Samstag, 4. Januar 2025

Küstenstraße

Die ganze Nacht bläst eine ordentliche Brise und rüttelt an meinem Dach. Um 9 Uhr wird es mir zu dumm - aufstehen. Kurz darauf bringt der Campingwart ein frishes Fladenbrot - das ist eine nette Geste! Unser Start gegen 11 Uhr zieht sich noch etwas hin, da eine deutsche Wohnmobilfahrerin Startschwierigkeiten hat. Leider kann ich nicht viel helfen - ich vermute eine leere Batterie.

Auf der Küstenstraße geht es nach Norden, meine App lotst uns jedoch auch mal ein Stück weit in's Landesinnere. Dort schlägt sie dann sogar gelegentlich Pisten vor, die wir aber vermeiden. Es gibt jetzt zwar nicht mehr Kurven und der Straßenbelag ist auch sehr gut, nur ist die Fahrspur deutlich schmaler und es gibt viel weniger große Lastwagen. Dafür wieder in jeder Ortschaft Markt mit dem üblichen Straßenchaos. Ein Hauch von Grün zieht sich hier über das Land - die Tiere stürzen sich gierig darauf. Wo die Erde fruchtbarer ist, werden Äcker angelegt und von Hand bewirtschaftet; Maschinen sieht man selten. Überhaupt wissen die Menschen hier wie man mit den Händen und einfachen Werkzeugen Dinge produziert, bearbeitet und repariert - Fachkräfte eben. In Deutschland fehlen die? Schon, aber Menschen mit diesen Fähigkeiten würden Industrie und Konsum lahmlegen.

Die Eintönigkeit unterbreche ich mittags, um einen Tee in einem kleinen Cafe an einer Tankstelle zu trinken. Der Wirt ist verschwunden...es dauert, bis ich einen Tee bestellen kann. Der junge Mann versteht leider nicht, aber ein Gast erklärt es ihm. Später spricht mich ein alter Mann mit nur 1 Zahn im Unterkiefer auf englisch an - Smalltalk. Ein weiteres Highlight heute ist ein Staudamm mit angrenzendem Wasserwerk zwischen okkerfarbenen Felsen. Eine kleine Oase.

In Mohammedia, nördlich von Casablanca ist für heute Feierabend. Der Campingplatz in Strandnähe ist nicht leicht zu finden - hinter einer Tankstelle an einem vielbefahreren Kreisel zweigt ein schmales Sträßchen ab. Eine hohe, stacheldrahtbewehrte Mauer umschließt das Gelände - nein, es ist kein Gefängnis (hoffentlich). Der Platz ist so, wie sie hier eben sind - staubig mit ein paar Bäumen und dürftige Sanitäranlagen, dafür günstige 5 €. Zwischen 2 Olivenbäumen kann ich mich aufhängen. Der Platz ist groß, ich marschiere Richtung Strand durch Dauercamper-Zelte und feste Hütten mit teilweise teuren Autos im Vorgarten. Dann ist Schluss - hier ist zwar ein Tor, aber das ist im Winter geschlossen. Ich muss den ganzen Weg zurück und dann auf der anderen Mauerseite wieder entlang gehen, um zu einer kleinen Bucht zu gelangen. Nichts Besonderes. Keine IUnfrastruktur. Ein Restaurant und einen Supermarkt finde ich erst wieder an der Hauptstraße nach 15 min Fußmarsch.

Freitag, 3. Januar 2025

Strecke

Die Nacht war mild, erst gegen Morgen wurde es kalt. Um halb zehn wacht der Platz langsam auf, wir sind erst um halb zwölf abfahrbereit. Es wird immer später. Heute haben wir kein festes Ziel, nur nach Norden; es gibt auch nichts besonderes zu sehen oder zu fahren. Darum lassen wir es einfach rollen. 

Wirklich notwendig ist heute nur: Geld abheben, tanken, essen. Gelich in Essaouria kann ich die ersten beiden Punkte erledigen, gegssen wird am Abend in Oualida, wo wir heute wieder einen Campingplatz beehren. Es gibt in der Stadt auch einen Wohnmobil-Stellplatz, aber der ist absolut ungeeignet und bislang auch nicht "bewohnt". Diese Stadt ist unaufgeregt, darum gönne ich mir hier im Straßenrestaurant eine Taijine.


Mit der Sonne im Rücken geht die flotte Fahrt auf kerzengerader Straße mitten durch den "Wald" - zumindest nennt sich das niedere Gestrüpp hier so. Ist das das afrikanische Pendant zu den schwedischen Wäldern? Der weiße Untergrund aus Steinen und Sand blendet sehr, jetzt hätte ich zum ersten mal in meinem Leben gerne eine Sonnenbrille. Erholung für die Augen ist das nagelneue schwarze Asphaltband. Die Lisl pendelt nicht mehr? Waren es doch nicht die Reifen? Weitere Beobachtungen zeigen, dass es vielleicht der Straßenbelag ist - womöglich gibt es unter den älteren Straßen unsichtbarel Spurrillen? Auf dieser Küstenstrecke tummeln sich deutlich mehr Touristen als bisher - Motorradfahrer mit den großen Adventurebikes begegne mir mehrfach. Oberhalb von Essaouria lassen sie sich von den an der Straße bereitliegenden Reitkamelen beeindrucken. Ich bin froh, die Marokko-Schleife im Uhrzeigersinn gemacht zu haben, der kalte und interessante Teil liegt hinter mir, nun ist eine laaaangweilige, dafür wärmere Rückfahrt angesagt. Entspannung. Selbst der anscheinend tägliche Markt mit wilder Geschäftigkeit, Fahrzeugen aller Art kreuz und quer und Fußgängern in den wenigen Lücken, streßt uns jetzt nicht mehr. Mancher hat es eilig auf dem Heimweg und läßt seinen Esel oder sein  Pferd im Galopp heim rennen.

Ein kleiner Abstecher etwas weiter in Richtung Inland beschert uns wieder ein paar nette Kurven. Dann allerdings sollen wir auf eine Sandpiste abbiegen? Nein, wir bleiben jetzt lieber auf der gequemen Hauptstraße. Am Straßenrand hält ein kleiner Kastenwagen - Klappe auf. da sitzen bestimmt schon 8 Männer hinten drin. Nächster Mann hinzu, Klappe zu, weiter geht's. Ein paar Kilometer weiter: Klappe auf, Mann rein, Klappe zu. Ich frage mich, wie oft das gut geht?
Die Küstenstraße wird anscheinend gerade komplett erneuert bzw. verbreitert. An einer Baustelle weirden wir vom Baustellenwächter angehalten. Irgendwann geht's dann weiter, lange. Auf der Gegenspur - also auf der falschen, neu geteerten Seite - kommen uns plötzlich scharenweise Fahrzeuge entgegen, bis ein Baustellenfahrzeug unsere Spur blockiert. Der LKW vor mir weicht nach links auf die Sandpiste aus, ich bevorzuge die rechte Asphaltspur, auf der derzeit kein Gegenverkehr zu sehen ist. Am Ende der Baustelle steht der andere Wächter und winkt fröhlich alle Fahrzeuge Richtung Baustelle durch...was für ein Chaos. Aber hier nimmt man das gelassen, es passiert nichts und keiner regt sich wirklich auf. Es funktioniert.

Wieso müssen eigentlich voll (sogar mit Waschmaschine!) ausgestattete Wohnmobile auf Campingplätze? Die haben doch alles! Oder geht's hier um das "socialising"? Der Campingwärter ist überrascht über mein "Zelt", sucht aber hilfsbereit mit mir zwei passende Bäume. Was geht wird hier möglich gemacht.

Donnerstag, 2. Januar 2025

Winter - Wüste - Meer

Der kleine Schlafsaal mit 10 Betten ist voll belegt, überwiegend Männer. Draußen ist es saukalt, aber drinnen herrscht eine kuschelige Gär-Temperatur. Die Luft ist zum Schneiden dick, die Jungs schnarchen um die Wette. Ich habe kein Auge zugemacht. Nach einer heißen Dusche am Morgen gibt es ein gutes Frühstück, dann brechen wir auf. Den Parkplatz finde ich wie erwartet - alles gut. Ich glaube, einen Waschlappen habe ich liegen lassen, das ist verschmerzbar. Horden von Touristen werden von einem Tafelhalter durch die engen Gässchen geführt und bespaßt. Brav trotten sie hinterher.

Um halb elf herrscht doch schon ein wenig Verkehr, der ordentlich Staub aufwirbelt. Beim Anblick der schneebedeckten Berge vor uns, bereue ich meine Entscheidung nicht, den hohen Atlas links liegen zu lassen und langsam wieder nach Norden abzudrehen. Heutiges Ziel ist Essaouria an der Küste. Dort soll es einen Campingplatz geben. Entspanntes Fahren ist das heutige Motto. Das Land bietet uns eine abwechslungsreiche Mixtur aus Straßen und Landschaft an - kerzengerade Abschnitte, von Palmen oder Dornbüschen gesäumt, Geröllwüste, dicht belebte Ortschaften mit "Verkehrschaos", kurvige Abschnitte durch die Wüste oder bergauf und bergab durch felsige Berglandschaft, breite 4-spurige Straßen oder schmale Asphaltbänder mit abgebrochenen Kanten. Immer haben wir guten Untergrund, also keine Abenteuer für die Lisl. Wir sind jetzt in der Wüste - man lebt hier anscheinend gerne vom Tourismus: Quads oder Buggies säumen die Straße und warten auf Ausflügler, Kamelreiten oder andere Touren werden angeboten. Die Kulisse der trostlosen, beigen Steinwüste, deren Hügel von großen oder kleinen Wadis zerfurcht und mit wenigen dornigen Büschen übersät ist, vor den schroffen, schneebedeckten Gipfeln des hohen Atlas ist schon atemberaubend. Gelegentlich versucht ein Bauer, Oliven anzubauen. Berberhörnchen flüchten vor Lisls tuckern.
Na Lisl, erinnerst Du Dich? Als junger Hüpfer von 2 Jahren, bist Du ein solchem Gelände querfeldein gefahren! Heute halten wir uns dan die Alt-Damen-Wege und bummeln durch die Wüste.

Hunger! Da kommt ein Restaurant. Eine Gruppe englisch sprechender Touristen scheint gerade angekommen zu sein - sie räumen das ganze Restaurant um, weil eine der Reisenden keine Sonne verträgt. Chaos. Die männlichen Bedienungen sind heillos überfordert, vielleicht ist das ihr erstes Restaurant? Nach mir eintreffende Gäste bekommen vor mir die Speisekarte zum Aussuchen, die englische Gruppe wird mit Messer und Gabel versorgt, dafür bekomme ich mein Essen als erstes. Allerdings ohne Werkzeug. Es dauert sehr lange (bald wird das Essen schon kalt), bis ich endlich eine Gabel erhalte. Es ist "leider nur" eine Kuchengabel, und die wird schon sehr bald wieder benötigt...ich bin aber noch gar nicht fertig. Beim Bezahlen mangelt es dafür am Wechselgeld. Aber geschmeckt hat es!

Vor Kurzem scheint es hier geregnet zu haben, davon zeugen die nassen Lehmpfützen, die in der Sonne glitzern. Hauptverkehrsmittel sind auch hier Esel oder Mopeds. Prinzipiell ist jedes Verkehrsmittel hoffnungslos überlastet, die Satteltaschen, -säcke oder -körbe, mit denen die Esel beladen sind, passen auch auf Mopeds. Kein Heckmeck wegen "Gepäckkoffern", wie wir das in Europa machen. Auch mit der Helmpflicht wird das hier etwas anders gehandhabt: zwar hat jeder seinen Helm dabei - auf dem Gepäckträger oder am Lenker, aber meist wird er nur schnell auf den Kopf gestülpt, egal was man gerade auf hat, wenn Polizei in der Nähe ist.

Kurzerhand haben wir das Ziel etwas angepasst, da es den anvisierten Campingplatz bei Essaouria anscheinend nicht mehr gibt. Etwas weiter südllich werden wir fündig, allerdings ist der Platz wegen Überfüllung geschlossen. Auf einem zweiten Platz direkt daneben dürfen wir uns dann aber niederlassen - diesmal zwänge ich mich mit der Koje zwischen zwei dicke Wohnmobile. Auf der anderen Straßenseite liegt ein endloser Sandstrand - ein Paradies für Surfer, Quadfahrer, Reiter (am Strick geführt oder im gestreckten Galopp) und Elektromopeds mit dicken Reifen.

Eigentlich wollte ich hier noch ein wenig länger bleiben, aber mein Bargeld geht zur Neige und Karten werden nicht akzeptiert. Außerdem fehlt mir hier der Ladestrom für die Elektronik. Also geht's wohl doch morgen weiter Richtung Norden.

Mittwoch, 1. Januar 2025

Atlas (2)

Ich war gestern zu müde, um den Blog fertigzustellen...darum wird er erst heute veröffentlicht.

Um 10 Uhr möchte ich frühstücken, aber alle Geschäfte und Cafes sind noch geschlossen. Das Leben findet nachts statt. Allerdings gab es diese Nacht keine besonderen Silvesterfeierlichkeiten, zumindest habe ich nichts gehört oder gesehen. Schließlich finde ich doch einen Bäcker und ein Cafe. Bloggen. Einpacken und die Lisl finden. Am Parkplatz bezahle ich die vereinbarten 50 MAD - und bekomme 30 zurück! Vielleicht sollte ich das immer so machen - später zahlen? Die Stadt erwacht, es ist halb ein Uhr!
Nach etwa 30 km im fließenden Verkehr der Ebene dürfen wir wieder in den Bergen kraxeln. Kurz zuvor habe ich Daunenjacke und Lenkerstulpen abgelegt, da es zu warm wurde. Jetzt klettern wir wieder Kurven und Serpentinen, hinauf auf 1300 m, vorbei an verlassenen, alten Ortschaften, die nur zu Fuß erreichbar und farblich nicht von der Umgebung zu unterscheiden sind. Fahrspaß!!! Auf dem ohne Begrenzung senkrecht abfallenden Plateau des Passes, von dem wir einen grandiosen Ausblick auf das Tal haben, steht Hassans Kaffee-Mobil. Der freundliche, fast zahnlose alte Mann hat das Cafe im Kofferraum seines Kombis eingerichtet.


Zu unserem nächsten Ziel, den berühmten Wasserfällen von Ouzoud führt eine wundervolle, gute Straße mit absolut passenden Kurven. Wenn da nur nicht so viele Fotomotive wären! Zu den Wasserfällen selbst ist ein kleiner Fußmarsch erforderlich, selbstverständlich mit Führer (!), während sein Kumpel für 5 MAD auf die Lisl aufpassen will. Ich lasse mir in miserablem englisch erklären, dass der "gemütliche" Fußweg 5 min dauert und man dort die Fälle von oben betrachten kann. Auf der anderen Flußseite führt ein Naturweg hinunter ins Tal, das mit Restaurants zugeplastert ist - Dauer 1,5 h. Das ist mir definitiv zu lang mit der ganzen Ausrüstung. Na ja, mit den norwegischen Wasserfällen kann man das nicht vergleichen, aber für Afrika ist das hier sicher eine Sensation. Eine Tajine lockt mich - das Hühnschen unter all dem Gemüse schmeckt herrlich!

Oh, schon so spät (15:30 Uhr)? Plötzlich kostet das Parken nur noch 2 MAD. Das Navi sagt noch 3,5 Stunden Fahrt an! Das ist mir eigentlich viel zu spät, aber jetzt ist das Hostel gebucht, dann müssen wir wohl Gas geben. Wieder ein Argument, eine Übernachtung nicht so frähzeitig zu buchen, das bringt nur Zeitnot und Streß. Der erste Tour-Abschnitt ist noch schön kurvig, aber nicht mehr so eng, wie bergauf, d.h. wir sind ein wenig schneller unterwegs. Fotostopps sind ab jetzt verboten - Zeitmangel. Mist, jetzt hängen wir hinter 3 spanischen Wohnmobilen; es dauert lange, bis wir diese überholen können. Nach und nach wird die Straße breiter und gerader, wir kommen aus den Bergen heraus. Lauf, Lisl, lauf!

Ich habe "schnellste Route" eingestellt, aber wir sollen eine längere, kurvige Strecke nehmen? Die wäre schneller? Das kann ich kaum glauben und bleibe einfach auf der Hauptstraße. Eine Zeitlang können wir uns hinter einen Krankenwagen klemmen, der ziemlich rasch unterwegs ist und uns den Weg freiräumt. Als er sein Ziel erreicht hat, müssen wir alleine rücksichtslos überholen, Fußgänger und Quertreiber einfach ignorieren und nur bei Polizeikontrollen die Hand vom Gas nehmen. Die Zeit vergeht, die Sonne sinkt. Immer mehr blendet sie, dazu mischen sich Straßenstaub und Rauch von verkohltem Fleisch in die Luft - eine Herausforderung für die Augen. Horden von unbeleuchteten Zwei- und Dreirädern schwärmen in alle Richtungen...

Pünktlich um 18:30 - die Sonne verschwindet soeben - passieren wir das Ortsschild von Marrakesh; jetzt beginnt die Sucherei im dichten Verkehr. Ein "freundlicher" Guide hält uns an und möchte uns zu einem Parkplatz führen. Ich zeige ihm auf dem Navi die Hoteladresse und er führt mich direkt dorthin, nicht zum Parkplatz. Mitten in die Altstadt, durch die engsten Gässchen und Winkel muss die Lisl sich hinterherquälen - das ist hier sicher auch verboten. Nein, das war leider das falsche Hotel...also gut, dann eben zu einem Parkplatz. 100 MAD will der Wächter im Voraus haben. Ganz schön teuer, dieses Marrakesh! Ich bestehe darauf, morgen zu zahlen, wenn alles in Ordnung ist. Mein Begleiter ruft noch bei meinem Hostel an und bestellt mir von dort einen Abholservice. Ich frage den Guide, ob er Geld möchte und als er antwortet "wenn Du magst" will ich ihm 10 MAD geben - da fängt er an zu schimpfen, Münzen wären nichts wert und sein Sprit wäre so teuer und... Tja, ich habe ihn ja nicht beauftragt. Mit einem Fluch auf den Lippen zieht er von dannen. Bald darauf werde ich von meinem Gastgeber abgeholt - er meint, es gäbe einen näheren und günstigeren Parkplatz (60 MAD) und ich folge ihm durch das Verkehrschaos. Auch hier muss ich im Voraus zahlen, mein Helm kommt in ein Schließfach. Tja, hier scheint eben vieles (auch das Benzin) teurer zu sein.

Nachdem ich mich etwas eingerichtet habe, gehe ich nochmal aus - mal sehen, ob ich den Parkplatz wieder finden würde. Anscheinend bin ich in entgegengesetzter Richtung unterwegs und lande auf einem großen Platz, wo heute gefeiert wird: Trommeln, Gesang und Gefiedel klingen über den Platz, dazu gibt es jede Menge Buden mit Fruchtsäften und Nüssen. Gewürz- und Textilhändler haben einen eigenen Platz oder feste Läden in den Seitengassen. In Grüppchen sitzen Menschen zusammen und scheinen irgendetwas zu spielen, das ich nicht verstehe - aber interessant ist es allemal. Die "fliegenden" Händler mit ihren beleuchteten Wägen sind ganz schön aufdringlich und wollen einen über den Tisch ziehen, aber nicht immer falle ich darauf herein. Am Ende des Platzes führt eine Straße dann um das Viertel herum, am Parkplatz vorbei und wieder zum versteckten Hostel. Ich bekomme ein oberes Bett zugewiesen, normalerweise kein Problem. Aber diese Betten sind wackelig und 1,8 m hoch! Das wird nachts eine lustige Kletterei.

Dienstag, 31. Dezember 2024

Beni Mellal / Atlas (1)

Bis halb zwölf warte ich auf steigende Temperaturen, dann verabrede ich mich mit Adil zum Frühstück. In einen nahegelegenen Cafe gibt's eine Tasse Tee mit einem Croissant. Bei frischen 6 Grad habe ich bereits die Lenkerstulpen montiert, aber hinter der Glasscheibe im Cafe wird es mir viel zu heiß. Um 12 Uhr brechen wir auf. 

Adil hat mir die RN8 empfohlen, eine große, gute und befahrene Straße. Mein Navi findet aber auch hier wieder schöne Nebenstrecken - eine kleine, gut asphaltierte, kurvenreiche Straße führt uns durch die Atlasberge. Wir bewegen uns immer noch auf ca. 1500 m Höhe. Wunderschöne, fast heimische Waldlandschaft mit Nadel- und Olivenbäumen umgibt uns, gelegentlich läßt sich einer der hier heimmischen Berberaffen sehen. Ihre Fellfarbe tarnt sie gut gegen den Boden oder in den Bäumen. Eine kurze Transferetappe auf der N8 und wir finden uns auf der nächsten Nebenstrecke, der Rollsplit läßt vermuten, dass die Straße erst kürzlich neu gemacht wurde. In Flußtälern oder Ortschaften liegt manchmal etwas Lehm auf der Straße oder es finden sich wenige Schlaglöcher. In engen Kurven rollen wir dahin, ab und zu eröffnet sich ein wunderschöner Ausblick auf Täler und dort liegende Dörfer oder Städte - hier oben fühlen wir uns allerdings wohler. Gleichmäßig kegelförmige, erdbedeckte Berge wechseln sich mit schroffen, roten Felsen ab, die sich scharf gegen den strahlend blauen Himmel abzeichnen. Weiße Wolken verzieren den Himmel, sie werden aber keinen Regen bringen.

Sonderbare lange, mit weißer Plastikfolie bedeckte Mieten erstrecken sich hier über die Felder. Unter den Planen lugen Knollen hevor - Zwiebeln? Ja, hier werden riesige Zwiebeln angebaut, ich kann kurz bei der Ernte zusehen. Zwiebelduft erfüllt die Luft. Die Schafe hier oben sind hübsch - weißer Körper, brauner Kopf, sehr sauber und luftig flauschige Wolle kennzeichnet sie.
Nach entspannten, einsamen 2 Stunden geliebter Motorradfahrt haben wir gerade mal 100 km zurückgelegt. Alle Nase lang halte ich an um mich umzuschauen und die Eindrücke zu inhalileren. Jetzt müssen wir leider auf die RN8. Die Straße bedeutet für uns: rennen und Verkehrsstreß. Also Lisl, gib Gummi. Zum Glück hält sich der Verkehr vorerst in Grenzen und die Straße bietet doch viele schöne, langgestreckte Kurven.

Unterkunftsuche: das Internet bietet hier weit und breit keine Möglichkeit an. Auf der Karte ist eine Stadt verzeichnet - kurz davor gibt es eine Polizeikontrolle. Ich versuche die altmodische Art und frage einen Polizisten, ob es hier ein Hotel gibt. Statt einer Antwort dirigiert er mich an den Straßenrand und kontrolliert lange und ausführlich meinen Pass. Dann meint er, in 15 km Entfernung gäbe es in einer größeren Stadt ein Hotel. Meine Nachfragen vor Ort sind leider ebenfalls erfolglos. Was hat mir die Aktion gebracht? Nur Zeitverlust! Wir befinden uns nur noch auf halber Höhe und die Sonne sinkt auch schon - langsam kommt etwas Torschlusspanik auf. Bis Beni Mellal wollte ich nicht fahren, das sind 200 km mehr als geplant! Aber es bleibt mir nichts anderes übrig - ich buche dort ein günstiges Appartement und lasse die Lisl nun laufen. Mit dem letzten Tageslicht erreichen wir immerhin die genannte Straße, die Lisl darf vorerst dort warten, bis ich die genaue Adresse gefunden habe. Ich frage in einem Schnellimbiss. Der Wirt bringt mich zu einer jungen Frau, die in der Nachbarschaft an einer Theke sitzt. Diese widerum geht mit mir nach nebenan in eine Bank zu einer anderen jungen Frau. Beide sind sehr bemüht, den Wirt zu finden. Nach ca. 1/4 h taucht ein junger Mann auf, der mich in einem schmalen Seitengässchen durch eine dunkle Haustür, eine steile Wendeltreppe hinauf in den zweiten Stock bringt. Ich bekomme den Schlüssel und er will sich verabschieden. Und die Lisl? Nein, hier kann sie nicht stehen bleiben, auch in dem Gässchen nicht. Er will mich zu einem Parkplatz am Ende der Straße führen, was ziemlich weit weg ist. Und das Gepäck? Ich bin unzufrieden, er meint, die Lisl könnte ja auch irgendwo im Hinterhof stehen bleiben. Ciao. Als ich seinem Vorschlag folgen will, gibt es Aufruhr auf dem Gehsteig und mir wird verboten, die Lisl hier irgendwo abzustellen. Ein junger, deutsch sprechender Mann mischt sich ein und - kurz gesagt - wir landen wieder auf dem bewachten Pakrplatz am Ende der Straße - um diese Zeit gäbe es in der Stadt sehr viele Diebe.

Jetzt brauche ich etwas zu essen, aber die Straßenimbisse direkt in der Nähe erfüllen nicht meine Wünsche. Richtung Stadtmitte bis zum anderen Ende der Straße an einem Kreisel werde ich schließlich fündig, es gibt eine umfangreiche Menükarte. Ein paar Minuten nachdem ich meine Bestellung aufgegeben habe, kommt die Nachricht, dieses Essen gibt es jetzt nicht. Gut, dann was anderes. Noch ein paar Minuten später - auch das Getränk steht nicht zur Verfügung. Vielleicht hätte ich da gehen sollen? Die Preise hier? Sehr günstig - ich würde sagen, sie entsprechen den Preisen in meiner Jugend, also vor ca. 40-50 Jahren. Auf dem Rückweg biege ich wohl falsch ab, aber bis ich merke, dass mir die Straße nicht vertraut vorkommt, bin ich schon weit gelaufen. Also alles zurück, dann durch Hinterhöfe und dunkle Gässchen eine Abkürzung genommen und schon bin ich (fast) zu Hause. Jetzt bin ich seeeehr müde - gute Nacht und guten Start in 2025!