Samstag, 16. November 2024

Einsam in Portugal

Spät erst krabble ich aus dem Bett und erscheine um 10 Uhr beim Frühstück. Die Lisl hat draußen wieder mal Regen abbekommen, aber sie scheint sich nichts daraus zu machen. Der Herr des Hauses steht schon hinter der Bar bzw. in der Küche. Für take-away-food kocht er heute Stew. Zum Frühstück gibt's halt Toast mit Marmelade und eine Tasse Tee. Mit Hilfe von Google Übersetzer werfen wir uns gegenseitig einige Worte über den Tresen und nennen das "Unterhaltung". Ich erfahre, daß die Anlage seine Frau und Tochter betreiben, er ist Frührentner, Bürgermeister und Qualitätsmanager für Straßen-, Brückenbau- und Staudammprojekte und freut sich in dieser Sache auf seine kommende Brüsselreise. Ich hoffe, ich habe alles richtig verstanden.

Das Szenarion des dichten Nebels über dem Stausee und in den bewaldeten Hängen, erinnert mich augenblicklich an Machu Picchu. Südamerika begleitet mich auch im Lauf des Tages, als ich an den Jahreswechsel denke, den habe ich vor 11 Jahren in Chile verbracht. Weihnachten auf einem Campingplatz mit wenigen fremden Menschen, die zusammenwuchsen und Silvester alleine in der Wüste.

Spät brechen wir auf...bereits nach der dritten Biegung beginnt es zu tröpfeln und ich muss die Motorradbrille auspacken. Aber die Regenhose bleibt im Gepäck! Das ist ein Befehl! Die Straße ist zwar naß, aber eine Weile funktioniert es so. Der Wettergott bleibt aber auch hartnäckig und nach einer halben Stunde hat er gesiegt - ich muß wohl oder über bei strömendem Regen die Überhose rauskramen. Kaum ist alles regendicht, dreht er natürlich den Hahn zu, dieser Fiesling! Er hat sein Ziel erreicht.

Auf einer alten, sehr holprigen Straße pendenl wir nun unterhalb der Autobahn eine Schlucht entlang. Kein Wunder, daß hier kein Verkehr ist, alle bevorzugen wohl die glatte, breite Piste über uns. Über einen Staudamm wechseln wir entgegen der Navi-Vorgaben auf die Nordseite der Schlucht und durchfahen ein paar verschlafene Dörfer mitten in den Weinbergen. Ein sehr lohnenswerter Abstecher. Weiter flußabwärts findet sich eine Brücke zum zurückwechseln, aber ich hätte die Zufahrt durch eine schmale, niedrige Unterführung unter der Eisenbahnlinie garantiert niemals gefunden, hätte mich nicht kurz zuvor ein Auto überholt! Ich füchte, wir müßten jetzt ein Stückchen Autobahn fahren, aber es sind nur wenige hundert Meter und auch nur eine zweispurige Straße. Dann dürfen wir abbiegen auf ein phantastisches Sträßchen. Es windet sich durch den Wald bis auf ein Plateau auf 700 m und nach einiger Zeit noch weiter bis auf 900 m. Das war ein geiler Ausflug! Unterwegs haben wir einen Mitfahrer bekommen, eine Spinne hält sich am Lenkerstulpen fest.

Hier sind sie endlich, meine geliebten, lichten Kiefernwälder! Sehr einladend für die Hängematte, aber noch viel zu früh um den Tag zu beenden. Mir fehlt außerdem bei der Kälte der Kiefernduft, Sonne und ein wenig Wärme. Und Gesellschaft! Ich fühle mich tatsächlich einsam - ein neues Gefühl, das ich sonst nicht kenne. Kann man denn nie zufrieden sein???

Aus 1000 Höhenmetern abwärts führt eine super gute Straße mit zahllosen engen Kurven, die einer Rennstrecke alle Ehre machen würden! Eine Orgie. Direkt vor der Grenze nach Portugal lädt eine gut besuchte Bar zum Essen fassen ein. Ich lasse mich einfach mal überraschen, was der Kellner mir servieren wird. Mut zur lokalen Spezialität. Es stellt sich als Kuddeln mit Bohnen und einem Hauch Chorizo heraus, nicht gerade mein Lieblingsessen - aber schlecht war es nicht. Zur Wiedergutmachung gibt es Tiramisu zum Nachtisch. Portugal empfängt mich wieder mit Regentropfen, dazu gesellen sich jetzt leichte Bauchschmerzen. Schlecht gelaunt buche ich mir schon wieder ein Hotel - ich möchte mich nur einkuscheln und ein wenig in Selbstmitleid ergehen.

Die letzten Kilometer geraten wir auf eine sehr unebene, grob gepflasterte Straße, die auch nach der engen, unübersichtlichen Ortschaft weiterführt. Wunderschöne Kiefernwälder bieten schöne Campingmöglichkeiten - ich muß mich selbst auslachen, daß ich den Hotelverlockungen nachgegeben haben. "Zum Glück" regnet es wieder - eine gute Ausrede. Nach 20 min stehen wir an dem Ort, von dem Google und mein Navi behaupten, hier wäre das Hotel. Rechter Hand erstreckt sich das örtliche Schwimmbad und linker Hand sehen wir eine anscheinend geschlossene Bar. Wir zockeln suchend noch ein wenig weiter und kehren dann zur Bar zurück. Am Gebäude nebenan steht ein Schild "Hotel" und eine Telefonnummer, denn alle Läden sind geschlossen. An der Bar steht "geöffnet" und auf einem kleinen Aushang an der Tür steht der Name meines Hotels (der Name der Bar ist ein ganz anderer). Auch hier sieht alles geschlossen aus, die Hinweisschilder sagen etwas anderes. Die Tür ist wirklich verschlossen, aber da kommt jemand. Ja, hier sind wir richtig! Natürich bin ich mal wieder einziger Gast, der Wirt - er spricht sogar etwas deutsch - richtet noch schnell alles her, dann darf ich mein geräumiges Zimmer beziehen.


Freitag, 15. November 2024

Überraschungen

Außen ist das Zelt vom Tau durchnäßt, von innen tropft das Kondenswasser herab. Ich habe gehofft, die Morgensonne direkt auf die Koje zu bekommen, aber bei der Suppe ist weit und breit keine Sonne! Lange nach 11 Uhr bin ich mit Trocknen und Packen soweit, daß es los gehen kann. Weiter geht die Fahrt auf der herrlichen Schlangenlinienstraße, nach und nach lichtet sich der Nebel, bedeckt aber weiterhin den Himmel und nach einer Stunde beginnt es etwas zu tröpfeln. Wie gerufen kommt da eine Tankstelle für Lisls Frühstück und direkt nebenan ist eine Bar, in der ich mich bei einer Tasse Tee etwas aufwärme und erledige ein paar Dinge für das "normale Leben". Danach lugt tatsächlich die Sonne durch! Auf nasser Straße in ca. 900 m Höhe rollen wir weiter bis uns ein Schild "Pass ist offen" überrascht. Oh je, über 1200 m hat's geschneit, das brauchen wir eigentlich nicht. Aber es kommt nicht so schlimm - die Temperatur bleibt bei ca. 11 Grad und wir steigen noch nicht einmal auf 1000 m. In der Schlucht unter uns hängen weiterhin die Wolken, aber "über den Wolken, muß die Freiheit wohl grenzenlos sein..."

Bis Lugo wollten wir eigentlich gestern kommen, nun sind wir am frühen Nachmittag da. Nein, wir werden hier nicht schon übernachten. Aber die Lebensmittel auffüllen - ich habe Hunger. Wir stürzen uns in die Stadt und finden einen Supermarkt. Die Fahrspuren der beiden Richtungen sind durch eine beiten Grünstreifen mit Sitzbänken getrennt und jeweils auf beiden Seiten dicht beparkt. In der Sonne stille ich meinen Hunger auf einer solchen Bank, als ein Mann mit Motorradjacke zielstrebig auf mich zukommt. Mit Hilfe des Übersetzers erklärt er mir in rudimentärem Englisch, daß er mich aus seiner Wohnung gesehen hätte und mir ein Geschenk machen wolle. Ich bekomme außer 2 Aufklebern noch ein T-shirt und eiine Mütze/Schal mit der Aufschrift seines Motorradklubs. Nach 2 Sätzen "Benzin" eilt er weiter und hinterläßt mich freudig überrascht.

Zu früh um den Tag zu beenden, zu spät um noch großartig herrliche Lagerplätze zu finden. Ich lasse mich einfach mal überraschen. Ich habe in die Route noch eine Ecke nach Westen eingebaut, damit wir nicht über die ganz hohen Berge müssen in dieser Jahreszeit. Die Straßen entsprechen mittleren Landstraßen - gut befahrbar, wenig Verkehr, schöne Kurven. Auf den Wiesen weiden sonderbare Kühe: eigentlich sehen sie ganz normal aus, aber es stinkt überall nach unsichtbaren Schweinen....

Um halb fünf "schau ich mal" bei Booking, ob ein erschwingliches Bett in der Nähe steht. Man wird ja so schnell zum Weichei - und ich lebe über meine Verhältnisse! Tatsächlich - in 10 km Entfernung gibt's für 20 € ein Bett im 4-er-Zimmer inklusive Frühstück! Das Gebäude liegt traumhaft oberhalb eines Stausees neben einem Bootsclub. Aber es ist verschlossen. Aus dem Bootsclub eilt ein Mann herbei, der dienstbeflissen bestätigt, daß ich hier ein Zimmer haben kann. Das Hostel ist anscheinend eingewintert, wie sich herausstellt. Ich bin der einzige Gast - die nächste Überraschung! Im Club nebenan gibt es eine Bar und ein Restaurant.

Leider gibt es im Bad kein warmes Wasser, darum setzt die 3-köpfige Familie alle Hebel in Bewegung, mir eine Dusche zu verschaffen. Aufgrund eines defekten Wasserrohrs gibt es die leider nur im Untergeschoß, aber sie haben es immerhin ermöglicht. Meinetwegen wäre das nicht unbedingt nötig gewesen. Ich scheine heute mal wieder der Mittlepunkt der Welt zu sein...

Donnerstag, 14. November 2024

Dankbarkeit

Um im 4-Bett-Zimmer zu schlafen, habe ich 4 € mehr investiert - das ist letztendlich ein Einzelzimmer wert! Denn ich hatte das Zimmer ganz alleine. Beim Frühstück herrschte ein wildes Gewusel in der Küche, man konnte aus den vorhandenen einfachen Dingen sein Frühstück selbst zusammenstellen. Gefrühstückt habe ich auf der Terrasse, obwohl es ziemlich bewölkt ist. Dort habe ich mich mit Kerstin (ca. mein Alter) unterhalten, die für eine Woche aus Deutschland in die Sonne geflüchtet ist. Dann ist kurz nach zehn Aufbruch. Die Lisl hat wohl heute Nacht gefroren, sie möchte gerne mit dem Choke geweckt werden. Dafür wird sie von einem Passanten mit Daumen hoch gelobt, er möchte sogar gerne ein Foto von ihr machen. Na klar. Er hat selbst eine alte BMW von 1955 und zeigt mir stolz ein Bild - Biker eben....

Unsere Fahrt beginnt entlang der Strandpromenade, bis wir in die Stadt abbiegen müssen. Dort verfahren wir uns ein wenig in den engen Gässchen, das Navi gibt mir sonderbare Abbiegehinweise, die überhaupt nicht mit der angezeigten Route übereinstimmen. Viele bunte Läden säumen große und kleine Straßen. Ich amüsiere mich über das hektische Gewusel der Menschen, die sicher alle mit unterschiedlichen Zielen irgendwo hin eilen - bin ich froh, daß ich hier nicht wohnen muß! Um ein Stück voran zu kommen, soll das Navi eine schnelle Route ohne Autobahn aussuchen. Diese führt uns grob entlang der Küstenlinie, ohne jedoch Sichtkontakt zu haben. Nach einer Stunde durch Städte, Ortschaften und Industriegebiete sind wir auch erst ca. 30 km weit gekommen - gleiche Geschwindigkeit wie gestern aber mit Null Spaßfaktor! Staub und von dem vor mir fahrenden LKW aufgewirbelter Schmutz machen meinen Augen zu schaffen.

Erst nach etwa zwei Stunden beginnt die Fahrt, Freude zu machen. Die Straße schlängelt sich kurvenreich um die Autobahn herum, die meist hoch über uns thront und auf teils alten gemauerten Brücken die Schluchten überquert, die wir ausfahren dürfen. Ein Fahrradfahrer strampelt sein Surfbrett auf dem Anhänger den Berg hinauf. Abgebrochene Äste kragen gelegentlich aus dem Urwald über die Fahrbahn. Schlechte Laune? Warum? Ich könnte doch ein bisschen dankbar sein! Zum Beispiel dafür, daß wir gerade so wunderschöne Kurven fahren durften. Oder dafür, daß es nicht regnet und die Überhose im Gepäck mitreist. Schwups - schon sind die Mundwinkel oben! Und - was soll ich sagen - blauer Himmel lacht zurück, genau aus unserer Zielrichtung! Es hat funktioniert! Ab sofort gondeln wir bei strahlendem Sonnenschein eine Schlucht entlang, breite bequeme Straße, unendlich viele lange und kurze Kurven, Ausblick auf den tief unten liegenden Stausee! Aus unerfindlichem Grund zieht mich ein Parkplatz auf der Höhe an. Es ist noch viel zu früh (15 Uhr und erst 170 km) zum Übernachten, aber es gibt eine soooo wunderschöne Anlage! Wiese, Sitzgarnituren, Grills, locker verstreute Bäume und ein Schwimmbad! Ein Schwimmbad? Das Gebäude sieht eher wie eine alte Burg in gutem Zustand aus. Ringsum vergittert und verschlossen, aber ich kann einen Blick zwischen den Zinnen auf ein randvoll gefülltes rundes Becken werfen. Schade, es gibt wirklich keine Möglichkeit (illegal) hinein zu gelangen. Na gut, dann suche ich mir einen guten Platz für die Koje und zum Sitzen aus. Ganz oben auf einem Hügel paßt es mir - ich lasse mir die warme Nachmittagssonne auf den Pelz brennen. Die Lisl muß leider draußen bleiben - ich habe sie unterhalb des Hügels geparkt. In dem Hügel versteckt sich ein Restaurant, das jetzt sogar noch geöffnet hat, aber angeblich um 16 Uhr schließt. Der Wirt treibt sich allerdings bis ca. 18 Uhr herum und ich mag die Lisl erst abpacken und die Koje aufhängen, wenn ich alleine bin.

Die Internetverbindung ist sehr wechselhaft....



Mittwoch, 13. November 2024

Gegensätze

Gestern abend bin ich noch zum Essen ca.350 m in ein Restaurant gegangen - auf dem Heimweg wurde ich klitschnass und fast weggeblasen. Es ist schön, ein trockenes Plätzchen zu haben!
Morgens um acht prüfe ich alle herumhängenden Teile - alles trocken! Dafür sind die Fensterscheiben beschlagen. Alles wird ordentlich eingepackt und zur Lisl gebracht, die auf dem Parkplatz um die Ecke steht. Dann freue ich mich auf das Frühstück, das im Buchungsportal für 5 € angeboten wird. Aber das Restaurant ist vergittert und die Rezeption verschlossen. Gibt nix! Schade. Aber wenigstens die Lisl soll ein feudales Frühstück haben, auch wenn eine Tankstelle in 6 km Entfernung schwierig zu finden ist. Dafür werden wir hier sogar bedient, ich bekomme ein leckeres Croissant und auch mein Wasser, das ich vergessen habe aufzufüllen, kann ich hier bunkern. Lasset den Tag beginnen!

Wir treiben uns heute im "Kantabrischen Gebirge" herum, die Pyrenäen haben wir schon lange hinter uns gelassen. Die Sonne blendet auf der nassen Fahrbahn, in den Bergen hängen noch die Wolken. Die Navi-einstellung "schnell und kurvig" heißt natürlich auch "bergig" und das heißt "wolkig" und das widerum heißt "Regen". Laut Wetterbericht soll es in der Gegend sogar geschneit haben - was stimmt, wie wir später feststellen werden. Schon zu Beginn winden wir uns in engsten Serpentinen auf 530 m Höhe hinauf. Selbst im zweiten Gang hat die Lisl genug Kraft, um bei minimaler Geschwindigkeit zuverlässig jede Kehre und Steigung zu meistern. Es ist schön, wenn man sich so auf einander verlassen kann! Statt Regen strahlt nun blauer Himmel auf uns herab, die Luft ist klar und rein vom nächtlichen Vollwaschgang! Am Wasserstand in den Straßengräben, den Pfützen und Tümpeln auf den Weiden kann man erahnen, welche Regenmengen heute Nacht gefallen sind. Auch ein paar Sturmschäden sind nicht zu übersehen.

Nett sind die gefassten Bergquellen, an denen bunte Tassen zum Trinken einladen. Kuhfladen und Pferdeäpfel zieren die schmalen, einspurigen Straßen, in jeder Kurve könnten wir vor einem Hindernis stehen. Nach dem ersten Pass liegt eine Bergkette zwischen uns und der Küste. Wir folgen einem kleinen Tälchen, auf einer Felsnadel direkt neben der Straße scheuchen wir einen Falken auf. Oliven- und Kastanienbäume bereichern die Wälder. Das war ja vielleicht ein geiles Sträßchen! Pässe hinauf, in die Täler hinab, Kehren nach links und Kurven nach rechts (oder umgekehrt), Sonnen- und Schattenseite der Berge, Licht zwischen den Weiden und Schwärze durch die Wälder - das sind Gegensätze! Es ist sooo ein schöner Tag!

Oh, ich hab dem Navi "kleinste Sträßchen" erlaubt? Na, da brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir nach 2 Stunden noch nicht einmal 50 km zurückgelegt haben! Dann gelangen wir auf einen ca. 7 km langen Abschnitt wo lediglich rudimentäre Asphaltplatten die Rechtfertigung einer "befestigten Straße" darstellen. Die Löcher dazwischen erstrecken sich oft über die ganze Straßenbreite, ein Stück weit entspricht die Qualität eher einem Waldweg. Da beschließe ich, für den restlichen Tag "kleinste Straßen" zu vermeiden. Nur hilft das leider nichts, wir sind mitten im Nirgendwo! Eine weiße Mittellinie ziert den nächsten Abschnitt eines immerhin asphaltierten einspurigen Weges und definiert ihn damit als zweispurig. Ich frage mich, welche Fahrzeuge dafür als Referenz dienten? Plötzlich lugt eine Fahrzeugschnauze von unten links auf unsere Spur. Oh, ich hätte gar nicht gemerkt, daß wir hier abbiegen müssen (geradeaus scheint die Straße an einem Hof zu enden)! Sehr steil führt eine bemooste Betonpiste abwärts. Endlich greift die veränderte Navi-Einstellung, die Straßen werden etwas breiter, der Belag etwas besser. So gut, daß die Behörden hier schon Geschwindigkeitsbegrenzungen festgelegt haben: 50/40/30... Das ist deutlich schneller, als wir bisher unterwegs waren.

Bereits gegen 15 Uhr bin ich ziemlich müde, satt, erschöpft und habe keine Lust mehr. Zwar scheint die Sonne, aber sobald sich eine Wolke davor schiebt, wird es kühl. Ich denke an die kalten Finger beim Blogschreiben am Abend im Zelt und beschließe kurzerhand, mal nach einem Dach überm Kopf zu suchen. Die Bikergruppen sind hier nicht vertreten, aber bei Booking sticht mir ein Hostel in Gijon ins Auge. "Surfer Hostel" - für 22 € im 4-Bettzimmer, Frühstück inklusive. Das gefällt mir! Um nun schnell dorthin zu kommen, nehmen wir sogar ein Stück Autobahn in Kauf und sind in weniger als einer halben Stunde dort. Auch durch die Stadt kommen wir ohne größeren Streß. Das Hostel ist sehr gemütlich, Surfer natürlich, nette Leute. Im Garten scheint die Sonne, auf der Terrasse stehen bequeme Möbel. Aber kaum sitze ich, um zu schreiben, zieht es zu und ein ekliger Wind kommt auf. Gut, daß ich nicht in "der Wildnis" bin! Die Lisl bekommt noch etwas Aufmerksamkeit: Luftdruck und schmieren des Bremshebels. Dann darf sie sich auf einem Parkplatz in kurzer Entfernung ausruhen.

Wir sind heute nur halb so weit gekommen wie geplant, aber herrlich war es!!!

Dienstag, 12. November 2024

Winter...?

Pünktlich zum Tagesanbruch setzt der Regen ein. In der Nacht ist ein Reißverschluß des Moskitonetzes kaputt gegangen, so daß man es nicht mehr schließen und dieses das Überzelt abhalten kann. Mein großes Tarp scheint in keinster Weise wasserdicht zu sein, darum ist schließlich alles naß: Tarp, Koje, Luftmatratze und Schlafsack. Und ich. Der Helm soll "die Frisur trocken" halten, aber das halte ich nicht durch. Ich komme beim Packen ordentlich ins Schwitzen, obwohl nur 9 Grad herrschen. Packvolumen und Gewicht haben um den Wasseranteil zugenommen. Der Wetterbericht verspricht keine Besserung - es ist halt jetzt Winter. Als alles gepackt ist, taucht die Sonne auf und lacht mich aus. Nicht lange....

"Schnellste Route ohne Schnellstraßen" heißt noch lange nicht, daß wir schnell sind! Auf gemischten Landstraßen führt uns die Reise durch's Ebro-Tal. Die Straße ist naß bis trocken, die Traktoren schleppen die Erde auf den Asphalt und in den Kurven liegt oftmals Laub. Meinem Hinterreifen mit wenig Negativprofil traue ich nicht über den Weg, er hat schon gestern auf dem Weg zum Lagerplatz nicht richtig gegriffen. Das Profil "Adventure" heißt vermutlich so, weil es zum Abenteuer wird, wenn man vom Asphalt abkommt.

Verschwitzt wie ich bin, komme ich schon bald in's Frösteln. Im Hals kratzt es schon seit gestern. Ich freue mich auf eine heiße Dusche im Hotel, aber bis dahin ist es noch meilenweit! Kurz vor Mittag findet sich eine Bar in einem kleinen Dorf. Ob sie wohl offen ist? Ein paar Männer trinken drinnen Kaffee, der Barkeeper ist schrecklich beschäftigt und spricht praktisch kein englisch. Aber eine Tasse Tee kann er mir machen. Eine heiße Suppe? Gibt es erst ab 13 Uhr. Tortilla kann er anbieten und auch aufwärmen. Er stellt noch einen Korb Brot dazu - alles zusammen kostet 3 €, 1 € lasse ich als Trinkgeld liegen. Kaum sitze ich an einem Tisch, kommt er schon mit einer Tasse heißer Brühe hinter mir her - das ist toll. Ein guter deal!

Zumindest leicht aufgewärmt mache ich mich bald wieder auf die Socken, jetzt lugt sogar die Sonne raus. Nach jeder Kurve ändert sich die Stimmung: nach Linkskurven haben wir blauen Himmel und weiße Wölkchen vor uns, nach Rechtskurven schwarze, tiefhängende Regenwolken. Für die nächsten Stunden bleiben wir allerdings zum Glück vom Regen verschont. Unmerklich sind wir ziemlich hoch hinauf gekommen - ein geiles Sträßchen mit grandiosen Ausblicken hat uns bis auf 1200 m Höhe geführt, wo der Wind so stark bläst, daß ich die Lisl im Stand kaum mit den Beinen aufrecht halten kann. Auf der gesamten Strecke - also von der letzten Ortschaft bis zur ersten Ortschaft habe ich überhaupt nur 2 Fahrzeuge gesehen! Einen Namen hat der Paß anscheinend nicht, aber er liegt in der Nähe des Pico del Rostro.

Unsere heutige Etappe neigt sich dem Ende zu - die Lisl tut heute wieder treu und zuverlässig ihren Dienst - da erwischt uns wieder ein heftiger Regenguss. Angeblich ist es hier schon viel wärmer (19 Grad!?), aber irgendwie dringt das nicht bis zu meinem inneren Thermometer durch.
Ein hübsches Zimmerchen in einem ganz kleinen Hotel an der Küste erwartet mich! Bevor ich die Dusche nutze, muss ich noch das ganze Zeltgeraffel irgendwie zum trocken bekommen - alle Türen, Schranktüren und Fenster werden vollgehängt, der Schlafsach auf dem Bett ausgebreitet und die Luftmatratze steht mitten im Zimmer. Bin gespannt, welchen Feuchtigkeitspegel ich bis morgen früh erreichen kann. Die morgige Route plane ich jetzt genau nach Wettervorhersage: möglichst wenig Regen, aber kalt wird's trotzdem.


Montag, 11. November 2024

Hola Spanien

Relativ früh bin ich wach und zögere heute nicht lange. Das Zelt ist naß aber bei dem Nebelregen wird das wohl nicht besser. Außerdem ist bals Regen angesagt und wir haben heute wieder eine lange Strecke vor uns. So sind wir "schon" um 10.15 Uhr unterwegs. Die ersten 6 km würde ich wie folgt benoten: Sicht 5-6, Landschaft 2-3, Kurvigkeit 1+! Meine gestern nachgestellt Hinterradbremse ist jetzt recht giftig.

Wir nähern uns den Pyrenäen - wirkt irgendwie wie das Alpenvorland. Auch die größeren Straßen werden nun etwas kurviger, aber das folgende Tal ist wirklich geil! Lange schnelle Kurven mit viel Platz laden zu Schräglage ein. Lange dürfen wir diesem herrlichen Tal folgen. Dann - fast hätte ich es verpasst - zweigt ein kleines Sträßchen über die Grenze Richtung Pamplona ab über einen Paß. 30 km sind uns versprochen. Perfekt! Auf etwas über 800 m wechseln wir das Land. Bemerken kann man es lediglich am dortigen Cafe bzw. der Tankstelle - die sind in einer anderen Sprache beschriftet. Noch bis auf 930 m steigt der Pass an, dort oben pausieren 2 Polizisten mit feuerroten Motorrädern. Die morgendlichen 15 Grad sind auf 11 Grad gesunken und es bläst ein frischer Wind. 

Pamplona ist ein Moloch und die Kreisel sind ein Horror. Das Navi lotst uns zwar um die Stadt herum, aber auch auf den Umgehungsstraßen fordern die Kreisel im 200 m-Takt ganze Konzentration. Manchmal ist unklar, ob eine Einfahrt mitgezählt wird oder nicht (Navi sagt, die wievielte Ausfahrt wir nehmen müssen) und auch ob die Richtung geraudeaus oder leicht links oder rechts ist, wird nicht immer klar. So müssen wir ein paar mal wenden und gelangen zu guter Letzt auf eine Autobahn und auch noch in der falschen Richtung! Ich mag keine Städte!


Wir folgen einem weiten Tal, wo die Lisl mal wieder ein bißchen springen darf, bis zum nächsten Pass. Enge Serpentinen winden sich an den snkrechten Felswänden bis auf knapp 900 m hinauf, auf der anderen Seite geht es bewaldete Hänge in ebensolch schönen Serpentinen wieder hinunter. Unten in der Ebene pfeift ein straker Wind, schwarze Regenwolken türmen sich vor uns auf und wir steuern direkt darauf zu. Das ist was das angekündigte Regengebiet, das den Norden des Landes überzieht. Der Tafelmann, die menschliche Ampel an einer Baustelle, ist genauso warm angezogen, wie in der gleichen Jahreszeit die Kollegen in Nordnorwegen, nur daß dort die Temperatur etwas niedriger ist.

Getankt haben wir heute schon, auch einen offenen Supermarkt (es ist Feiertag in Frankreich) hab ich gefunden, nur eine Wasserstelle ist nirgends zu finden. Gerade als ich überlege, wie ich mit dem kleinen Rest am Besten zurechtkomme, taucht in einem Bergdörfchen eine Quelle auf! Wie sich doch alles immer zum Guten wendet....

Heute will sich einfach kein Plätzchen finden, egal wie oft ich anhalte und in den Wald spähe oder wie viele Nebensträßchen ich ausprobiere. Schon schaue ich mal bei booking.com nach einem Hotel in der Nähe, da kündet ein Schild von einem Turm. Attraktion? Na, mal schauen. Einen Turm finden wir nicht, aber noch ein Nebensträßchen zum Nebensträßchen. 3 Häuser und einige Nebengebäude und ein wunderschönes Waldstückchen! Dort hinauf führt zwar ein Weg, aber es sieht sehr privat aus. Sehnsüchtig schaue ich hinauf als ein alter Mann aus der Scheune kommt. Bei näherem Hinsehen dürfte er etwa mein Alter haben (ha ha ha). Mit praktisch Null Spanischkenntnissen entspinnt sich in etwa diese Unterhaltung:
"Ist das hier alles privat?" - "Ja"
"Darf ich hier vielleicht schlafen / campen?" - "Ja"
"Vielen vielen Dank"! - "Eine Nacht!?" - "Ja"
"Bist Du alleine?" - "Ja, vielen Dank!"

Ein herrliches Plätzchen unter Eichen am Hang ist unser! Es windet und sieht sehr nach Regen aus, darum nutze ich heute Doppeldachtechnik, d.h. das Tarp kommt noch über die Koje. Während ich aufbaue kommt der Bauer mehrfach vorbei und schlägt mir vor, im Holzstadl zu nächtigen (schlecht wegen der Aufhängungen), oder wenigstens das Motorrad rein zu stellen (ist nicht nötig). Unten an der Scheune gibt es Wasser (hab ich ja jetzt), ganz viel, auch zum Waschen und Händewaschen. Ok, ich schau es mir an. 2 Wasserhähne und eine Flasche Flüssigseife gibt es da - Luxus.

Heute gibt es ein typisches Motorradfahrer-Camping-Abendessen, das ich noch nie gemacht habe: Ravioli! Der Wind hat nachgelassen als ich mich in die Koje verziehe. Ein Käuzchen meldet sich zu Wort, es wird kalt - gute Nacht.