Freitag, 6. September 2024

Meditativ

Die Nacht war kalt - 5 Grad, sagt die Lisl. Kein Wunder, ich habe nicht so gut geschlafen. Oder ist vielleicht die Schlafart daran schuld? Ich habe gelernt, auf 40 oder 50 cm schmalen Isomatten zu schlafen, aber wenn man da runterfällt wird's halt nur kalt. Hier muß ich meinen Schwerpunkt schön in der Mitte halten, sonst kippt die ganze Schose. Rausfallen kann ich zwar nicht solange das Moskitonetz geschlossen ist, aber ich rutsche halt. Ist wohl auch ein Lernprozess.
Kurz nach 8 Uhr wache ich auf, von den Zeltwänden trieft das Kondenswasser, über'm See liegt dichter Nebel. Eine Stunde später verzieht er sich langsam und läßt die kräftig wärmende Sonne durch. Dennoch ist die Luft weiterhin kalt.


Tiefenentspannt rollen wir mit ca. 90 km/h auf der guten Asphaltsraße bei fast keinem Verkehr bis Galliväre. Es ist eine fast meditative Reise durch Fichten- und Birkenwälder, Flüsse, Seen, Moore und Pfützen. Auf dem nächsten Abschnitt gibt es ein bisschen mehr Verkehr und wir hängen hinter einem LKW fest. Die langezogenen Kurven sind eigentlich gar keine Kurven sondern nur kleine Richtungsänderungen der Straße, aber sie verseperren den Blick auf lange Strecke. Der LKW fährt zwar etwa mein Tempo, aber er versperrt die freie Sicht und wirbelt uns Staub und Steichen um die Ohren. Zum Glück zweigt meine Route schon bald ab. Meine Navigations-App "Kurviger" gibt sich große  Mühe und findet auf der schmalen Asphaltstraße tatsächlich ein paar Kurven. Kiefernduft!

Nächste Abzweigung - oh, eine Erd- bzw. Schotterstraße? Das war zwar nicht geplant, aber solange sie nicht zu wild wird, nehmen wir sie gern in Kauf. Allerdings lassen wir schnell noch den LKW durch, der uns ganz schön scheucht. Wir warten einige Minuten, bis sich die Staubsolke verzogen hat, dann haben wir unsere Ruhe. Festgefahrene Erde, ab und zu Kies oder Sand und auf jeden Fall Schlaglöcher! Aus ist's mit meditieren, hier müssen wir gut aufpassen, Fahrbahn lesen. Unendliche Zebrastreifen bilden die Schatten des lichten Waldes auf der Fahrbahn. Das macht es unmöglich, die Schlaglöcher zu erkennen - ausbaden darf das jetzt die Lisl. Sie macht das gut. Der Boden ist hier fest bis sandig, Felsblöcke liegen verstreut in der Landschaft. An einer Abzeigung ist mein Navi überfordert - eine der Straßen kennt es gar nicht. Also fragen wir mal Tante Google - aber die ist dumm ohne das Universum. Und das sendet hier leider nicht. Tja, dann eben raten - passt. 

Nach ca. 60 km haben wir wieder Asphalt unter den Rädern. Auf den letztn Kilometern hat frischer Schotter das Fahren ziemlich anstrengend gemacht. In einem kleinen Ort ist ein Parkplatz für einen Naturpark ausgeschildert. Hier gibt's auch ein Cafe und Sitzgarnituren auf dem Rasen. Das Cafe scheint jedoch geschlossen zu sein - ist nicht schlimm, denn auf diese Weise kann ich einen Teil meines restlichen Kühlschrankinhalts reduzieren. 8(!) hartgekochte Eier musste ich z.B. mitnehmen. Die Mittagspause wird ziemlich lang, ich lerne noch ein bisschen und genieße die 24 Grad Wärme. Aber dann werde ich schlagartig müde - man wird halt alt. Bis Luleå werden wir heute nicht mehr fahren beschließe ich. Lieber morgen in aller Frische. Ich brauche noch ein paar Kleinigkeiten in meinen Reparaturkoffer.

Im nächsten Ort gibt es eine Tankstelle - die Lisl bekommt frischen Sprit und ich eine Cola und ein Softeis. Eigentlich möchte ich die Route auf der anderen Seite des Flusses nehmen, aber die freundliche Dame an der Kasse rät mir heftig davon ab - die Straße ist in miserablem Zustand und geschottert. "Miserabel" liegt ja im Auge des Betrachters, aber für heute hatten wir genug Schotter. Kraft und Konzentration lassen zu wünschen übrig und man muss sein Glück ja nicht herausfordern. Leider entwickelt sich das gemütliche Sträßchen ab der nächsten Ortschaft zur Autobahn, da wird es besonders schwer, einen Nachtplatz zu finden. Eine Chance gibt es noch ca. 20 km vor Luleå: es sieht so aus, als ob eine Nebenstraße über den Fluss führt und oft kann man bei den Brücken ein geeignetes Plätzchen finden. Es gibt allerdings keine Brücke sondern eine Fähre, aber die Strategie war trotzdem gut. In der Nähe gibt es einen geschotterten Platz zum Einsetzen von Booten und direkt dabei einen lichten Wald. Leider für die Hängematte ungeeignet, da zum einen die Bäume zu weit auseinander stehen und zum anderen der Untergrund so tückisch ist, dass man gar nicht bis zu den Bäumen hingelangt. Also gibt es heute die "Zelt"-Premiere.

Gegen 20 Uhr sitze ich schließlich im Zelt-Büro und schreiben den Blog. "No risk no fun" war mein Slogan, als ich entschied, nur das Hängemattenzelt mitzunehmen. Die Nutzung als Hängematte hatte ich zu Hause ausprobiert, aber von der Zeltfunktion lasse ich mich heute überraschen. Na ja, bissle "fun" ist es schon - so ganz ausgreift ist die Zeltfunktion nicht. Der Firstgurt hängt stark durch und die Gesamthöhe läßt sehr zu wünschen übrig. Drin sitzen kann man nicht wirklich - da wird das Schreiben am Laptop zur Tortur. Aber muß ja...