Mein trockenes Dach über dem Kopf hätte lange nicht so exklusiv sein müssen! Es ist einfach schön, wenn man im Trockenen aufsteht, während es draußen wieder in Strömen gießt. Ich stelle mich auf einen nassen Tag ein. Darum dauert auch der Frühstückskaffee (super gut!) etwas länger - Vibeke, Olav und ich fachsimpeln ausführlich zum Thema Motorräder, insbesondere zu wasserdichter Kleidung. Danke Euch Beiden nochmal herzlich für die tolle Vollpension mit Familienanschluss.
Hoffentlich wasserdicht verpackt brechen wir erst gegen 10 Uhr auf. Nicht mal mehr 1500 km!? Für die kommende Nacht konnte ich leider kein Dach überm Kopf finden - schauen wir mal, was der Tag so bringt. Im Moment gibt es jedoch keine guten Aussichten - weder optisch (die Landschaft verschwindet hinterm Regenschleier) noch zeitlich (der Wetterbericht kündigt erst für morgen etwas Trockenheit an). Vermutlich wird es daher heute keine Fotos geben. Eigentlich sind wir ja total regenerfahren, denn wenn wir unsere Antennen ausfahren, bleiben die Regenwolken immer daran hängen. Olav meinte, wir sollte uns viel Zeit lassen, damit das umfangreiche Regengebiet uns überholen kann. Ich halte es lieber mit Till Eulenspiegel und lache im Regen, denn irgendwann wird die Sonne ja wieder kommen (müssen).
Olav hat die Route für gut befunden, die mein Navi geplant hat und Vibeke warnt mich noch vor vielen Verkehrskontrollen in der Gegend. Da wir jedoch möglichst kleine Ab- und Umwege fahren, bleiben wir zum Glück davon verschont.
Schon bald sind die Handschuhe klitschnass, aber dank Lenkerstulpen und Griffheizung bleiben die Finger wenigstens warm, wenn sie auch total aufgeweicht sind. Mein Regenanzug ist nach 13 Jahren auch nicht mehr ganz dicht, die Feuchtigkeit zieht an den Rändern nach innen.
Wir legen heute öfters eine Pause ein, um ein wenig trockene Luft atmen zu können. Noch am Vormittag bringt die erste Pause etwas Erleichterung, denn als wir nach einer halben Stunde wieder aufbrechen, hat zumindest der Regen von oben vorerst aufgehört. Werden wir übermütig? Olav hat uns vor einem Streckenabschnitt gewarnt, es sei eine sehr schmale Küstenstraße entlang steiler Felsen, die von vielen dicken Wohnmobilen befahren wäre und unangenehme Überraschungen bereit hält. In Kykrkesæterøra (toller Name!) müssen wir uns entscheiden - da mittlerweile der Regen wider eingesetzt hat, nehmen wir die vernünftigere Hauptstraße in Richtung Trondheim und legen nochmal eine Regenpause ein. Es ist tatsächlich danach von oben trocken, aber die Straße ist so naß und viel befahren, dass die von den Fahrzeugen aufgewirbelte Gischt die Sicht fast noch mehr behindert. Sehr bald schon schließen wir auf eine kilometerlange Autoschlange auf, die von einer Handvoll schleichenden Wohnmobilen angeführt wird. Etwa 10 km müssen wir nun im Blindflug hinter der weißen Wand eines dieser Dinger hinterherzockeln. Stress pur!
Endlich führt uns das Navi auf ein abgelegenes Nebensträßchen. Die "wasserdichte" Hülle des Telefons, das ich zum navigieren benütze, sorgt dafür, daß das eingedrungene Wasser nicht mehr abläuft und die Wasserblasen willkürlich die App ein- und ausschalten. Dagegen hilft zwar trockenlegen, aber kurz darauf versagt die Stromversorgung. Auch hier habe ich als Rückfalllösung einen anderen Kabelanschluss, der aber viel zu heiß wird. Schließlich wird das Handy gar nicht mehr geladen, der Ladeanschluss sieht etwas verschmort aus. Als schnelle Lösung verwende ich nun vorerst mein anderes Handy.
Trondheim umfahren wir, indem wir Richtung Westen an die Küste abbiegen und eine Fähre über den ziemlich viel befahrenen Trondheimsfjord nehmen. Vor uns taucht jetzt sogar blauer Himmel mit Sonnenschein auf. Ob das lange hält? Sollten wir heute keine geeignete Übernachtungsmöglichkeit finden, werde ich einfach so lange weiterfahren, bis mein Anzug trocken ist (im Zelt trocknen ist unmöglich) - es wird ja nachts nicht mehr richtig dunkel. Seen und Flüße sind weit über die Ufer getreten, Wiesen und Felder stehen unter Wasser, der Boden ist abgrundtief aufgeweicht.
Wünschen und visualisieren für einen geeigneten Zeltplatz funktioniert wieder einmal super - Punkt 18 Uhr taucht genau das auf, was ich brauche: fester, trockener Untergrund, möglichst sauber. Es ist ein Stückchen alte Asphaltstraße die um eine neue Brücke herumführt. Nebenan rauscht ein Bach - für das Waschwasser unabdingbar, denn ich muss jeden Packsack waschen, bevor ich ihn anfassen kann. Der Straßenschmutz der letzten 2 Tage sitzt in jeder Ritze. Die Mikro-Stechmücken fühlen sich natürlich schon deutlich vor mir pudelwohl im Zelt, insofern schließe ich das Moskitonetz nur pro forma. Während der ganzen Aufbauzeit hat uns noch kein einziges Fahrzeug passiert, wir können also eine ruhige Nacht erwarten.