Samstag, 12. Oktober 2024

Zimmersuche

Es ist ungemütlich draußen, gerne bleibe ich noch ein bisschen liegen. Fernab von den Verführungen des Internets zieht sich das jedoch nicht so in die Länge. Es ist bewölkt, kalt aber trocken (wichtig für den dresscode). Nach und nach klart es jedoch auf und zwischen den Wolken lugt immer häufiger die Sonne durch. Wir haben den nördlichen Teil des Stausees umrundet, nun folgt der südliche Teil. Es folgen noch 2mehere weitere Staumauern, die auf der Karte nicht ersichtlich waren. Ich halte Ausschau nach Übernachtungsmöglichkeiten, um festzustellen, dass ich wohl die beste (oder einzige?) Wahl getroffen habe. Der Stausee (oder die Staustufen) sind ziemlich leer - haben die nichts abbekommen von den heftigen Regenfällen weiter südlich? Fast am Ende der Runde liegt ein großer Parkplatz mit hübschem Rasen, Sitzgarnituren und hängemattengeeigneten Bäumen! Aber vielen Besuchern, also auch nicht wirklich gut zu campieren. 

 
In Rhayader, der nächsten Ortschaft,ist endlich wieder Empfang. Auf einem Mäuerchen vor dem Feuerwehrhaus kann ich bei eisigem Wind endlich den Blog hochladen und mich nach meiner nächsten Übernachtung umsehen. Ich hatte eine Frau angeschrieben, die ein interessantes Angebot bei "Bunk a biker" eingestellt hat, aber von ihr gibt es keine Nachricht. Also - Alternative suchen. Diese liegt zwar leider nicht auf meinem geplanten Weg, aber so fix ist ja meine Route bei Weitem nicht. Ich schreibe Tony&Carol an, ich möche eigentlich gerne 2 Nächte bleiben, da ich am Sonntag einen längeren Videocall habe. Oder 3 Nächte? Am Montag scheint nämlich ein großes Regengebiet durchzuziehen, da bleibe ich lieber im Trockenen.

Bäckereien ziehen mich immer magisch an, wenn ich sie sehe oder rieche. Und hier ist eine! Nix wir rein. Insbesondere, da heiße Pies rufen - ein Muss bei der Kälte. Natürlich gibt's auch noch einen Nachtisch dazu. Die alte Dame hinter'm Tresen ist sehr freundlich und hilfsbereit - wir scherzen ein wenig. Auf einer Bank in der Sonne, wärme ich mich dann innerlich und äußerlich etwas auf. Ach ist das Leben schön!

Hier unten, vor allem zwischen den dichten Hecken und Mauern dieser schmale Sträßchen ist es windstill, aber win den Baumwipfeln scheint ein kräftiger Wind zu blasen. Zweige und Blätter lösen sich, drehen sich im Wind wie die Rotorblätter eines Hubschraubers und segeln langsam zu Boden. Es dauert nicht mehr lange bis wir durch das nächste große Regengebiet durchtauchen müssen - nicht schön. Zum Glück kommt danach das vormittägliche Sonnenwetter zurück. Allerdings hat der Regen auch Spuren hinterlassen, die Straßen sind teilweise sehr schlammig und die Lisl rutscht gelegentlich aus. Also ist Schneckentempo angesagt. Steil bergab, unübersichtlich, dunkel und rutschig zockeln wir dahin, als eine Gruppe Mädchen mit 2 nervösen Pferden auftaucht. Die Pferde haben wohl noch nie ein Motorrad gehört oder gesehen, sie sind sehr ängstlich. Also muss die Lisl jetzt ruhig sein, ich stelle den Motor ab, lasse die Gruppe vorbeiziehen und warte, bis sie einen sicheren Abstand haben. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie gefährlich nervöse Pferde sein können.
Immer wieder schaue ich, ob es nicht Nachricht von Tony und Carol gibt, wir haben auf jeden Fall die Richtung zu ihnen eingeschlagen. Falls keine Nachricht kommt, bin ich ziemlich aufgeschmissen. Nochmal erwischt uns ein nasser Herbststurm und wir kehren bei McDonalds ein, denn dort ist es trocken, warm und hat Netz. Ich checke nochmal auf Nachrichten - ja! Ich werde eingeladen, wann ich denn zu erwarten wäre? Wir sind schon im Nachbarort...die Antwort lautet: "Hervorragend, das Essen ist in 30 min fertig!" Mann, geht's mir gut!
Die Beiden erweisen sich als ein sehr nettes älteres Ehepaar, die Wellenlänge passt, ich bekomme ein tolles Zimmer, ein leckeres einheimisches Abendessen und wir übertrumpfen uns mit Geschichten und Anekdoten. Morgen ist ja auch noch ein Tag...

Freitag, 11. Oktober 2024

Südwales

Als ich aufstehe, sind Naomi und Ben bereits fort. Sie haben mir noch einen Zettel und Frühstück dagelassen. Gut, dass ich ein warmes Bett hatte, als wir losfahren herrscht nur 1 Grad. Die Sonne am strahlend blauen Himmel sorgt jedoch schnell für ein angenehmes Fahrgefühl. Etwa eine Stunde brauchen wir, bis ich denke, wir sind dem Großraum der Landeshauptstadt mit den unendlich vielen Kreiseln und Ampeln entflohen. Leider nimmt der Verkehr nur unmerklich ab und irgendwie mag die Natur nicht auftauchen. Endlos ziehen sich die Ortschaften mit ihren Einzimmer-Reihenhäusern dahin. Es sieht so aus, als ob hier jedes schmale Tal entlang der Flüsse dicht zugebaut ist - kein Wunder, daß bei Flut hier alles weggeschwemmt wird. Ich wollte hier nicht wohnen. Auch der Müll außerhalb der Ortschaften ist erschreckend - ein schmales Band an Getränkeverpackungen jeglicher Art zieht sich am Straßenrand entlang.



Aber heute regnet es ja zum Glück nicht! Sobald wir eine herrliche, kleine Serpenmtinenstarße hinaufwedeln, versinken wir in der Oktober-Farbenpracht vor dem wolkenlos blauen Himmel! Ach ist das schön! Der Pass ist aber leider gesperrt - ein Gitter mir Kette und Vorhängeschloss macht ein Weiterkommen unmöglich - der Rückweg ist lang, die Alternative kann nicht so herrlich sein. Auskunft erhalte ich von einem Waldarbeiter, der meint, hier hätte es vor etwa 2 Monaten einen Steinschlag gegeben und die Beseitigung würde bestimmt noch lange dauern. Sehr schade.
Also Devon hat mir defiunitv besser gefallen, hier hüpft man nur von Dorf zu Dorf. Das Studium ist in weite Ferne gerückt...

Am Nachmittag wird es etwas besser: die Landschaft ähnelt deutschen Mittelgebirgen, weniger Wald und natürlich die typisch englischen Weiden. Überraschend tauchen immer wieder mehrere Motorräder auf, ob die wohl einen Herbstauflug machen? Auf jeden Fall sind die Straßen hier sehr motorradgeeignet.
Dann umrunden wir König Charlies Ferienhäuschen - zumindest nehme ich das an. Zu sehen sind natürlich nur dichte Hecken, ein paar Weidetore und dahinter nur Weiden. Keine der Einfahrten wirkt majestätisch! Auf einem grasbewachsenen Weg sind lediglich ein paar Cottages (Yniswyn) angeschrieben.




Das Elantal ist ein wirklich sehr guter Tipp von Ben. Aus taktischen Gründen fahren wir den Kreis allerdings andersherum als geplant. Ich möchte erst die nördliche Hälfte auf brauchbare Schlafplätze überprüfen, bevor wir die markierten Parkplätze anfahren. Direkt an der Staumauer werde ich fündig - es gibt zwar keine Bäume, aber immerhin einen halbhohen Zaunpfosten. Auf der anderen Seite der Koje muß ein Walkingstock herhalten - aber der schafft das leider nicht und verbiegt sich. Dann muss eben die Lisl (Gepäckträger) helfen. So ist die Firstleine zwar stramm, aber die Koje liegt trotzdem wieder auf dem Boden auf. In der Nähe gibt es sogar ein Toilettenhäuschen.
Extrem tief donnert über uns ein großes Flugzeug durch, ich denke, es wird gleich irgendwo landen.
Zwei Monteure vertreiben sich hier ihren wohlverdienten Feierabend und beginnen ein nettes und langandauerndes Gespräch mit mir. Es ist immer wieder faszinierend, wie man Kontakte knüpft. Mit einem "Auf Wiedersehen" verlassen sie uns, ebenso wie die Sonne. Sie wird morgen lange brauchen, bis ihre Strahlen über den Berg zu uns herunter reichen. Dann wird's saukalt. Langsam schleicht sich der Mond hinterm Berg hervor.



Leider gibt es hier keinen Handyempfang, also auch kein Internet und keinen Blog. Der muss bis morgen warten.

Donnerstag, 10. Oktober 2024

Orientierungslos

Wie erwartet regnet es nachts heftig. Leider auch am Morgen. So bleibe ich gerne im warmen Schlafsack eingekuschelt und warte auf das nächste Regenfenster. Mir als Nachteule und Lnagschläfer kommt das sehr entgegen. Zelt abtrocknen, packen, leider schon wieder Nieselregen. So ist es schwer, das Zelt einigermaßen trocken verstauen zu können. Dann an der Rezeption bezahlen - die Lisl bekommt noch ein Kompliment "nice bike". Der Hausherr meint, er hätte schon beantragt, hier eine Fähre einzusetzen, leider erfolglos. Na dann erfreuen wir uns eben der mittlerweile durchgebrochenen Sonne auf romantischen Kurvensträßchen gen Osten. Das Herz hüpft wieder.  

Der Abschntt nach Lynmouth ist extrem: hinter einem Reisebus, der die komplette Straßenbreite einnimmt, geht es im Schritttempo extrem steil bergab. Alle hundert Meter gibt es eine Ausweichstraße, der fast senkrecht in den Berg verläuft. Dann tut sich in einer Serpentine direkt über der Ortschaft ein malerischer Blick auf! Und schon geht es durch die nächste Schlucht steil bergauf und schwups, sind wir wieder auf 500 m. Hier oben gibt es viele Fasane und vorhin spazierte ein gut genährtes, graues Eichhörnchen über den Weg.


Da ich heute mit Regen rechne, sind wir entsprechend gerüstet. Zum Glück bleibt es bei der Vorsorge (nur ein einziges Mal nieselt es leicht), aber gegen die niedrigen Temperaturen ist es ganz nützlich. Selbst als sich auf den leetzten Metern schwarze Wolken über uns auftürmen haben wir Glück - sie regnen ab, bevor wir davon betroffen sind.

Irgendwie müssen wir an Bristol vorbei oder durch. Eigentlich mögen wir ja gar keine großen Straßen oder Autobahnen, aber um über die Bucht zu kommen und dabei fast eine Tagestour zu sparen, bleibt uns nichts anderes übrig. Die Info muss natürlich an das Navi weitergegeben werden - ok. Einige Kilometer kleben wir absichtlich in gutem Abstand hinter einem LKW, der uns gut führt, dann stehen wir (natürlich) im Stau. An der Brücke wird gebaut. Gefühlte Stundenlang geht's nur im Schritttempo dahin - ob wir in dieser Zeit nicht sogar hätten außenrum fahren können? Auf der anderen Seite geht es Richtung Newport und Cardiff. Abfahrten und Kreisel überfordern mich und das Navi, so drehen wir etliche Ehrenrunden, landen aber immer wieder auf Schnellstraßen im Stau. Oh, ich muss dem Navi ja sagen, dass wir nun wieder kleine Straßen bevorzugen. Ok, dadurch wird angeblich die Zeit wieder länger...das glaube ich allerdings nicht, denn die letzte Stunde standen wir eigentlich nur im Stau.

Zwischen der Straße und der Küste liegen noch eingefriedete Wiesen, darum ist vom Meer nichts zu sehen. Auf der anderen Straßenseite breitet sich Industrie aus, an den Straßenrändern türmt sich der Müll. Es stinkt. Schließlich kommen wir doch bei unseren gut versteckt wohnenden Gastgebern Naomi und Ben westlich von Cardiff an. Morgen dürfen wir hoffentlich wieder Natur und frische Luft genießen. Allerdings gibt es noch keinen Plan über die weitere Route. Ich bin immer noch untentschlossen, ob wir zuerst Irland umrunden und dann nach Schottland sollen, oder andersrum.

Nach einem leckeren Abendessen und vielen Geschichten ziehe ich mich dann zurück.

Mittwoch, 9. Oktober 2024

Dartmoor

Das Hotel wird natürlich ausgenützt - ausschlafen, duschen, feudal frühstücken. Die Rezeptionistin hat mir einen Adapter für die Steckdose ausgeliehen, den muss ich natürlich zurückgeben. Sie überlegt, wo man in diesem kleinen Städtchen so etwas kaufen könnte. Beim zweiten Tipp, einem Zeitungskiosk, werde ich fündig. Komisch, wie man über das Motorradfahren immer wieder ins Gespäch kommt - und diesmal dauert das Benzingerede lange. Bei der Abfahrt soll ich unbedingt nochmal bei ihm halten - er will die Lisl besichtigen. Gesagt, getan!

Bis zur Bear Down Farm ist es nicht weit, nur ca. 20 km. Einige Orte dorthin kommen mir schon bekannt vor, z.B. Postbridge. Die Einfahrt verpasse ich erst und an den steilen, ausgewaschenen Teil der geschotterten Auffahrt kann ich mich auch nicht mehr erinnern. Aber an das Haus schon! Und an die schönen Plätze unten am Bach! Da strahlen 2 junge Bäumchen in herbstlichem rot-orange zwischen den uralten, kugelrunden Genossen. Ja, hier war ich mit knapp 16, um zum ersten Mal allein von Hause weg meine mageren Englischkenntnisse zu verbessern. Hat mir gut gefallen, auch wenn der Hof damals schon genauso schlampig aussah wie jetzt. Ich fühle mich hineinzufühlen in die Zeit damals. Ganz gelingt es nicht, denn die Umstände sind anders und es kommt mir auch nicht mehr alles ganz bekannt vor. Ist ja schließlich auch schon sehr lange her.
Eine junge Frau mit 2 kleinen Kindern, die hier wohnt, kennt die Familie von damals nicht. Anscheinend haben sie kurz nach meinem Aufenthalt bereits die Farm aufgegeben. Der Landrover von damals ist natürlich auch nicht mehr da, dafür steht jetzt ein Quad zur Verfügung.

Das aus Kriminalromanen berühmt-berüchtigte Dartmoorgefängnis liegt ganz in der Nähe und da soll es auch ein Museum dazu geben. Als ich die Lisl parke, kommen zwei Polizeibeamte auf mich zu und erklären mir, dass dies kein öffentlicher Parkplatz ist. Ich bin nicht am Museum, sondern am Gefängnis selbst. Es wird mittlerweile nicht mehr benutzt, ist aber erst seit einigen Monaten geschlossen - ich dachte, das wäre schon sehr viel länger her. Im Museum erfahre ich dann noch, dass es 1809 zum ersten mal belegt wurde, mit französischen Kriegsgefangenen.

So, auf jetzt Richtung Norden, Wales. Einige der Ortsnamen kommen mir noch sehr bekannt vor hier. Vom Hochmoor auf gut 400 Metern Höhe hat man einen herrlichen, weiten Blick über das Land und die rechteckig abgegrenzten Weiden. Nichts behindert den Blick, es gibt hier oben keine Bäume, nur Moor und Grasbüschel. Und Schafte natürlich! In Tavistock ist Vieh- und Jahrmarkt, das ist fast kein Durchkommen. Um 4 Uhr am Nachmittag sind wir erst gut 70 km gefahren - ups. Wenn wir so weitermachen, bleiben wir wohl in England stecken. An einer Tankstelle gibt es einen typisch englischen Imbiss und dann greifen wir nochmal an. Sehr enge Straßen und Sträßchen, kaum kommen die Autos aneinander vorbei, aber kurvig, eingemauert und wildromantisch. Auch der Himmel ist wildromantisch - die Schäfchenwolken werden mehr und mehr von drohend schwarzen Ungetümen verdrängt. Fühlt sich ungemütlich an. Aber irgendwie haben wir wieder ziemliches Glück, es nieselt nur ein paar mal, aber ich kann die Regenhose eingepackt lassen.

Ich geb's auf, Übernachtungsplätze im Freien zu finden scheint unmöglich zu sein. Die wenigen Bäume, die es gibt, sind eingemauert bzw. sind auf den Mauern, Wällen oder in den Hecken gewachsen - keine Chance für eine Hängematte. Und ein Aufbau als Zelt geht nicht wegen dem moorigen oder schlammigen Untergrund. An der Küste bei Lynton sind angeblich ein paar Campingplätze, meine letzte Hoffnung. Es ist schon spät und die Rezeption auf der Farm ist natürlich geschlossen. Ich melde mich telefonisch - wir werden uns morgen früh sehen. Direkt hinter den Stallungen ist ein kleiner Rasenplatz abgezäunt, da kann ich meine Koje wenigstens am Zaun festmachen. Der Untergrund ist auch ziemlich sauber, denn natürlich ist der Zaun nicht hoch genug zum "hängen". Es duftet nach Pferd.
Die Sanitäranlagen und Wasserhähne sind in der Scheune direkt nebenan. Um überhaupt was auspacken zu können, schleppe ich meine Packsäcker zuerst zum abduschen dorthin. Sogar die Lisl bekommt heute Abend eine Handwäsche! So etwas gibt es nicht einmal zu Hause! Nur das Nötigste natürlich, es muss so viel Schlamm weg, dass man wenigsten die groben Umrisse einzelner Bauteile wieder erkennen kann. Dann noch ein ganz kurzer Spaziergang Richtung Abendhimmel den Hügel hinauf und dann ist das Licht weg.



Dienstag, 8. Oktober 2024

190 km pure Challenge!

Ich darf ausschlafen und mich dann mit Raluca zum Frühstück im Garten und das Dach setzen Es hat die ganze Nacht aus Kübeln geschüttet und das tut es auch jetzt noch. Da ziehe ich das Erzählen dem Reisen vor. Ein blaues Wolkenloch nutze ich zum Aufbruch, so gegen 11 Uhr am Spätvormittag, regendicht eingepackt. Die Großwetterlage ist leider nicht abschätzbar, sie ändert sich stündlich. Wer dreht denn da wieder am Rad? Den ganzen Tag erleben wir ein Wechsel"bad" zwischen Wolkenbruch und blauen Löchern. Nach einem besonders heftigen Guß werden wir mit einem herrlichen Regenbogen beschert - leider keine Chance zu fotografieren. 

Die Grafschaft Devon begrüßt uns mit einer Rundumdusche wie aus dem Gartenschlauch. Ob der Herrgott so bitterlich weinen muss, weil er sieht, was auf der Welt gerade vor sich geht? Ich frage mich, ob die Kinder mittlerweile auch die Schuluniform gendergerecht wählen und die Jungs mit Röckchen und die Mädels mit Hosen rumlaufen düfen?

Ich könnte jetzt stundenlang von naß, nässer, am nässesten erzählen, aber das ist ja langweilig. Die Unwetter wüten sicher schon eine ganze Zeit. Die Straßen sind schlammverschmiert, alles was von Bäumen fallen kann, liegt auf dem Boden: Blätter, Zweige, Äste. Wir fahren sehr langsam und vorsichtig. Auch stelle ich mich manchmal ziemlich doof bei der Verkehrsführung an, aber bisher hat sich noch niemand sicht- oder hörbar darüber aufgeregt. Die wildromantischen Waldsträßchen sind bei Sonnenschein sicher herrlich romatnisch, jetzt sind sie nur wild! Hecken und überwucherte Mauern sind 2 bis 5 Meter hoch, das Blätterdach über uns zusammengewachsen, teilweise ist es stockdunkel. Der Schwarzwald kann dagegen bestenfalls als "hellgrau" bezeichnet werden! 

Jedes Loch und jede Senke stehen voller Wasser, Sturzbäche kreuzen die Straßen, die Wasser-Durchfahren ändern sich in Wasser-Entlangfahren. Manchmal denke ich, wir fahren direkt im Fluss. Aber jetzt ist Schluß! Nein, hier fahren wir nicht durch!!! Laut Messlatte ist der Wasserstand eines jetzt reißenden Flusses bereits am Rande 30 cm! Die Lisl ist doch ein Motrrad und keine Boot! Wenden und den steilen, schmalen Schlammweg wieder hochfahren. Die Fuhre gerät ins Schleudern, aber am Böschungsrand können wir uns gerade nochmal abfangen. Wo kommt denn plötzlich das Auto hinter uns her? Ich möchte es vorbeilassen, aber die Fahrerin hälte neben uns an und fragt, ob alles in Ordnung ist? Ja, nochmal gut gegangen. Unsere neue Route führt uns ein Stück weiter flussaufärts über eine Brücke. Der Wasserstand berührt hier bereits die Oberkante des Brückenbogens. Ich vermute, daß wir die Unwetter durchkreuzen, die zur Stornierung unserer Überfahrt nach Irland geführt haben. Das wäre sicher auch auf See ziemlich ungemütlich geworden. Als wir uns wieder der Küste nähern frischt der Wind auf - willkommen, blas nur das ganze Wasser fort! Wir durchqueren ein Gebiet, das sich "wetlands" nennt - zumindest von den "lands" ist heute allerdings nichts zu sehen.

Während der Pause in einem passend am Wege liegenden Café, scheint sich das Wetter deutlich zu bessern. Dennoch suche ich für heute Nacht ein Dach über dem Kopf, ich möchte ja nicht davonschwimmen. "Sightseeing" heißt heute "roofsearching"! Ich suche auf allen Plattformen für günstige Unterkünfte, das günstigste sind Cammpingplätze für ca. 30 € pro Nacht - ohne Dach. Schließlich beiße ich in den sauren Apfel und buche ein Hotelzimmer im Weißen Hirsch in Mortonhampstead, mitten im Dartmoor-Nationalpark für 53 €. Das ist etwa ein Drittel des normalen Preises - für mich auf Dauer trotzdem zu teuer. Schließlich breche zumindest aufgewärmt wieder auf, aber noch bevor wir den Parkplatz verlassen, werden wir wieder ordentlich gewaschen. Gewaschen? Sollte man meinen! Stattdessen scheint Lisls Schlammpackung noch noch gewachsen zu sein. Im Duschmodus fahren wir weiter, bis ein Schild einfach verkündet: die Straße ist gesperrt, kein Zugang zu Mortonhampstead. Ohne Umleitung oder Alternativen aufzuzeigen. Laut Karte gibt es wohl kurz vor dem Ort eine kleine Alternativstraße. Google behauptet, dass genau nur dieses letzte Stück gesperrt wäre und hat recht damit. Die Alternativstraße ist allerdings so eng, daß nichteinmal meine Lisl an entgegenkommenden Autos vorbeikommt. Diese müssen zwar weit zurücksetzen, aber die Lisl mit meinen kurzen Beinen zurückzuschieben ist einfach nicht möglich.

Angekommen - im weißen Hirsch! Die Ortschaft ist - wie die meisten hier - so eng, dass es nichtmal einen Parkplatz für meine Lisl gibt. Sie muss 100 m entfernt auf einem öffentlichen Parkplatz übernachten. Mein Zimmer ist ähnlich eng. Da ich zum Trocknen die Klamotten zerlegen und einzeln aufhängen muss, sieht es bald so eng wie in meiner Koje aus. Aber das Hotel hat Charme!

Ich habe dummerweise nicht daran gedacht, für die hiesigen Steckdosen einen Adapter mitzunehmen! Blöd, dann muss trotz Hotel wieder die Lisl zum Nachladen der Elektronik herhalten.

Montag, 7. Oktober 2024

Schlechte Erinnerungen an Cherbourg

Es hat die ganze Nacht geregnet, die Zeltplane hat nicht dicht gehalten. Allerdings war der Wassereinbruch unterm Tarp deutlich weniger als dierekt aus den Wolken. Dennoch ist auch meien Koje naß. Nun nieselt es immer wieder, so dass ich die Zelte nicht trocken bekomme. Zu allem Überfluß ist nun auch noch Lisls Batterie leer. Das Aufladen des Laptops über Nacht war wohl nicht so gut. Ich bin dazu übergegangen, nachdem ich beim Laden während der Fahrt im Tankrucksack, den empfindlichen Ladestecker demoliert habe und für teures Geld mehrere Ladegeräge nachkaufen musste. Nun bezahle ich an der Rezeption für eine Steckdose und muss mir noch ein Adapterkabel ausleihen. Während ich meine sieben Sachen zusammenpacke und zur Lisl schleppe, soll die Batterie geladen werden - bis zur Hälfte gelingt das. Dann muss ich den Adapter zurückgeben, da die Dame Mittagspause hat.

Der Entlüftungsaufsatz für die Luftpumpe ist aufgetaucht, der wichtige Häring leider nicht.  Als ich meinen Müll entsorgen gehe, sehe ich einen alten Mann im Rollstuhl im Müll nach Brauchbarem suchen. Er bekommt meine Pfandflasche und ein bisschen Geld.

Gerade als ich abfahren möchte, der Super-Gau: ich erhalte eine SMS, dass meine Fähre heute Abend (in 5 Stunden) gecancelt wurde! Ich wollte den Nachmittag bei MCDonalds verbringen, dortgibt es Strom und Internet. Jetzt kommt Stress auf! Ich kann mindestens einen weiteren Tag warten und dann zum dreifachen Preis mit einem anderen Schiff fahren oder meine Pläne ändern. Spontan entscheide ich mich, mit der gleichen Reederei nach England zu schippern - heute noch aber zu einem deutlich höhren Preis. Dort werde ich in der Nacht ankommen - ungünstig für eine Übernachtung. Ich muss sehen, wie das wieder geht. Vielleicht schaue ich mir dann erst Wales an, um danach noch Irland unter die Räder zu nehmen? Meine bereits in Irland zugesagte Übernachtung muss ich auch absagen - der Gastgeber ist enttäuscht.

Die Buchungsagentur weiß anscheinend nichts von der Stornierung der Fähre, ich kann weder umbuchen noch stornieren. Sie ist per E-Mail auch nicht erreichbar. Lediglich über einen Chatbot kann ich mein Anliegen vortragen und mir wird die Beantragung der Kostenerstattung versprochen. Ich bin gespannt. Das Schiff nach Poole buche ich direkt bei der gleichen Reederei. Eine Stunde später bekomme ich einen Anruf von der Reederei, ob ich wüßte, dass meine Reise nach Irland storniert wurde? Da ich allerdings über eine Agentur gebucht hatte, ist es ihnen nicht möglich, meine neue Überfahrt zum gleichen Preis zu berechnen, wie die Entfallene. Dumm gelaufen. 
In der Warteschlange an der Fähre knüpft man wieder lustige Kontakte - ein englischer BMW-Motorradfahrer, kaum älter als ich, fährt täglich ca. 700 km - das ist das 3,5 fache von uns! Aber er ist ja auch Jet-Flieger bei der Airforce gewesen und kennt daher meine neue Heimat Evenes. Aber nur von oben - "schön zu fliegen dort".
Auf dem Schiff gibt es gemütliche Ruhesessel, wo ich sogar ein bisschen Augenpflege betreiben kann. Während der Beladung ertönen ständig Durchsagen, dass die Leute bitte ihre Alarmanlagen ausschalten sollten - kaum verlassen wir den Hafen, geht das Hupkonzert los! Ha ha ha!

England hat eine andere Zeitrechnung, darum landen wir "schon" kurz vor 22 Uhr und nicht eine Stunde später, wie das rechnerisch richtig wäre. Raluca hat mir ein Bett in Borunemouth versprochen - sie bietet Ihre Gastfreundschaft auf "Bunk a Biker" an. Auch das war noch kurz zu organisieren.
Ups - links fahren! Es ist Nacht, die Straße ist naß, die vielen Markierungen auf der Straße sind kaum erkennbar, im Kreisel läuft alles falsch (herum). Es ist absolut nicht einfach! Im Schneckentempo und ziemlich unsicher eiern wir die gut 20 km bis zu einem trockenen Nachtplätzchen - wieder mal nur für mich. Raluca und ihr Mann Bogdan sind vor einigen Jahren aus Rumänien nach England ausgewandert und lernen gener Reisende kennen, da sie selbst noch große Reisepläne haben. Spät in der Nacht - die Beiden sind sicher schon sehr müde - wird mir noch ein feudales Abendessen serviert. Vor lauter Erzhälen vergeht die Zeit wie im Flug und ich bin erschrocken, dass es schon soooo spät ist, als mich ich nach Mitternacht in das saubequeme Bett kuschle.

Sonntag, 6. Oktober 2024

Doch kein Studientag

Die Nacht ist sehr wechselhaft, denn nach Mitternacht kommt Sturm mit heftigem Regen auf. Mein Tarp ist nicht groß bzw. dicht genug, dem Regen stand zu halten. Letztendlich muss ich doch die Koje aufbauen - zwischen den Wanderstöcken. D.h. sie liegt auf der Erde, aber ich kann damit Luftmatratze und Schlafsack ein wenig mehr ins Trockene bekommen. Die Firstleine mitsamt Moskitonetz und Überzelt hängen extrem niedrig, Klaustrophobie darf man da nicht haben.

Am Vormittag ist die Rezeption besetzt. Die Dame ist sehr freundlich, aber ich muss trotzdem meinen Platz räumen - er wäre für heute abend reserviert. Ich bekomme den Platz direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite. Es dauert ewig, bis alles umgezogen ist. Dabei reiße ich mir zwei große Löcher in das Moskitonetz und verliere einen Häring und einen Aufsatz der Luftpumpe. Nun versuche ich, zuerst die Koje aufzubauen und dann das Tarp darüber zu spannen - ich stelle mich anscheinend sehr umständlich an, denn ich muss alles mehrfach neu beginnen, bis ich zufrieden bin.

Am frühen Nachmittag gehe ich kurz am Meer spazieren, das nur wenige Meter hinter einer Unterführung liegt. Dort ist auch ein kleines Bistro, wo ich hoffe, meinen Nachmittag verbringen zu können, da es auf dem Campingplatz keinen Aufenthaltsraum gibt. Aus Anstand esse ich etwas, aber es ist sehr enttäuschend und überteuert. Dennoch fühle ich mich nicht willkommen und kehre, mangels anderer Möglichkeiten, zum Campingplatz zurück. Ungemütlich im Zelt sitzend möchte ich ein wenig studieren, aber da kommt der nächste Rgenguss mit Sturm. Ich muss nachbessern, da sich auf der Zeltplane große Wassertaschen bilden und es nun hindurchregnet. Mit zwei zufällig mitgenommenen Kastanien kann ich die Spitzen zweier Zeltstangen entschärfen und damit das Tarp unterstützen - viel besser. Ganz dicht ist es aber nicht, darum schließe ich die Seiten der Koje und kann mich nun eingentlich nur zum Mittagschlaf hinlegen. In diesem Stil geht's weiter bis es Abend ist. Na ja, haken wir es als "Ruhetag" ab.