Ich darf ausschlafen und mich dann mit Raluca zum Frühstück im Garten und das Dach setzen Es hat die ganze Nacht aus Kübeln geschüttet und das tut es auch jetzt noch. Da ziehe ich das Erzählen dem Reisen vor. Ein blaues Wolkenloch nutze ich zum Aufbruch, so gegen 11 Uhr am Spätvormittag, regendicht eingepackt. Die Großwetterlage ist leider nicht abschätzbar, sie ändert sich stündlich. Wer dreht denn da wieder am Rad? Den ganzen Tag erleben wir ein Wechsel"bad" zwischen Wolkenbruch und blauen Löchern. Nach einem besonders heftigen Guß werden wir mit einem herrlichen Regenbogen beschert - leider keine Chance zu fotografieren.
Die Grafschaft Devon begrüßt uns mit einer Rundumdusche wie aus dem Gartenschlauch. Ob der Herrgott so bitterlich weinen muss, weil er sieht, was auf der Welt gerade vor sich geht? Ich frage mich, ob die Kinder mittlerweile auch die Schuluniform gendergerecht wählen und die Jungs mit Röckchen und die Mädels mit Hosen rumlaufen düfen?
Ich könnte jetzt stundenlang von naß, nässer, am nässesten erzählen, aber das ist ja langweilig. Die Unwetter wüten sicher schon eine ganze Zeit. Die Straßen sind schlammverschmiert, alles was von Bäumen fallen kann, liegt auf dem Boden: Blätter, Zweige, Äste. Wir fahren sehr langsam und vorsichtig. Auch stelle ich mich manchmal ziemlich doof bei der Verkehrsführung an, aber bisher hat sich noch niemand sicht- oder hörbar darüber aufgeregt. Die wildromantischen Waldsträßchen sind bei Sonnenschein sicher herrlich romatnisch, jetzt sind sie nur wild! Hecken und überwucherte Mauern sind 2 bis 5 Meter hoch, das Blätterdach über uns zusammengewachsen, teilweise ist es stockdunkel. Der Schwarzwald kann dagegen bestenfalls als "hellgrau" bezeichnet werden!
Jedes Loch und jede Senke stehen voller Wasser, Sturzbäche kreuzen die Straßen, die Wasser-Durchfahren ändern sich in Wasser-Entlangfahren. Manchmal denke ich, wir fahren direkt im Fluss. Aber jetzt ist Schluß! Nein, hier fahren wir nicht durch!!! Laut Messlatte ist der Wasserstand eines jetzt reißenden Flusses bereits am Rande 30 cm! Die Lisl ist doch ein Motrrad und keine Boot! Wenden und den steilen, schmalen Schlammweg wieder hochfahren. Die Fuhre gerät ins Schleudern, aber am Böschungsrand können wir uns gerade nochmal abfangen. Wo kommt denn plötzlich das Auto hinter uns her? Ich möchte es vorbeilassen, aber die Fahrerin hälte neben uns an und fragt, ob alles in Ordnung ist? Ja, nochmal gut gegangen. Unsere neue Route führt uns ein Stück weiter flussaufärts über eine Brücke. Der Wasserstand berührt hier bereits die Oberkante des Brückenbogens. Ich vermute, daß wir die Unwetter durchkreuzen, die zur Stornierung unserer Überfahrt nach Irland geführt haben. Das wäre sicher auch auf See ziemlich ungemütlich geworden. Als wir uns wieder der Küste nähern frischt der Wind auf - willkommen, blas nur das ganze Wasser fort! Wir durchqueren ein Gebiet, das sich "wetlands" nennt - zumindest von den "lands" ist heute allerdings nichts zu sehen.
Während der Pause in einem passend am Wege liegenden Café, scheint sich das Wetter deutlich zu bessern. Dennoch suche ich für heute Nacht ein Dach über dem Kopf, ich möchte ja nicht davonschwimmen. "Sightseeing" heißt heute "roofsearching"! Ich suche auf allen Plattformen für günstige Unterkünfte, das günstigste sind Cammpingplätze für ca. 30 € pro Nacht - ohne Dach. Schließlich beiße ich in den sauren Apfel und buche ein Hotelzimmer im Weißen Hirsch in Mortonhampstead, mitten im Dartmoor-Nationalpark für 53 €. Das ist etwa ein Drittel des normalen Preises - für mich auf Dauer trotzdem zu teuer. Schließlich breche zumindest aufgewärmt wieder auf, aber noch bevor wir den Parkplatz verlassen, werden wir wieder ordentlich gewaschen. Gewaschen? Sollte man meinen! Stattdessen scheint Lisls Schlammpackung noch noch gewachsen zu sein. Im Duschmodus fahren wir weiter, bis ein Schild einfach verkündet: die Straße ist gesperrt, kein Zugang zu Mortonhampstead. Ohne Umleitung oder Alternativen aufzuzeigen. Laut Karte gibt es wohl kurz vor dem Ort eine kleine Alternativstraße. Google behauptet, dass genau nur dieses letzte Stück gesperrt wäre und hat recht damit. Die Alternativstraße ist allerdings so eng, daß nichteinmal meine Lisl an entgegenkommenden Autos vorbeikommt. Diese müssen zwar weit zurücksetzen, aber die Lisl mit meinen kurzen Beinen zurückzuschieben ist einfach nicht möglich.
Angekommen - im weißen Hirsch! Die Ortschaft ist - wie die meisten hier - so eng, dass es nichtmal einen Parkplatz für meine Lisl gibt. Sie muss 100 m entfernt auf einem öffentlichen Parkplatz übernachten. Mein Zimmer ist ähnlich eng. Da ich zum Trocknen die Klamotten zerlegen und einzeln aufhängen muss, sieht es bald so eng wie in meiner Koje aus. Aber das Hotel hat Charme!
Ich habe dummerweise nicht daran gedacht, für die hiesigen Steckdosen einen Adapter mitzunehmen! Blöd, dann muss trotz Hotel wieder die Lisl zum Nachladen der Elektronik herhalten.