaurant und Infotafeln finden sich dort. Ach, man muss noch ein Stück laufen? Ist ja nicht so mein Ding. Insbesondere nicht bei Regen. Mit dem Helm auf dem Kopf gehe ich "mal gucken" und schon sind wir auf dem Weg. Noch ein Stückchen und noch eins. Dann sind schon die angekündigten Treppenstufen da und ich bin beim Wasserfall. Geht doch! Ja, er ist sehr interessant und kann durchaus mit den norwegischen Wasserfällen konkurrieren.

Die von großen Pfützen bedeckte Straße führt am See "Glencar" entlang, manchmal direkt am Ufer. Es fehlen nur noch wenige Zentimeter, bis der Wasserspiegel die Straße erreicht und es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis entweder die Straße überflutet oder das Bankett abgebrochen ist.

Mittlerweile regnet es Bindfäden - wir würden sagen "Schnürlregen". Die Tropfen sind so fein, daß sie nicht von der Motorradbrille abperlen. Hinzu kommt, daß die Brille nun innen beschlägt. Wir fahren also fast blind durch Sligo, eine Ortschaft mit vielen Ampeln und Kreiseln und einigem Verkehr. Wir versuchen einfach, im Verkehr mitzuschwimmen, dann werden wir schon heil durchkommen. Bingo! Nun wird es langsam etwas heller, das heißt, die Wolkendecke wird etwas dünner. Ab und zu spiegelt sich sogar ein Sonnenstrahl in einer der vielen Pfützen.

Intuitiv legen wir noch einen kleinen Umweg ein und folgen dann einer Stichstraße zur Küste. Anscheinend sind wir in einem Surferparadies an der Nordküste bei Easky gelandet. Der Küstenparkplatz ist vollgeparkt, auch einige Campingbusse sind dabei. Weit draußen zwischen den Wellen kann ich eine ganze Menge Surfer auf ihren Brettern paddeln sehen. Sie warten auf die nächste Welle. In Ballina scheint die Sonne nun endgültig durchzubrechen. Entlang der Küste haben wir trotz schlechter Sicht den einen oder anderen Blick auf die faszinierende, typisch irische, wilde Küste erhaschen können. Ich habe ja gestern gelernt, daß die "Wild Atlantic coast road" eigentlich die gesamte Straße entlang der Westküste Irlands ist und nicht nur ein kleines Stück.

Wie sich doch immer wieder alles fügt: ein kleiner Imbiß (was ich schon eine Zeitlang suche) taucht auf (davor stehen einige Autos mit Jetski im Schlepptau), für die morgige Nacht bekomme ich eine Zusage und mir wird sogar ein Bett angeboten (eigentlich war nur ein Garten im Angebot), und ich bekomme endlich die Info über den Standort der Fa. Kelly (ich möchte dort gerne eine spezielle Outdoor-Teekanne kaufen). Das mit der Teekanne wird jedoch leider nicht klappen - ich hatte schon mal eine im Internet bestellt, die nie angekommen ist. Nun ist die Firma 10 min von meinem Standort entfernt, aber es wird niemand dort sein (Feiertag). Dennoch fahre ich vorbei - es liegt ja am Weg - und finde eine Villa vor, die von einem schönen Regenbogen überspannt wird. Liebe Teekanne, wir Beide sollen wohl nicht zusammen kommen.

Das Wetter ist im ständigen Wechsel - Sonnenschein und Straßengischt oder Nieselschauer. Richtung Süden sieht es hell aus, aber wir machen noch einen Abstecher nach Norden. Dort hängen weiterhin die grauen Wolken. Also, jetzt aber nix wie ab in den Süden und Schlafplatz suchen! Es fängt schon an zu dämmern, höchste Zeit, endlich einen Schlafplatz zu finden. Wie so oft ist es schwierig. Bis zum Besucherzentrum des Naturparks sind es noch einige Kilometer und ich weiß nicht, was mich dort erwartet. Also nehme ich mit einem Parkplatz an der Straße vorlieb, der von einem Zaun umgeben und mit einer Sitzgarnitur ausgestattet ist. Nicht besonders romantisch, aber funktionell. Diesmal verwende ich die Hängematte wieder als Zelt, das Tarp hat sich nicht bewährt. Damit die Zelthöhe nicht ganz so niedrig ist, unterstütze ich die Spanngurte noch etwas mit Walkingstöcken - aber nicht zu hoch, sonst verbiegen sie ja wieder. Das Zelt schwebt jetzt ohne Inhalt knapp über dem Boden, mit Inhalt liegt es auf. So wollte ich das haben. Der nächste Nieselschauer treibt zur Eile, bei Dunkelheit sollte man wissen, wo alle Teile zu finden sind. Schließlich steht der Aufbau, Stiefel und andere Dinge sind wasserdicht verpackt und liegen auf dem Tisch. Der (nasse) Motorradkombi hängt im Zelt...das ist nicht optimal, aber es geht nicht anders. Fertig! Es nieselt mal wieder, aber ich sitze im Trockenen.

Sonntag, 27. Oktober 2024

Wild Atlantic coast road

Eigentlich habe ich ganz gut geschlafen. Ein Biwaksack hat den Schlafsack vor weiterem Regenwasser geschützt, allerdings auch das Kondenswasser gesammelt und den Schlafsack trotzdem etwas nass werden lassen. In der Nacht habe ich mir noch eine Decke in den Schlafsack gezogen, dann konnte ich bis morgens gemütlich warm kuscheln. Die Sitzgarnitur, unter der ich mich verkrochen habe, ist so naß, glitschig und vermoost, daß man sie nicht anfassen kann, ohne abzurutschen. Sie verteilt eklige grüne Flecken an alles, was sie berührt (sehe ich im Lauf des Tages). Lisls Thermometer zeigt 4 Gradan, ein heftiger Wind erschwert den Lagerabbau immens. Ungewaschen, total verdreckt und versifft, so mag mich bestimmt niemand! Als ich fast fertig gepackt habe, spaziert ein Mann in den Vierzigern mit seinem Hundchen vorbei, stellt sich vor und fängt ein Gespräch mit mir an. Letztendlich lädt er mich zu sich nach Hause ein, dort gäbe es ein Bett. Daß man diese Informationen aber auch immer zu spät bekommt...!
Bei kräftigem Wind machen wir uns auf an die Küste. Vom Berg aus habe ich einen großen Platz gesehen, der aussah wie ein vollgestellter Campingplatz. Auf der Karte ist das ganze Gebiet rot schraffiert. Es stellt sich heraus, daß der "Campingplatz" ein Gefängnis mit hohen Betonmauern und viel Elektrozaun ist und das schraffierte Gebiet ein daran anschließender Truppenübungsplatz. Darauf dürfen sich gerade ein paar Jungs in voller Montur warmlaufen.

Die Fähre von Magilligan nach Greencastle soll mich auf die andere Seite der Bucht bringen. Niemand wartet da, na ja, vielleicht ist es noch zu früh oder ich muss einfach ein wenig warten? Die blaue Infobox am Anleger ist leer. Nach ca. 10 min schaue ich mal ins Internet, vielleicht gibt's da einen Fahrplan? Tripadvisor antwortet mit "Die Fähre ist bis auf Weiteres eingestellt. Neue Informationen folgen". Tja, da können wir lange warten! Nicht schlimm, dann fahren wir halt auf dieser Seite nach Londonderry. Ich hoffe sehr, dort ein Café zu finden, um etwas Warmes und etwas gegen den Hunger zu bekommen. Ausnahmsweise stürzen wir uns mitten in die Stadt, aber da sind die Bürgersteige hochgeklappt, alle Geschäfte geschlossen und keine Bar oder Café zu finden. Dann muss es halt ohne Frühstück gehen, so schnell verhungert man nicht. Eine große Leuchttafel weist auf Verkehrsbehinderungen zwischen 28. und 31. Oktober hin, wegen Halloween. Was für ein Aufriß!

Nach gut 2 Fahrstunden ist der Hunger groß, da taucht endlich ein Restaurant am Wegesrand auf. Meins! Heißer Kakao, ein englisches Frühstück und dann noch ein Pott heißer Tee tun gut, können aber die Kälte in den Knochen leider nicht vertreiben. Irgendwie ist es in dem Restaurant ziemlich kalt. Hier wird nur Bargeld akzeptiert - blöd, weil ich wegen der kurzen Zeit keine Pfund eingetauscht habe. Immerhin nehmen sie auch Euro als cash - die Grenze ist ja nicht weit. Als wir aufbrechen, beginnt es zu nieseln. Allmählich wird es nässer und nässer, es regnet sich ein und steigert sich bis zum Starkregen. Pausen gibt es nicht. Die Landschaft versteckt sich hinter einem Regenvorhang und berührt mich heute nicht. Ich bin in mich gekehrt und lasse mich vertrauensvoll von der Lisl tragen. Überraschen bemerken wir, daß die Geschwindigkeitsbegrenzungen deutlich höher sind - ergänzt von dem kleingeschriebenen Text "km/h". Wir müssen also jetzt in Irland gelandet sein? Nichts war zu sehen an Grenze oder Hinweisen. Interessant! Es geschieht im weiteren Tourverlauf übrigens noch einige Male, dass wir die Grenze unbemerkt übertreten. 



Die "Wild Atlantic coast road" wurde mir mehrfach empfohlen und von Billy habe ich noch ein paar besondere Hinweise bekommen. Zum Beispiel, wo man unbedingt zu einem Aussichtspunkt fahren solle. Mit etwas Betteln könnte das für Motorradfahrer sogar klappen, ansonsten ist das Sträßchen gesperrt. Also die "road" ist in Ordnung, von der "Atlantic coast" ist nichts zu sehen, aber das Wetter, das ist "wild"! Eine Schleife hinaus zu diesem Aussichtspunkt spare ich mir dann jedoch, man kann ja eh nichts sehen! Wir sind irgendwo im Nirgendwo, Sturzbäche kommen uns entgegen, als die Dämmerung eintritt. Ein Glück, daß wir ein wenig abgekürzt haben. Wir sind wieder auf Ministräßchen unterwegs, im Wald ist es schon richtig finster! Ein Auto schleicht vor uns her und ich sehe nur zwei rote Sterne statt seiner Rücklichter. Gut oder schlecht? Was die Sicht angeht schlecht, aber gut wenn wir uns einfach blindlings dahinter klemmen (erinnert mich an ein Abenteuer in der kanadischen Wildnis) und die Überflutungen durchfahren können.

Ryan ist mein heutiger Host. Seine Ortsbeschreibung ist gut, wir finden ihn leicht im letzen Abendlicht. Eine kurze aber sehr steile Auffahrt sollen wir hochfahen - ohne Bremse, nur mit eingelegtem Gang wird die Lisl dort vermutlich nicht stehen bleiben? Zum Abladen des Gepäcks allerdings schon, dann darf oder soll sie in die Garage hinter dem Haus. Es gibt ein paar Treppenstufen und einen sehr engen Durchgang zwischen Haus und Zaun, aber irgendwie scheint es zu gelingen - bin gespannt, ob wir da morgen wieder herauskommen? Ryan bringt mein Gepäck hinein, zeigt mir mein Zimmer inklusive eigenem Badezimmer für eine heiße Dusche. Dusche? Hatte ich heute genug! Aber vielleicht macht ja eine HEISSE Dusche einen Unterschied? Auf jeden Fall!
Aufgewärmt und gut gefüttert sitzen wir abends vor dem Kamin und quatschen Benzin, Reisen und Wetter. Ja, Regen gibt es viel in Irland, auch tageweise heftig. Aber so viele starke Regentage wie dieses Jahr gibt es sonst wirklich nicht - ist mein Verdacht doch richtig, dass diesen Herbst ungewöhnlich viel Wasser unterwegs ist!

Ich dachte, meine Sachen wären alle gut wasserdicht verpackt. Auch der Tankrucksack hat ja noch eine separate Regenhülle! Aber genau dortdrin ist alles feucht: lederne Handschuhe und Geldbeutel - die trocknen nicht so schnell. In der Regenjacke bewahre ich tagsüber meine Kamera auf; sie hat regendichte Taschen mit doppeltem Verschluss - das Wasser steht innen in der Tasche und darin schwimmt das Handy (zum Glück nochmal wasserdicht verpackt). Nun hängen Anzüge und Handschuhe vor dem Kamin, Schlafsack, Tankrucksack und weitere Utensilien trocknen (hoffentlich) in meinem Zimmer.

Erst jetzt beim Zusammenstellen des Blogs stelle ich fest, dass ich den "besten Teil" der Route komplett abgeschnitten habe, die Slieve Cliffs. Wie konnte das passieren? Habe ich beim navigieren geschlafen, hat das Navisystem Mist gebaut oder habe ich bei diesem Mistwetter einfach den Überblick verloren? Egal, es ist zu spät, diesem Highlight nachzutrauern. Vermutlich hätte ich bei dem Wetter ohnehin nichts gesehen oder zumindest hätte ich nichts genießen können. Bleibt Etwas für's nächste Mal.