Dienstag, 29. April 2025

Habe fertig?

Jim ist schon auf Arbeit als ich mich aus dem Schlafsack schäle und hinüber gehe in's Haus. Erland und Hilda haben ihre morgendliche Zigarette bereits hinter sich und nippeln jetzt am Kaffee. Mit einer Tasse Tee geselle ich mich dazu. Mit Hilda entspinnt sich noch ein intensives Gespräch (Erland hält sich zurück), das für mich sehr herausfordernd ist. Hilda spricht ziemlich viel und schnell. Sie benutzt viele mir unbekannte Worte. Immerhin verstehe ich doch im Großen und Ganzen den Zusammenhang und kann meinen Teil zur Unterhaltung beitragen.

Gegen halb zehn geht's dann auf zur letzten Etappe. In der Nacht hat es viel und ausdauernd geregnet, jetzt ist der Himmel nur bedeckt aber trocken. Leider bleibt das nicht immer so, im Laufe des Tages geraten wir in Eisregen und leichtes Schneegestöber. Ich wußte zwar, das dieses Wetter zu erwarten ist, habe das aber herrlich ausgeblendet. Immerhin habe ich jetzt ein Alibi, warum ich mit 4 anstatt 2 Rädern unterwegs bin. 2 von diesen Rädern sind leider schon sehr abgefahren - eine böse Überraschung. Die mittleren Stollen der Vorderreifen sind einfach weg! Abradiert! Ich bin allerdings nicht bereit, jetzt schon neue Reifen zu beschaffen....
Eingeklemmt zwischen LKWs rollen wir auf der E6 Richtung Narvik. Die vielen Tunnel empfinde ich diesmal sogar als angenehm, weil es dort wärmer und trocken ist. An der nächsten Tanke wird Odin mit seinem Hänger und der Trulla wieder mal intensiv beäugt und bewundert - der Bewunderer spricht mich im Verkaufsraum sogar darauf an. Wir sind halt mal wieder ein eyecatcher.

Ups, wir sind ja schon in Bogenes. Es ist 13 Uhr und die Fähre auf die Lofoten ist bereits im Anmarsch. Wir müssen nicht lange warten, bis wir die einstündige Überfahrt antreten können. Von Lödingen (auf den Lofoten) ist es nur noch ein Katzensprung bis nach Hause. Im letzten Supermarkt kaufe ich für die nächsten paar Tage ein und kurz vor 17 Uhr sieht Odin seine neue Heimat. 

Jetzt ist auspacken und "einwohnen" angesagt. Rundgang und Besichtigung eventueller Schäden, der Versuch, eingefrorene bzw. verrostete Schlösser zu öffnen, das Haus warm bekommen. Nachbar Björn kommt zufällig vorbei und ich erfahre auf die Schnelle die wichtigsten Neuigkeiten - da muss ich morgen nochmal nachfragen. Ist doch Einiges passiert...


Ist das das Ende? Ich bin nach 8 Monaten wieder in meiner Heimat angekommen - meine Lisl, mit der ich aufgebrochen bin, allerdings nicht. Also kann die Reise noch nicht zu Ende sein? Stimmt - der Plan sieht folgendermaßen aus:

  • ich bekomme für 2 Wochen lieben Besuch aus Schottland.
  • Hägar, mein seit 7 Jahren treues Quad , soll wieder zurück nach Deutschland um einen neuen Besitzer zu finden. Der geliehene Anhänger muss ebenfalls zurück. Dafür veranschlage ich ebenfalls ca. 2 Wochen Reisezeit.
  • es folgt ein zweiwöchiger Aufenthalt in Deutschland: Hägar verkaufen, Spezialmassagetermin und ein Wochenende mit Freunden.
  • dann beginnt auch für die Lisl der letzte Abschnitt der Heimreise - mit neuem Motor und einigen weiteren Reparaturen. Sie sollte wieder ganz fit sein.
Ich werde also während der Fahrten weiter berichten - dazwischen ist Sendepause.

Montag, 28. April 2025

Schon in Nordland!

Was für ein herrlicher Tag! Purer Sonnenschein, klare Luft und blauer Himmel. Aber sicher kalt... Der Körper ist in Form, nach einer Dusche und Morgengymnastik - um zehn Uhr kann es losgehen. Die Etappe wird heute nicht so lange, da ich das letzte Stück auf 3 Tage aufteilen musste, andernfalls hätte ich keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Ich bin nicht sicher, ob mein nächster Gastgeber in Rognan verstanden hat, wann ich kommen möchte. Ich überlege schon, notfalls einfach die Nacht durchzufahren, aber man wird sehen. Im Lauf des Tages wird der Termin aber bestätigt.

Unsere Fahrt ist weiterhin einsam durch die endlosen Weiten. Aber halt, ist das nicht ein getarnter Audi, der uns da entgegen kommt? Kurz darauf sichten wir die ersten paar Rentiere in der moorigen Sumpflandschaft, das sind die heutigen Highlights. Abgesehen natürlich von der grandiosen Berg- und Schneelandschaft, die sich auftut als wir uns gen Westen Norwegen nähern. Die Seen sind noch vollständig zugefroren und schneebedeckt, gelegentlich fahren sogar Snowscooter darauf herum. Herrlich - Sonnenschein, trockene Straße, phantastische Landschaft - fehlen nur die warmen Finger. Die Kälte hat ein Gesicht bekommen - weiß und Eis!

Diese Strecke bin ich tatsächlich noch gar nie gefahren! Ich habe sie gewählt, weil hier angeblich eine "grüne Grenze" ist, also ein nicht bemannter Übergang. Zuerst sieht auch alles ziemlich einsam aus, dann taucht auf norwegischer Seite ein großes Gebäude auf. Weit und breit niemand zu sehen, keine Ampel oder sonstige Behinderung. Fein - das haben wir gut gemacht! Bei der ersten "Circle K"-Tankstelle kaufe ich eine Kaffee-Klub-Mitgliedschaft damit meine heißen Kakaos oder Tees nichts mehr kosten - es ist eine Flatrate für Heißgetränke. Dieses Jahr rechnet sich das hoffentlich.

Um 16 Uhr treffe ich schon bei meinem Gastgeber Jim ein. Natürlich ist er auch Motorradfahrer - Goldwing. Warum überrascht mich das in Norwegen nicht? Ich bekomme einen Dachboden im Schuppen zugewiesen, der mit 3 Betten ausgestattet ist. Jim muß noch etwas Platz um den Treppenzugang schaffen und treibt auch noch einen Heizkörper auf. Später wetze ich mich im Wohnzimmer zu ihm und erfahre natürlich vieles aus seinem Leben und über Norwegen. Zum Beispiel, daß die Zollstation sehr wohl besetzt ist, die Dienstfahrzeuge in der Garage versteckt sind, man natürlich keine Mopeds reinschmuggeln darf und auch keinen Rhabarber (der hat er tatsächlich entdeckt). Man darf wohl keine fremde Erde einführen - wenn ich kontrolliert worden wäre, hätte ich Einiges entsorgen müssen. Glück gehabt. Oder dass er mehrere interessante Ausbildungen gemacht hat, bis er jetzt Lehrer für Machanik und Mathe an der Oberschule ist. Oder über seine Reisen, die hauptsächlich in Europa und in Windeseile stattgefunden haben. Es ist immer wieder spannend, wie verschieden die Menschen sind, die ich beim "bunkern" treffe.

Vergangenen Samstag gab es eine große Party - Jims Frau wurde 60, er ist gleich alt und so haben sie zusammen in großer Gesellschaft ihren 120-sten Geburtstag gefeiert. Ein bißchen Besuch ist noch übrig geblieben - Erland und Hilda. Die Männer haben ein tolles Abendessen zubereitet (Fisch, Kartoffeln, Salat). Die Unterhaltung hat so ziemlich alle Themen gestreift und ich habe intensiv versucht, wenigstens einen Teil davon zu verstehen. Ich habe mein Bestes gegeben, konnte sogar gelegentlich einen Beitrag leisten und bin nun sehr müde. Es regnet inzwischen in Strömen, was ich gar nicht mehr gewöhnt bin. Da muß ich Odin, leider verspätet, wasserfest machen und meinen Helm ins Trockene bringen. Morgen soll es wieder schön werden.

Sonntag, 27. April 2025

Lappland

Meine gestrige Entscheidung, aus 2 langen Fahrtagen 3 Tage zu machen - den Übernachtungsmöglichkeiten geschuldet - entspannen mich so stark, daß ich unwillentlich zu trödeln anfange. Darum sind wir heute erst um halb elf unterwegs.  Es ist bewölkt. Ob es heute wärmer ist als gestern ist eher eine "gefühlte Sache": entweder ist es halt schon wärmer, weil später am Tag oder die Ändeung meines dresscodes wirkt. Auf jeden Fall dauert es über eine Stunde, bis ich durchgefroren bin. Neuer Rekord!
Meine Gedanken sind an allen möglichen Orten und in allen möglichen Zeiten, nur nicht im Hier und Jetzt. Wie in Trance lasse ich mich von Odin auf den endlosen, langweiligen Streßen dahintragen.

Um 15 Uhr gönne ich mir eine lange Mittagspause mit Pizza und Kakao an der Tankstelle. Mir ist wieder warm - und der Himmel wurde gereinigt. Die Sonne lacht zwischen weißen Restwolken hindurch - wo macht das Fahren mehr Spaß! Die Schneefelder werden größer, auf den Seen fängt das Eis langsam an zu tauen, wir kommen nach Lappland.

In Sorsele habe ich ein Hotelzimmer gebucht für 550 SEK. Ich glaube, ich muss langsam lernen, daß die Preise nicht mehr wie vor 40 Jahren sind! Uups - ich habe vergessen zu tanken!? 2 km vor Sorlsele bleibt Odin stehen, der Range-Extender (Reservekanister) kommt zum Einsatz. Die Betankung kurz darauf bringt mir endlich gesicherte Erkenntnisse: Odin braucht 10 l / 100 km und der Tank fasst tatsächlich 20 l Sprit! Diese Erfahrung habe ich unbedingt gebraucht!

Das "Hotel" wirkt von außen sehr schäbig und verlassen. Die Tür ist verschlossen, es gibt 2 Schlüsseltresore, aber ich habe dazu keine Anweisungen bekommen. Also rufe ich die angegebene Telefonnummer an. Der Besitzer wohnt anscheinend im Nebenhaus, ist schnell da und freundlich. Innen ist das ehemalige Wohnhaus sehr gemütlich eingerichtet, es hat 4 Schlafzimmer, Küche, Bad und 2 Wohnräume. So kann man ein leerstehendes Haus auch sinnvoll nutzen. Ich bin einziger Bewohner - welch ein Luxus!