In der Nacht scheint es kalt geworden zu sein, ich fröstle selbst in der Hütte bei eingeschalteter Heizung; die Fenster sind beschlagen. Darum wird es wieder spät, also halb 10 Uhr, bis ich frühstücke. Eine Stunde später ist dann Abfahrt - Carol und James verlassen ebenfalls das Haus und es gibt noch einen emotionalen Abschied. Mit James habe ich eine lockere Verabredung in Norwegen im nächsten Frühsommer - hoffentlich klappt das. Mein Dresscode ist heute eine lange Unterhose, einen dünnen Pullover und eine Daunenjacke unter den luftdurchlässigen Motorradklamotten - hat sich bewährt. Der Regenanzug ist gut verpackt... Wir liegen mit der Zeit gut im Trend, auf den Zitrusplantagen startet gerade die Ernte.
Die Route führt wieder nach Norden über die Berge - hier ist es einfach viel schöner, einsamer und sauberer. Hirten ziehen mit ihren Schaf- oder Ziegenherden über die jetzt grünen Felder einer lieblichen Landschaft. Gemütliche Asphaltsträßchen winden sich zwischen Oliven-, Kiefern- und Korkeichenhainen durch Täler oder über mittlere Pässe. Gelegentlich dürfen wir auch ein paar Serpentinen genießen. Die Sonne strahlt vom türkisblauen Himmel, mein Herz kommt in Wallung und auf meinem Gesicht macht sich ein glückliches Lächeln breit - wo ich doch heute morgen gar nicht "raus in die kalte, feindliche Welt" wollte. In manchem Ort wähnt man sich am Ende der Welt und traut sich kaum, eine schmale Einfahrt zwischen den Häusern zu erkunden, um dann jedoch hinter den nächsten Kurve wieder ein wunderschönes Sträßchen zu entdecken. Nach knapp 50 km weisen uns Straßenschilder den Weg nach Californien - hab ich in Erdkunde was falsch verstanden? Ein Abschnitt zwischen Ameixial und Dogueno fährt sich wie eine Motorradrennstrecke; einige Rennfahrer sind auch unterwegs, selbst die Lisl fällt wie von selbst in schöne Schräglage und wedelt durch die Kurven. In Deutschland oder Österreich wäre diese Strecke bestimmt schon für Motorräder gesperrt. In Mertola führt eine Brücke über den Fluß, der weiter südlich die Grenze zwischen Portugal und Spanien bildet. Bereits zum zweiten mal fahren wir nun hier entlang, denn es gibt kaum Grenzübergänge zwischen den beiden Ländern. Ein kleines Stück bleiben wir jedoch noch auf portugiesischer Seite und finden am frühen Nachmittag am Rande einer Ortschaft ein wunderschönes Erholungsgebiet. Mittagessen gibt es hier in der warmen Sonne und ich möchte eigentlich gar nicht mehr weiterfahren. Erst ca. 130 km haben wir zurückgelegt, mein Tagesplan ist jedoch fast erreicht und ich bin sicher, innerhalb der nächsten 50 km werde ich keinen sooo tollen Platz mehr finden. Darum bleiben wir heute hier und lassen es uns gut gehen!
Es gibt auf dem Parkplatz auch passende Bäume für die Koje, aber entlang des Ufers sind herrliche, ebene Terrassen angelegt, auf die die Sonne scheint. Zum Zelten ist das nicht schlecht und das Billigzelt muss ja auch mal ausprobiert werden. Es ist erstaunlich schnell aufgestellt, kaum größer als die Koje aber innen sehr viel wärmer, da der Wind vollständig abgeschirmt wird. So strecke ich die Füße in die Sonne während das Laptop im Schatten gut sichtbar bleibt. In Windeseile wird es allerdings kalt, sobald die Sonne um 17 Uhr hinterm Berg verschwindet.