Was für ein herrlicher Tag! Purer Sonnenschein, klare Luft und blauer Himmel. Aber sicher kalt... Der Körper ist in Form, nach einer Dusche und Morgengymnastik - um zehn Uhr kann es losgehen. Die Etappe wird heute nicht so lange, da ich das letzte Stück auf 3 Tage aufteilen musste, andernfalls hätte ich keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Ich bin nicht sicher, ob mein nächster Gastgeber in Rognan verstanden hat, wann ich kommen möchte. Ich überlege schon, notfalls einfach die Nacht durchzufahren, aber man wird sehen. Im Lauf des Tages wird der Termin aber bestätigt.
Unsere Fahrt ist weiterhin einsam durch die endlosen Weiten. Aber halt, ist das nicht ein getarnter Audi, der uns da entgegen kommt? Kurz darauf sichten wir die ersten paar Rentiere in der moorigen Sumpflandschaft, das sind die heutigen Highlights. Abgesehen natürlich von der grandiosen Berg- und Schneelandschaft, die sich auftut als wir uns gen Westen Norwegen nähern. Die Seen sind noch vollständig zugefroren und schneebedeckt, gelegentlich fahren sogar Snowscooter darauf herum. Herrlich - Sonnenschein, trockene Straße, phantastische Landschaft - fehlen nur die warmen Finger. Die Kälte hat ein Gesicht bekommen - weiß und Eis!
Diese Strecke bin ich tatsächlich noch gar nie gefahren! Ich habe sie gewählt, weil hier angeblich eine "grüne Grenze" ist, also ein nicht bemannter Übergang. Zuerst sieht auch alles ziemlich einsam aus, dann taucht auf norwegischer Seite ein großes Gebäude auf. Weit und breit niemand zu sehen, keine Ampel oder sonstige Behinderung. Fein - das haben wir gut gemacht! Bei der ersten "Circle K"-Tankstelle kaufe ich eine Kaffee-Klub-Mitgliedschaft damit meine heißen Kakaos oder Tees nichts mehr kosten - es ist eine Flatrate für Heißgetränke. Dieses Jahr rechnet sich das hoffentlich.
Um 16 Uhr treffe ich schon bei meinem Gastgeber Jim ein. Natürlich ist er auch Motorradfahrer - Goldwing. Warum überrascht mich das in Norwegen nicht? Ich bekomme einen Dachboden im Schuppen zugewiesen, der mit 3 Betten ausgestattet ist. Jim muß noch etwas Platz um den Treppenzugang schaffen und treibt auch noch einen Heizkörper auf. Später wetze ich mich im Wohnzimmer zu ihm und erfahre natürlich vieles aus seinem Leben und über Norwegen. Zum Beispiel, daß die Zollstation sehr wohl besetzt ist, die Dienstfahrzeuge in der Garage versteckt sind, man natürlich keine Mopeds reinschmuggeln darf und auch keinen Rhabarber (der hat er tatsächlich entdeckt). Man darf wohl keine fremde Erde einführen - wenn ich kontrolliert worden wäre, hätte ich Einiges entsorgen müssen. Glück gehabt. Oder dass er mehrere interessante Ausbildungen gemacht hat, bis er jetzt Lehrer für Machanik und Mathe an der Oberschule ist. Oder über seine Reisen, die hauptsächlich in Europa und in Windeseile stattgefunden haben. Es ist immer wieder spannend, wie verschieden die Menschen sind, die ich beim "bunkern" treffe.
Vergangenen Samstag gab es eine große Party - Jims Frau wurde 60, er ist gleich alt und so haben sie zusammen in großer Gesellschaft ihren 120-sten Geburtstag gefeiert. Ein bißchen Besuch ist noch übrig geblieben - Erland und Hilda. Die Männer haben ein tolles Abendessen zubereitet (Fisch, Kartoffeln, Salat). Die Unterhaltung hat so ziemlich alle Themen gestreift und ich habe intensiv versucht, wenigstens einen Teil davon zu verstehen. Ich habe mein Bestes gegeben, konnte sogar gelegentlich einen Beitrag leisten und bin nun sehr müde. Es regnet inzwischen in Strömen, was ich gar nicht mehr gewöhnt bin. Da muß ich Odin, leider verspätet, wasserfest machen und meinen Helm ins Trockene bringen. Morgen soll es wieder schön werden.