Samstag, 21. September 2024
Freitag, 20. September 2024
In Deutschland
Während meiner Morgenroutinen kommt tatsächlich ein Auto über den Hügel (bis zu meinem Platz sind es 650 m). Es hält allerdings vorher, der Bauer erledigt etwas und verschwindet wieder. Bereits um 9 Uhr sind wir on the road. Auf unserer Fahrt zwischen den hochliegenden Weiden lacht uns die Sonne an, während es in den finsteren Wäldern weiter unten doch zum frösteln kühl ist. Es ist ein wunderschöner Morgen mit wieder genußreichen Sträßchen.
Gegen Mittag erreichen wir die tschecisch-deutsche Grenze. Leider ist der Spritpreis hier schon fast der selbe wie auf deutscher Seite - im Landesinneren war es noch 30 ct billiger. Auch noch irgendwelche Lebensmittel einzukaufen lohnt sich absolut nicht.
Da es in Deutschland ja kaum umbefestigte Wege gibt, die nicht verboten sind, stelle ich das Navi nun nochmal 2 Stufen härter: auch Hauptstraßen vermeiden und darf auch unbefestigte Wege fahren. Wups, wird meine Route 20 km länger.Zu Beginn stimmt zwar die Richtung überhaupt nicht, dafür dürfen wir noch ein paar schöne Nebensträßchen erleben, dann aber kommen wir immer häufiger auf größere und befahrenere Straßen. Hm, so war das nicht gedacht. In Wackersdorf ist mal wieder gesperrt. Mein Navi ist ziemlich ratlos und ich suche selbst. In dieser Zeit kommt ein motorradbegeisterter Radler an und gibt mir Tipps: die vom Navi vorgeschlagene und von mir favorisierte Route ist leider auch schon seit ewigen Zeiten gesperrt. Es gibt keine "schöne" Alternative. Er schlägt mir aber eine ganz andere, sehr schöne Strecke vor, nur führt die leider nicht nach Aschbuch. Wir sind ja schon fast in der "alten Heimat", da können wir eigentlich auch auf das Navi verzichten.
Auf den letzten Kilometern kann ich schon die ersten Dinge meiner Checkliste erledigen, bevor wir überhaupt in Aschbuch ankommen. Nun stehen noch einige Aktivitäten aus, d.h. jetzt gibt's erstmal eine Blogpause. Ich schätze für ca. 1 Woche.
Donnerstag, 19. September 2024
Sächsische Schweiz
Bunge und ich frühstücken alleine und philosophieren über das Leben und das Weltgeschehen. Schön war's, aber jetzt um 10 müssen wir weiter! Sanfte Hügel und Kurven führen uns innerhalb kürzester Zeit in ein so herrlich enges, wildes Tälchen. Einfach nur Wow! Nicht mur die senkrecht aufragenden Felsen, auch das kleine uns begleitende Bächlein, die unerreichbaren, gefallenen Bäume und der dichte Wald sondern auch die herrlichen Kurven versetzen mich in Euphorie. Die Lisl bekommt ein Temposignal und kümmert sich um den Rest. Zurücklehnen, schauen und genießen. Gesperrt (wegen Jagd)! Umleitung? Keine. Das Navi sucht, aber wir müssen trotzdem ein Stück zurück. Na ja, ist ja ein tolles Sträßchen und in der anderen Richtung gibt es wieder ganz neue Ausblicke.
Manche Verbindungsstücke müssen wir über größere Straßen bewältigen, aber mein Navi findet immer wieder Abwege - sind zwar Umwege, aber jedesmal sehr lohnenswert! Bis Altenberg an der tschechischen Grenze kommen wir gar nicht, da uns mindestens 4 verschiedene Sperrungen davon abhalten. Plötzlich sind wir jedoch drüben, ohne es bemerkt zu haben. Die Miniwege sind manchmal kaum zu finden, sehen wie Hofeinfahrten aus. Auf einem dieser Wege haben wir anscheinend die Grenze passiert. Dann scheinen wir auf einem Höhenradweg gelandet zu sein, so viele Radler treiben sich hier rum. Aber wir sind ja auch Radler - was ist schließlich der Unterschied zwischen einem E-Bike und einem Benzin-Bike? Unendlich viele Kurven und Kehren! Ein Schwelgen! Und das ganze bei allerbestem Reisewetter: 25 Grad, leicht bewölkt und ein bissschen Wind.
Unmerklich sind wir in die Ebene gekommen und haben das Erzgebirge verlassen; da hab ich wohl nicht aufgepaßt und mich zu sehr auf das Navi velassen? Aber in den Bergen führen die Straßen meist in Nord-Süd-Richtung, da wären wir nicht weiter gekommen. Also akzeptieren wir die vorgeschlagene Route, selbst wenn sogar ein Stück Autobahn dazu gehört. Da machen wir halt ein paar Kilometer. Auch für eine Mittagspause ist die Route geeignet, denn wir kommen durch ein paar Städte. Ein Supermarkt lockt mich nach drinnen - als ich wieder herauskomme, ist alles naß! Da war doch glatt inzwischen ein Regenschauer! Die Pause findet dann auf dem Parkplatz statt aber wird leider vom nächsten Schauer gestört. Nix wie weg hier, die Regenklamotten bleiben im Packsack, ich entscheide, daß dies nur ein lokaler Schauer ist. Er reicht zwar zum naßwerden, aber ich liege richtig - schon bald sind wir wieder trocken.
Eine Straßensperrung, ha ha. Die Umleitung sieht lang aus, daher suche ich einen Strich auf der Landkarte, das muss eine Straße sein. Stimmt - allerdings ein schmaler Betonplattenweg. Macht auch Spaß.Lagerplatz? Schwierig. Der Boden ist aufgeweicht, alle Wiesen abgezäunt, die Wälder zu dicht und kein Eingang. Schließlich findet sich ein offenes Weidetor und wir fahren lange über die Wiese bis zu einer kleinen Baumgruppe. Von der Straße her ist der Platz nicht mehr einsehbar, da hinter der Bergkuppe versteckt. Bäume gibts genug hier auch im passenden Abstand. Aber teilweise sind sie so dick, daß der Baumgurt gar nicht herumreicht. Auch ein kräftiger Wind macht mir zu schaffen, habe die Koje ja noch nie bei Wind oder Sturm ausprobiert - also wieder ein Novum. Auf der Windseite lasse ich das Tarp herunter und fixire es am Boden. Solange die Sonne noch scheint, setze ich mich neben der Lisl auf die Wiese und genieße die Einsamkeit. Sobald die Sonne aber hinter den Baumwipfeln verschwindet wird es kühl und ich suche Schutz in der Koje. Auf jeden Fall haben wir heute mal KEINE Schnaken! Die Lisl darf in ca. 25 m Abstand auf der Weide grasen.
jjjjjjjjj
Mittwoch, 18. September 2024
Paralleluniversum "Sträßle"
Kurz vor acht wacht die Baustelle leise auf. Ich bin schon eine Zeitlang wach, kuschle aber noch im warmen Schlafsack. Gestern abend hat sich auf dem Platz noch die männliche Dorfjugend versammelt, aber sie waren erstaunlich leise und haben sich von mir fern gehalten. Wir haben eine gute Wahl getroffen, zeigt sich im weiteren Streckenverlauf - es zeigt sich kein geeigneter Platz mehr. Lisls Auspuff ist leise, dafür hat meine Brille einen Nasenbügel verloren. Tja, wir werden eben alle altersschwach.
Straßensperre? Einfach ignorieren. Beim 4. Sperrschild geht's dann anscheinend wirklich nicht mehr weiter. Die ganze Straße im gesamten Dorf ist aufgerissen. Aber was machen die Einheimischen? Na ja, das können wir auch - auf der Trasse geht's mitten durch. Eine Alternative hätte es sowieso nicht gegeben. Nun landen wir auf einer großen Schnellstraße, die parallel zur Autobahn verläuft. Daher hält sich der Verkehr zum Glück in Grenzen. Nackte Wände eines Abrisshauses recken sich in die Höhe - über der Eingangstühr steht groß "Eden".
In Zagan gibt es hoffentlich einen Supermarkt; auf den ganzen Minidörfen, die wir passieren gibt es ja keine Versorgungsmöglichkeit. Wir müssen mitten durch die Stadt und über den Fluss Bober. Auf der anderen Flussseite gibt es einige Suüermärkte. Aber als wir an die Brücke kommen, ist sie gesperrt. Sieht aus wie ein Volksfest: viele Schaulustige, blinkende Lichter. Leider scheint es keinen anderen Weg über den Fluß zu geben, also halte ich ratlos an der Sperrung und studiere das Navi. Ein Soldat kommt auf mich zu und erklärt mir, dass die Brückensperrung dem Hochwasser auf der anderen Seite geschuldet ist. Er kennt sich hier nicht aus. Schließlich finden wir eine große Umgehungsstraße und versuchen unser Glück dort - die Straße verläuft auf einem Damm, das Wasser steht rechts und links davon "Oberkante Unterlippe". Menschen füllen Sandsäcke und stapeln sie auf. Militär-LKW in Begleitung von Polizei-Motorrädern rücken an. Wir sind drüben! Ich hoffe, daß wir damit die letzte Hürde aller Fluten genommen haben.
Manchmal müssen wir auf großen Straßen - so wie heute Vormittag - mit dem Verkehr schwimmen, aber dann tut sich zum Glück immer wieder ein Schlupfloch in das Paralleluniversum der Ministräßchen auf. Kühle Wälder säumen schmale Wege. Der Untergrund besteht vermutlich meist aus altem Pflaster - manchmal eiern wir direkt darauf herum, manchmal lugt es unter abgefrästem Asphalt hervor. Hält auf jeden Fall länger als die modernen Asphaltstraßen. Ich hoffe, auch in Deutschland können wir im Paralleluniversum weitertingeln.
15:00 Polnisch-deutsche Grenze. Nochmal günstig tanken! Die Völker-oder besser Autowanderung findet hier nach Osten statt (zum tanken und einkaufen). Die Straßenführung ist auf der deutschen Seite auf jeden Fall deutlich motorradfreundlicher. Auch wenn es eben ist, gibt es nicht "kerzengerade - 90 Grad", nein hier schlängeln sich gute Asphaltstraßen in motorradgerechtem Kurvenstil durch die Landschaft. Herrlich!
Es ist heiß. Das Wetter: morgens sonnig und kühl, abends sonnig und schwül! Und dann ab zu meinem alten Kumpel Bunge, wo ich mich für eine Übernachtung eingeladen habe. Wir haben schon einige Abentuer mit dem Motorrad zusammen erlebt! Die letzten Meter zu seinem Haus sind eine echte Herausforderung: von allen Seiten treffen wir auf Sperrschilder und Straßensperrungen wegen Baustelle. Durch's Hintertürle kommen wir dann doch noch an. Der nagelneue Grill wird extra für mich gestartet und ich werde fürstlich bewirtet. Am allerschönsten sind die vielen "weißt Du noch?". Was der Eine vergessen hat, weiß der Andere noch und umgekehrt. Ich glaube, wir sind alt geworden, wenn man von den Erinnerungen lebt. Es wird sehr spät aber eigentlich gäbe es noch sooo viel "weißt Du noch"...
Dienstag, 17. September 2024
Häschen hüpf!
Heute ist irgendwie der Wurm drin. In der Nacht schon läuft irgendetwas schief im Magen, gegen Morgen wird es unangenehm kalt, so daß ich lieber im warmen Schlafsack liegen bleibe so lange es geht. Auch im Lauf des Tages steigt der Energiepegel nicht wirklich an.
Noch nicht richtig losgelegt und schon haben wir einen Waldweg unter den Rädern, der bleibt aber heute unsere einzige unbefestigte Straße. Wobei dieser vermutlich besser befahrbar ist, als die meisten Schlaglochwege, die uns heute noch erwarten. Rote Schilder am Waldrand warnen wortreich vor irgendeiner Gefahr...Militärgebiet? Jagd? Bären? Man weiß es nicht, wenn man kein polnisch kann.
Die Lisl schluckt alle Wellen und Löcher klaglos, sie hüpft wie ein Hase über die Straßen. Allerdings macht sie ihrem Unmut Luft, indem sie besonders bei niedrigen Drehzahlen laut faucht. Bei Ortsdurchfahrten geniere ich mich richtig. Darum werde ich heute nochmal nachschauen müssen, was ihr fehlt. Ja, es ist wieder das Loch im Auspuff, das ich in Norwegen schon geflickt habe. Das war ja aber nur das Symptom, da ich die Ursache nicht behoben hatte, ist es kein Wunder, daß das Loch wieder da ist. An einer Tanke lädt das Laptop, während ich mich um Lisls Geräuschpegel kümmere. Hitzefestes Kaltmetall habe ich dabei, aber der Hauptständer schlägt an den Asupuff, weil vermutlich ein Gummianschlag abgenutzt ist. Mit einer Schraube als Distanzstück kontere ich - mal schauen, wie lange meine Lösung hilft.
"Kurvig" heißt heute, ca. alle 5 km mal wieder abbiegen. Oder meinte das Navi "kurvig" vertikal? Die Schlaglöcher sind riesig und sehr tief, geflickte Straßenschäden heben mich aus dem Sattel und manch glatte Straßenbelag weist unsichtbare Wellen auf. Woran liegt das nur, daß wir heute so "schlechte" Straßen erleben? Ich hab die Routeneinstellung um 2 Stufen kurviger gestellt von "schnell und kurvig" auf "extra kurvig" - ah so!
Je weiter westlich wir kommen, um so feuchter wird es: Pfützen überall, überschwemmte Äcker, über die Ufer getretene Bäche, Tümpel, wo gar keine sind, ausgespülte Feldwege und Schlamm auf den Straßen - auch hier hat das Unwetter schlimm gewütet! Meine Hängemattenstrategie ist für diese Tour vermutlich die richtige Wahl. Menschengemachter Klimawandel? Ja, das könnte sogar sein, aber nicht so, wie man uns erzählt, daß es an unserer Mobilität (Autos Flugzeuge usw.) liegt, sondern an den für Windräder gerodeten Wäldern, für Sonnenkollektoren verödeten Grünflächen, an Wetterexperimenten wie Chemtrails und HAARP. Was stellen wir (Menschen) nur mit unserem Planeten an?
Gerade mal 200 km geschafft, noch nicht ganz fünf Uhr, aber wir hören für heute auf. Es wird schwierig werden mit einem optimalen Nachtplatz, daher nehmen wir mit einer Baustelle vorlieb. Genauer gesagt: ein kleiner Park im Ort am Waldrand. An der Straße werden gerade neue Leitungen verlegt, aber jetzt ist schon Feierabend. Vermutlich geht'smorgen sehr früh los, aber damit muss ich leben. Dafür ist es ein schöner Platz mit Bänkchen und Tisch. Die Bäume stehen leider zu nah zusammen oder zu weit auseinander. Den Abstand kann man überbrücken, was aber zur Folge hat, daß die Matte weit absinkt (aber immer noch über dem nassen Boden bleibt). Immerhin ist unser Lager von Weitem nur schwwer erkennbar, vielleicht haben wir dann Ruhe? Mücken und Schnaken hat es im Überfluss aber das wird hier in der Gegend überall so sein - Hochwasser ist gut für Mückenzucht! Als es mir zu schlimm wird, verziehe ich mich hinter das Moskitonetz. Gute Nacht!
Montag, 16. September 2024
Sozia?
Es war absolut ruhig in der Pension. Wie verabredet serviert Renata um 8:30 Uhr das Frühstück. Allerdings nicht wie verabredet, akzeptiert sie nicht, dass ich dafür bezahle! Möchte ich aber. Sie hat eine andere Idee: ein Foto von mir mit der abenteuerichen Lisl, das sie im Internet posten darf. Aber ja, das ist ein guter Deal!
Das "typisch polnische Frühstück für 1 Person" besteht aus 2 Rühreiern, einer vielfältigen Wurst-Käseplatte, einem riesigen Teller mit eigenen leckersten Cocktailtomätchen und weiterem Gemüse, sowie zum Nachtisch regionalem extra feinen Honig. Fürstlich, opulent! Ich brauche ja auch Kraft für meine Abenteuer, versichert mir Renata immer wieder.
Während des Fotoshootings mogelt sich eine junge weiße Katze auf deinen Packsack, sie möchte gerne mitfahren. Als Renata sich verscheucht, versteckt sie sich unter dem Schutzblech auf dem Hinterrad. Sie will unbedingt mit!
So sind wir heute bereits kurz nach 9 Uhr auf der Straße - ich muss ja nicht viel packen. Da die Elektronik geladen ist, brauchen wir auch hierfür keine Pause. Lisl, wir fahr'n nach Lodz...
Die Böden sind vollgesogen und nass, die Straßen mittlerweile trocken, die Sonne blinzelt noch ein bisschen. Es ist kühl und Wind verbläst die Luftfeuchtigkeit. Um die Mittagszeit ist es wieder herrliches Fahrwetter, die Regenjacke wandert ins Gepäck.
Nach einer wirren Straßenführung landen wir leider auf einer Schnellstraße / Autobahn. Der dichte Verkehr streßt uns (wir sind verwöhnt von der norwegischen Bummelei), aber dafür leitet uns diese Straße auch schnell wieder von der Großstadt weg. Wir kommen nun häufiger in die Nähe von größeren Städten , manchmal ist die ungeliebte Strecke sogar viele Kilometer lang und wir müssen im Blindflug hinter dicken LKWs fahren. Mein Navi gibt sein Bestes und findet doch immer wieder kleine Sträßchen. Heute sind echte Schmankerl dabei: kurvenreiches schmales und verkehrsarmes Sträßchen durch den finstern Wald und abgelegene Dörfer, alte hohe Birken-und Kiefern-Mischwälder mit moosbedecktem Boden, schattige Alleen zwischen abgeernteten Feldern. Nachdem wir mal eine Abzweigung verpasst haben und nicht zurückfahren wollen, findet sich eine Abkürzung: ein grober Waldweg vorbei am Fischtümpel und einem Garten mit riesigen orangen Kürbissen. Ein großes Schild mit zwei Braunbären bedeutet was???
Um halb vier wird die Lisl gefüttert. Unser Tagespensum ist eigentlich erledigt, aber wir haben noch Lust auf ein paar Kilometer. Die Lisl braucht bei unserem Fahrstil 1/2 l weniger Sprit als sonst!
Kurz vor fünf: das Lager steht - oder besser "hängt". Aufgrund der nassen Wetterprognosen habe ich gestern bei einem "Bunk a Biker" wegen eines Nachtplatzes angefragt, aber er hat bis zum Nachmittag nicht geantwortet. Aber wir haben ja jetzt auch keinen Bedarf mehr: in einem dieser herrlichen alten Fichtenwälder schaukle ich in der schwülen Abendsonne. Die Lisl verteilt ihren ganz eigenen Duft nach Benzin - oh, da habe ich vergessen, den Benzinhahn zu schließen.
Es ist schon beeindruckend, wie schnell die Eindrücke verblassen. Nach dem Besuch bei Chris & Julie habe ich noch lange an sie gedacht, an ihre Lebensplanung und ob oder wie ich etwas dazu beisteuern könnte. Diese Gedanken sind leider schon unter vielen anderen Eindrücken begraben.
Sonntag, 15. September 2024
Wasserscheu
Am späten Abend gab es in der Ferne noch etwas Donnergrollen, ein paar ganz kleine Regentröpfchen sind bei uns aufgeschlagen, aber ansonsten war die Nacht trocken. Auch der Tag verspricht trocken zu werden, so daß ich die ungeliebten Regenklmaotten im Packsack verschwinden lassen kann. Erst gegen halb zehn (die Zeitzonen passen jetzt wieder zusammen) sind wir startbereit - ja, ich bin ein Morgentrödler. Nicht so die Lisl, sie ist immer auf den ersten Drücker startbereit! Brave Lisl! Ein letzter Blick zurück - nichts vergessen?
Die Lisl braucht Frühstück, was aber bei den kleinen Nebenstraßen schwierig wird, die uns das Navi vorgibt. Aber wir sind Glückskinder - prompt kommt eine Tankstelle für Benzin, Wasser und Müllentsorgung.
Ab Perlejewo (kleiner Ort) sieht es schlimm aus. Wiesen und Felder stehen unter Wasser, große Pfützen und jede Menge Schlamm auf der Straße. Hier muss ein Unwetter gewütet haben. Kurz darauf ist unsere Straße gesperrt wegen einer Baustelle. Es ist Sonntag, da ruhen ja bekanntlich Baustellen und diese hier sieht auch nciht allzu lange aus. Sperrschild ignorieren? Ja, da uns ein Auto entgegenkommt, kann man wohl durchfahren. Funktioniert - mit zwei kleinen Sschwierigkeiten. Einen langen Umweg gespart.
Auf einsamen Wegen kreuzen wir durchs flache Land. "Kurven" gibt es nur am Ende von langen Geraden; meist sind es 90 Grad Kurven, die den Äckern folgen. So fühle ich mich am wohlsten - gut eingepackt zwischen Tankrucksack und Gepäckrolle, unter mir das sonore Brummen meiner lieben Lisl.
Um die Mittagszeit braucht mein Laptop Futter - an einer Tankstelle findet sich eine Zweitsteckdose neben dem Kühlschrank. Auch ich gönne mir hier einen sehr leckeren Hamburger, während ich warte bis die Elektronik satt ist. Es ist düster geworden und die ersten Regentropfen fallen - nix wie weg hier! Ha, wir kommen nochmal trocken davon.
Nun folgen wir fast ganz alleine einem kleinen Sträßchen direkt neben der vielbefahrenen Autobahn - schön! Es duftet nach Kläranlage - nicht so schön. Und dann duftet es nach Fichten - schön. Meinem Sitzfleisch wird es ungemütlich - nicht so schön. Es sieht düster aus, der Wetterbericht sagt hier und entlang unserer Route heftigen Regen voraus. Was machen wir denn da? Ich glaub, ich bin wasserscheu geworden! Kann man das auch auf's Alter schieben? "Booking" hilft - ich finde ein günstiges Zimmer in etwa 30 min Entfernung. Die Regenjacke muss ich doch anziehen, aber die Hose spar ich mir in der Hoffnung, dass ich gut genug geschützt bin. Bin ich nicht, aber jetzt ist es sowieso schon zu spät.
Ganz am Ende einer kleinen Straße, am Rande eines Naturschutzgebietes finde ich meine Unterkunft. Eifrig kommt die Dame des Hauses ans große Holztor um mich herein zu lassen. Im strömenden Regen spurtet sie über den Hof und öffnet ein schweres Scheunentor für die Lisl. Sie darf heute Nacht im Trockenen bei Holzduft in der Schreinerei schlafen. Renata, so heißt die sehr nette Hausdame, entschuldigt sich, daß das Zimmer noch nicht fertig ist - ich bin ein "last-minute-Gast". Aber das ist ja gar kein Problem, sie bezieht nur noch das Bett. Ich bin total überrascht! Zu dem Preis (15 € inkl. Frühstück) hätte ich ein einfaches Loch erwartet, aber ich bekomme ein sehr geräumiges Zimmmer mit Sofa und 2 Wänden voller Bücher (meine Tochter wäre begeistert). Es ist super sauber und nett eingerichtet. Renata wundert sich über den Preis, den ich bezahlt habe, booking.com scheint bei der Preisgestaltung ziemlich eigensinnig zu sein. Normalerweise sollte das Zimmer ca.24 € kosten und Frühstück extra. Da habe ich wohl im Lotto gewonnen. Ich biete Renata an, wenigstens das Frühstück extra zu bezahlen, damit sie nicht nur Verlust macht.
Das Gemeinschaftsbad gehört mir alleine, da ich der einzige Gast bin. Ich kann sogar eine Dusche nehmen, wobei zwar schnell warmes Wasser kommt, aber genauso schnell auch wieder kaltes. Und warmes und kaltes...liegt wohl an dem abenteuerlichen Durchlauferhitzer. In der Gemeinschaftsküche stehen Kaffee und Tee zur Verfügung, der Früchtetee schmeckt sogar richtig lecker fruchtig.
Renata warnt mich vor den Überflutungen im Süden bzw. in Tschechien, wovon gerade im Fernsehen bereichtet wird. Ich werde mich informieren und evt. meine Route wieder mal justieren.
Und so residieren wir heute anstatt im Regen: die Lisl in der Schreinerwerkstatt und ich im geräumigen Privatzimmer.