In den letzten Tagen hab ich dann doch Stück für Stück die Lisl beladen. Eine lange Liste, was ich mitnehmen will, was nicht und was ich noch alles tun muss, um meinen Wohnort "einzuwintern" wird abgearbeitet. Der Erdhügel, den ich seit Jahren in der Einfahrt liegen habe, ist nun endlich gesiebt, in den Unebenheiten auf dem Grundstück verteilt und mit Gras angesät. Wachse gut!
Vor allem der Kühlschrank ist einfach noch viel zu voll. Es gibt noch ein paar opulente Abschiedsmahlzeiten, aber alles werde ich nicht los. Also suche ich nach Abnehmern. Meine deutschen Freunde aus Tårstad fahren brechen am Samstag auf und haben das gleiche Problem. Also finde ich in Greta und Calvin Abnehmer. Sie kommen am Abend sogar selbst vorbei - sie wollten sich sowieso noch gerne von mir verabschieden. Ein netter Abend!
Der abendliche Regen hat bis zum Morgen aufgehört - nun muss ich noch die Toilette leeren, Wasser und Strom abstellen und alles abschließen. Kiruna ist etwa mein Tagesziel. Kurz dahinter soll es einen schönen kleinen Ort etwas abseits der Straße geben - Tip von Greta.
Es bläst ein unerwartet kalter Wind, da muss ich meine Klamotten wohl etwas umbauen. Die Temperatur schwankt um die 15 Grad aber Lisls Griffheizung tut gute Dienste. Diesmal habe ich keinen warmen Fleece-Pullover dabei (nur einen dünnen), denn ich setze auf eine Daunenjacke. Die kann man sehr klein packen, beim Nicht-Motorradfahren gut nutzen und auch unter der Motorradjacke hält sie mehr Wind ab als ein Pullover. Neue Taktik.
Bis die letzten Einwinterungsarbeiten erledigt sind und wir "on the road" sind, wird es 10:30. Die frische Brise stärkt uns den Rücken und treibt graue Wolken vor sich her, die an den hohen Bergen hängen bleiben. Sind das ein paar Regentröpfchen in Bogen, der nassen Ecke? Ach ne, das ist nur hohe Luftfeuchtigkeit. Kein Grund, auf Regen umzusatteln. Ein Motorradfahrergruß gilt Nils, meinem Busfahrer, der mit Rasenmähen beschäftigt ist. Wir sehen uns nächstes Jahr wieder!
Meine Augen tränen und müssen sich erst wieder an den Fahrtwind gewöhnen, da ich ohne Visier und Motorradbrille fahre. In den Ohren knattert der Wind - morgen werde ich vielleicht wieder Ohrenstöpsel benutzen.
Meine Gedanken hängen noch zurück und grübeln darüber nach, was ich wohl alles vergessen habe zu erledigen oder mitzunehmen. Sicher hab ich irgendwas vergessen! Nach dem Auftanken führt uns die König-Olav-Straße hinauf aufs Björnfjell zur Reichsgrenze. Die Gedanken sind jetzt bei mir und der Lisl angekommen - spürt mein Sitzfleisch da nicht ein leichtes Pendeln der Lisl? Ist sie zu schwer beladen? Altersschwach? Oder fehlt ihr sonst was? Aber nein - alles gut. Sie freut sich auf die Kurven entlang des Fjords und bergauf. Gestern hat mich Calvin gefragt, ob ich in den Kurven lenken müßte - hm. Das macht die Lisl tatsächlich von ganz alleine! Sie neigt sich fröhlich mal nach rechts, mal nach links, ganz nach Bedarf. Das nenn ich "autonomes Fahren"! Der Ausblick ins Tal ist wunderschön. Ich würde gerne noch ein Foto vom Ende des Ofotfjordes machen aber genau dort, wo man anhalten kann, versperren hohe Bäume die direkte Sicht. Oh - da ist ein großer Parkplatz mit einer Schneise im Wald...aber genau dorthin haben dumme Menschen eine riesige Werbetafel gestellt, die die beste Aussicht versperrt.
In Schweden ist der Herbst schon eingekehrt. Licht und Schatten zaubern herrliche Farbspiele von dunkel- und hellgrün über gelb und orange bis hin zu feuerrot in die Landschaft. Ich erwische eine Nase voll Kiefernduft! Dieses herrliche Gefühl erinnert mich an meine allererste Norwegenreise (1986?). Damals war ich mit einer Yamaha XV 750, einem Softchopper unterwegs. Die Farbenpracht des Indian summer in Lappland hat mich damals schon tief beeindruckt. Meine Mutter hat immer von einer Reise hierher geträumt - leider war ihr es nicht vergönnt.
Die Natur holt sich sehr schnell zurück, was ihr vor 2 oder 3 Jahren durch einen großflächigen Waldbrand genommen wurde - die Nachwuchsbirken sind schon wieder gut 1 m hoch. Sie verdecken die Brandnarben, aber die kahlen Stämme der verbrannte Bäume ragen immer noch daürber hinweg. Ich bin wieder auf Reisen, ganz dabei mit allen Sinnen und ein Lächeln zaubert sich auf mein Gesicht.
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Die Straße nach Kiruna ist wenig befahren. Meist unsichtbar begleitet uns die Eisenbahnlinie, die seit etwa 100 Jahren Erz von Kiruna nach Narvik, dem einzigen eisfreien Hafen in Nordnorwegen, befördert. Genau darum war Narvik im 2.Weltkrieg auch so hart umkämpft. Ich habe mir vorgenommen, Kiruna näher zu bsichtigen, aber da gibt's nix zu sehen. Wohnsiedlungen verschiedenen Alters, kein Stadtkern. Das Highlight der Sadt - eine Kirche - ist von einem Bauzaun umgeben und wird wohl gerade abgebaggerst. Immerhin gibt's jede Menge große Straßen, Kreisel und Umgehungssraßen. Um ehrlich zu sein - hhier wollte ich nicht wohnen. Allerdings ist man schnell wieder an der "Stadt"grenze und mitten in der Natur. An einer Tankstelle lädt eine Sitzgarnitur zur Mittagspause ein. Erst beim Absteigen merke ich, wie steif die Gelenke geworden sind.... In einer Apotheke bekomme ich was ich suche - sogar ein Drittel billiger als in Norwegen. Auch das Benzin ist ca. 30 Cent billiger.

Nun sitze ich in meinem neuen Hängemattenzelt, habe die Mücken ausgesperrt und lasse mich von späten, tiefen Sonnenstrahlen noch ein wenig blenden. Ein sehr schönes Abendlicht. Es hat doch ziemlich viel Zeit in Anspruch genommen, ein passendes Plätzchen zu finden, die einzelnen Ausrüstungsteile zusammenzusuchen, die Hängematte aufzuhängen und den Rest des Equipments regensicher zu verstauen. Die Staumöglichkeiten für das Tarp, also das Überzelt erscheinen mir auch noch nicht optimal. Die neue Art des Campings ist halt schon ganz anders, es gibt sicher noch einiges zu entwickeln und ich habe lange nicht so viel Platz "drinnen" wie in meinem bewährten Zelt.
Ich habe das Gefühl, im neuen Lebensabschnitt "Rentner" ändert sich mehr als nur Alltag und Einkommen....