Samstag, 31. Mai 2025

Sonne!

Nach langem und gutem Schlaf in einem sehr komfortablen Bett brechen ich um halb zehn Uhr auf. Die Sonne scheint! Es ist ziemlich warm, die Regenhose verschwindet im Gepäck. Die Jacke muss ich allerdings an lassen und auch zuknöpfen, denn die Luft ist doch noch ziemlich kühl.

Hier unten im Süden wirkt es fast wie die deutsche Heimat: das Straßennetz ist deutlich dichter und besser ausgebaut. Es gibt nette Nebenströßchen und dicke Hauptstraßen. Wälder und Felder strahlen in herrlich frischem Grün, alles blüht farbenprächtig. Heute am Samstag scheint das ganze Volk mit Gartenarbeit beschäftigt zu sein, man räumt, putzt, pflanzt. Wären die Häuser hier nicht typisch schwedisch und rot, könnte man glatt meinen, in Süddeutschland zu sein.
Auf einer der langen, geraden, abgelegenen Strecken lauscht ein kleiner Elch mit seinen großen Ohren unserem Kommen. Als wir in Sichtweite kommen, trollt er sich gemütlich in seiner eleganten, schwingenden, hochbeinigen Gangart. Ein verspäteter Osterhase hüpft davon und ein Füchslein trollt sich. 

Irgendwie landen wir dann doch auf einer Schnellstraße - nicht unbedingt unser Lieblingsort. Hägar gibt sein Bestes, um kein Verkehrshindernis zu sein- er macht sich ganz ordentlich. Entlang der Nord- und Ost-Seite des Vänern (größter schwedischer See) gen Süden. Leider ist vom See nicht viel zu sehen, denn die Straße verläuft im großen Abstand zum Ufer. Lediglich ein kurzer Abstecher auf einem Erdweg führt durch eine Wochenendsiedlung direkt am See. Auch hier scheint die ganze Küste zugebaut zu sein - schön für die Hauseigentümer.

Die Mittagspause mit Käsebrot und Cocktail-Tomätchen verbringe ich auf einer langen Holzbank im Hafen. Hier gibt es eine Zapfsäule für Hägar, viele Boote und einige Kräne zum herausheben der Boote. Ich glaube, hier war ich vor Jahren schon mal und hab einen Kran in Aktion gesehen. Ein Motorbootchen läuft ein, der Besitzer geht an mir vorbei und meint, ich hätte hier ein wunderbares Picknickplätzchen - wie wahr! Ein herrliches Wetter heute!

Tankstellen sind hier zwar immer rechtzeitig vorhanden, oft müssen wir dazu aber Hinweisschildern folgen und sie bestehen dann nur aus einer Zapfsäule mit Kartenautomat. Keine Versorgungs- oder Toilettenmöglichkeit. Das kann problematisch werden....

Nach langer Fahrt, zum Schluss auf herrlichen, kurvenreichen Nebensträßchen, kommen wir gegen halb sieben bei Klaus an. Er ist ein Mitbläser aus meinem ehemaligen Posaunenchor, der vor über 20 Jahren nach Schweden ausgewandert ist. Sein Wohnort liegt immer in der Nähe meiner Strecke, wenn ich über Schweden fahre, darum sehen wir uns alle paar Jahre gelegentlich. Frau und Tochter sind heut auf einem Konzert, die übrigen, fast erwachsenen Kinder verstecken sich in ihren Zimmern. Wie immer gibt es bei Klaus ein sehr leckeres Essen (auch wenn er vergessen hat, daß ich vorbeikomme): heute Wildgans mit Reis. Er ist Jäger und Angler, d.h. es gibt immer etwas selbst erlegtes oder gefangenes. Bei Wein und Geschichten vergeht der Abend wie im Flug - müde sinke ich im Jagdzimmer in's Bett.



Freitag, 30. Mai 2025

Schlammschlacht

Ich hab mich gestern an einem schönen Flußplätzchen noch neben ein holländisches Wohnmobil gequetscht. Beim Einschlagen der Häringe ist mir ein Malheur passiert und ich habe eine dicke Blutblase davongetragen. Nicht tragisch, aber sie hat die ganze Nacht nicht aufgehört zu bluten, das Taschntuch war wohl nicht sehr hilfreich. Ich hab beim überstürzten Aufbruch nicht an alles gedacht - kein Pflaster dabei. Am Morgen bekomme ich auf Anfrage von der netten Holländerin ein Pflästerchen - jetzt versaue ich wenigstens nichts mehr.

Die Nacht im Skigebiet auf immerhin gut 500 m Höhe war frisch, aber nicht ganz so kalt wie gestern. Am Morgen nieselt es, ich muss das Zelt abtrocknen und feucht einpacken. Da ich bewußt auf alles Überflüssige verzichtet habe, gibt's auch kein Frühstück und kurz nach 9 sind wir schon unterwegs - unser nächster Übernachtungsplatz steht fest - bei Josef von "bunk a biker" in Hagfors. Er wird nicht dort sein, stellt mir aber seine ganze Wohnung zur Verfügung. 365 km werden wir bis 18 Uhr zurücklegen!
In Älvdalen verlassen wir die E45 und steuern etwas westwärts nach Fiskaheden, etwa 60 km. Niemand hat uns verraten, was uns dort erwartet: die Strecke ist in maximal hundsmiserablem, grottenschlechtem Zustand! Übersät von riesigen Schlaglöchern, wurde zwar der Belag schon größeneils abgefräst, was die Fahrbahn natürlich nicht besser macht. Extra schlechte Stellen wurden mit grobem Schotter etwas überhöht zugeschüttet. Im Prinzip ist die gesamte Strecke eine einzige Baustelle. Unendlich viele Ampeln (mindestens 10!) sind in kurzen Abständen aufgestellt, perfekt auf "rote Welle" abgestimmt, wobei die Rotphasen mindestens 7 Minuten betragen. Die beampelten Abschnitte sind einspurig, mit sehr grobem Schotter und roten Sand belegt und auf 30 km/h begrenzt. Weit und breit kein Baustellenbetrieb oder Gegenverkehr - dennoch stehen die Ampeln auf rot. Warten, warten, warten. Es ist einfach nur Schikane. Irgendwann wird es uns zu dumm, wir überlegen schon, das rote Licht einfach zu ignorieren, entscheiden uns dann aber doch eher für einfach eine schnellere Fahrweise. Hägar fliegt mit gut 60 km/h über Löcher, scharfe Kanten, Steine, Waschbrett und einfach alles, was im Weg liegt. Keine Ahnung, ob der Anhänger noch da ist....
Ein paar mal wechseln wir noch die Straßen, dann landen wir auf einer "ordentlichen" Lehmstraße. Da es ja meist geregnet hat, sind die Schlaglöcher wassergefüllt und der rote Lehm ist herrlich matschig. Das wird eine schöne Kruste ringsum geben!

Aber es gibt ja auch durchaus hübsche Anblicke in der herrlich grünen Natur, den sprudelnden Flüssen und spiegelnden Seen. Natürlich bevorzugt in den wenigen Momenten wenn die Sonne durchbricht. Übrigens: "MACKEN" heißt "Die Tankstelle"... 

Donnerstag, 29. Mai 2025

Gewitter am Morgen - Kummer und Sorgen?

Beim nächtlichen Toilettengang liegt der See spiegelglatt in der nächtlichen Sonne. Trotz Eiseskälte schlafe ich anscheinend gut und lang, denn kurz nach 9 Uhr weckt mich ein Anruf von Josef. Ich habe bei ihm eine Übernachtungsmöglichkeit für morgen angefragt. Der Wetterbericht sagt für heute gutes Wetter und für morgen wieder naß an. Meine Klamotten sind natürlich in der Nacht nicht getrocknet!
Während ich zusammenpacke erreichen uns die schwarzen Wolken aus dem Süden - es hagelt. Dann wechselt alles im Minutentakt: Gewitter, Wind, Sturzregen, trocken, Nieselregen...das kann ja wieder lustig werden. Ringsum Donnergrollen.
Irgendwann (11 Uhr) breche ich dann doch auf, ich muss ja weiter, es hilft nichts. Richtung Süden wird es bald trockener, die Sonne taucht auf und bei den stündlichen Tankpausen kann ich mich sogar in der Sonne wärmen.Die Luft ist trotzdem kalt, d.h. der Fahrtwind läßt mich weiterhin frösteln. Vor uns türmen sich weiße Wolken und täuschen uns schneebedeckte Gebirge vor.
Es gibt keine Besonderheiten oder Abenteuer: Hägar rollt leichtfüßig zwischen 70 und 80 km/h dahin. An Steigungen schnauft er schwer bei knapp über 50 km/h, dafür freuen wir uns bergab über flotte 90! Die Entfernungen zwuschen den Orschaften werden langsam geringer und die Orte größer. Statt 2-3 Häusern finden sich nun 20-30 Häuser, manchmal sogar ein kleiner Supermarkt anstelle der "digitalen Landhandel", wo man sich selbst bedient aber nur mit dem schwedischen Bezahlsystem Zugang bekommt.

Mittwoch, 28. Mai 2025

Regen, Regen, Regen...

Bereits am frühen Morgen fängt es an - es nieselt. Direkt am Polarkreis! Um halb sieben nutze ich ein kurzes Fenster, um schnell aufzubrechen und das Zelt möglichst trocken einzupacken. Grade so geschafft - dann nieselt es wieder. Der Inlandsvägen (E45) ist eine breite gute Aphaltstraße - das war 2028 noch nicht so, als Hägar nach Norden ausgewandert ist. Damals waren das hier alles noch Schotterstraßen. Alternative Wege zeigt das Navi schon an, aber das sind ebenfalls alles Schotterwege und bei diesem Wetter machen die nur Dreck, keinen Spaß. Ich will nur weg vom Regen.

Um 7:45 Uhr sind wir "on the road", ein großes Rentier begrüßt uns mitten auf der Straße.  Wir schnappen jede auftauchende Tankstelle, ansonsten sind die Abstände für Hägar zu groß. Um halb elf machen wir einen Abstecher von der Umgehungsstraße, direkt nach Arvidsjaur, um zu tanken und mich aufzuwärmen. Nach einer guten Stunde mit warmem Kakao und Zimtschnecken bin ich immer noch nicht richtig warm oder trocken, aber trotzdem geht's jetzt weiter. Weg hier.

Von Arvidsjaur bis Sorsele fühlt es sich etwa so an:
Regen
Kiefern - oh, eine Birke!
Nieseln
Gerader Asphalt - zum Einschlafen. Die Augenlider sind schwer und schwerer.
Wolkenbruch
In der Ferne ein Elch auf der Straße
Regen
Große Abschnitte ohne Asphalt - fette, wassergefüllte Schlaglöcher, holpriger Grobschotter
Regenguß - Hochwasser auf der Straße
Starkregen
In Sorsele gibt's wieder eine Tanke und ein Grillrestaurant - das Kindermenü "Hamburger mit Pommes" soll von innen heizen und die Cola soll die Augen öffnen. So rettet man sich von Station zu Station.

Ich bin durchnäßt und durchgefroren, die Cola wirkt gegen die Müdigkeit, aber irgendwie muß ich ja auch mal eine Übernachtungsmöglichkeit finden. Zelten? Da hab ich heut wirklich keine Lust drauf - selbst der Regenanzug hat etwas durchgelassen. Alles ist naß und klamm. "Bunk a biker"? Weit und breit keine Möglichkeit zu sehen! Hotel? Auch booking.com hat keinerlei Angebote weit und breit! Da hilft nur noch wünschen und visualisieren. Wie wär's mit einer Hütte auf einem Campingplatz? Oder einer einsamen Fischerhütte mit Vordach? Visualisieren soll ja helfen.... Und ja - es funktioniert. An der versteckten Einfahrt sind wir schon vorbei, aber umdrehen und mal anschauen mag ich dann doch. Der Schotterweg endet nach wenigen Metern in einer Wendeplatte und direkt danach am Seeufer liegt eine Hütte. Sieht so aus, als ob dieses Jahr noch niemand da war - da wird hoffentlich nicht ausgerechnet heute jemand vorbeikommen? Es gibt eine überdachte Terrasse (zum Zelten), einen Steg in den klaren See (für Waschwasser), ein paar Gerätschaften (zum Aufhängen des Anzugs). Das Zelt baue ich aus Gründen der Schnakenabwehr und Wärme auf, es paßt gerade so auf die Terrasse - perfekt!


Dienstag, 27. Mai 2025

Doppelt

Seit der Ankunft in meiner norwegischen Heimat ist 1 Monat vergangen. Aber die Lisl steht ja noch in Deutschland rum und will auch hierher. Für sie ist die Reise noch nicht beendet. Jetzt ist die Zeit auch für sie gekommen, wieder in den Norden aufzubrechen - ich werde sie abholen. Hägar, mein 7-jähriges Quad, darf in Deutschland seinen Dienst quittieren, er wird ja von Odin abgelöst.

Odin und meine kleine Trulla (ein fetziges E-Bike) haben mir und meinem lieben Besuch die letzten 2 Wochen sehr viel Freude und Spaß bereitet, selbst wenn Trulla mich gestern in Sand und Schlamm 2 mal abgeworfen hat. Mein kleines Biest! Spät genießen wir noch einen Ausritt zur Mitternachtssonne.
Wayne, mein Besucher, fliegt heute zurück nach Schottland. Um halb sechs bringe ich ihn zum Flughafen. Leider haben die Wecker versagt, darum ist der Aufbruch ziemlich überstürzt. Ich bringe Odin wieder zurück, räume noch ein wenig auf und lege Odin, Trulla und die Hütte für die nächsten Wochen schlafen. Hab ich nichts vergessen? Dann breche ich mit Hägar auf - er darf den großen Hänger samt seinen Ersatzrädern nach Deutschland zurückschleppen. An den Steigungen kommt er damit ordentlich in's Schnaufen, aber im Allgemeinen läuft er richtig schön und schnurrt vor sich hin. Viel mehr als 70 km/h sind aus dem kleinen Motörchen allerdings nicht rauszuholen, Ich habe mich wieder für die "Schwedenroute" entschieden, anstelle der schönen, norwegischen Küstenroute. Die Route ist kürzer, wenig befahren, gut ausgebaut und damit sicher entspannter. Außerdem möchte ich im Anschluss über Polen fahren. Die schöne Route werde ich auf der Rückfahrt mit Lisl nehmen.

In Bjerkvik tanken wir an der letzten Tankstelle in Norwegen. Bis Kiruna gibt es keine weitere Gelegenheit. Ein "range extender" (Reservekanister) ist somit unumgänglich. Schon die erste Etappe fordert ihn heraus - 14 km vor Kiruna verdurstet Hägar. Und ich bemerke jetzt, was ich vergessen habe: die norwegische SIM-Karte für das Navigationshandy. Doof, aber kein Weltuntergang.

Beim Start weint der Himmel, lichtet sich aber langsam gegen Mittag zu. Ein kleiner Schauer erwischt uns unterwegs noch, ab und zu gibt es noch einzelne Regentropfen. Es ist lausig kalt, auch wenn die Sonnen inzwischen strahlt - und Hägars Griffheizung funktioniert nicht mehr. Über die Berge "Bjørnfjell" liegt noch dick der Schnee in der Landschaft, die Seen sind noch dick zugefroren. Ich bin sehr müde und hoffe, daß mein Hägar weiß, wie man auf der Straße bleibt. So trollen wir uns die E10 entlang, müssen dann aber wegen Tankbedarf auf die E45 abzweigen. Eigentlich wollte ich sowieso diese Strecke - den Inlandsvägen - nehmen. Paßt also.

Die Mittagspause in Kiruna zieht sich über 2 Stunden hin, bis ich wieder ein bisschen warm bin. Zum Wachwerden hat sie leider nicht beigetragen. Einen Schlafplatz suchen wir dann hinter Jokkmokk gegen 19 Uhr. Zum Schluss sind aus den täglich geplanten ca. 200 km doch über 400 km geworden - also doppelt so viel wie geplant. Da bin ich ja viel zu schnell...?