Mittwoch, 4. Juni 2025

Ein (vorläufiges) Ende mit Donnerschlag

Rolf hat schon den Frühstückstisch gedeckt, als ich aufstehe. Wir wollen noch frische Bockwürstchen probieren. Sie werden direkt aus dem Kessel an der Hintertür einer Metzgerei verkauft. Ich möchte eigentlich recht bald aufbrechen (9 Uhr wird's), denn wir haben heute eine sehr lange Etappe vor uns - 557 km! Das ist fast doppelt so viel wie an den anderen Tagen. Der Tag beginnt leider schon mit einer unangenehmen Überraschung - auf unserer Futterkiste klebt ein Zettel vom Ordnungsamt. Es wird nicht erwähnt, was wir falsch gemacht haben, lediglich, daß wir Post erhalten werden.

Es ist warm, 24 Grad! Mir ist das zu viel, mein dresscode ist auf Sommer eingestellt aber ich komme dennoch in's Schwitzen. Hägar trägt sein gestern montiertes vorderes Nummernschild auch nur widerwillig - seinen Ärger reagiert er mit Hitzeentwicklung im Auspuff ab. Und der strahlt die Hitze weiter an mein rechtes Knie ab.
Auf deutscher Seite geht es nun nach Görlitz, wo wir wieder nach Polen wechseln. Auf dieser kurzen Etappe sind uns mehr Polizeifahrzeuge begegnet als auf den ganzen 3000 km von Norwegen bis hierher. In Görlitz ist mein Navi überfordert, so fahren wir ein wenig zick-zack, bis wir den richtigen Ausgang finden. Auf polnischer Seite kaufe ich in einem Supermarkt etwas zu trinken und 2 süße Teilchen. Die Menschenschlange an der einzig besetzten Kasse reicht einmal um die Welt. Also versuche ich mein Glück an der Selbstbedienungskasse. Die erzählt mir aber ewig lange eine sich wiederholende polnische Geschichte und es geht nicht weiter. Als auch die anderen Kassen in den gleichen Modus wechseln, taucht ein Angestellter auf und setzt die Kassen zurück. Ich bitte ihn, mir zu helfen, denn ich verstehe beim besten Willen kein Polnisch und komme mit der Kasse nicht klar. Für meine 2 Kaffeeteilchen braucht man 2 Tüten! Hä? Erst als diese separat verpackt sind, darf ich weitermachen. Wofür die zweite Tüte gut sein soll erschließt sich mir nicht, denn man muss ja jedes Teil einzeln eingeben.

Als nächstes wollen wir auf Nebenstraßen die polnisch-tschechise Grenze passieren. In einem kleinen Dorf zweigt das Sträüchen ab, aber nach 100 m stehen wir vor dem Ende. Die Straße ist mit einem Gitter verbarrikadiert - Fußgänger und Fahrradfahrer können leicht passieren, die Lisl würde es vielleicht auch schaffen, nicht aber Hägar oder gar unser ganzes Gespann. Also müssen wir einen großen Umweg und über eine Schnellstraße fahren, um die Tschechei zu entern. Dort passe ich die Route an, denn das Navi schlägt einen großen Bogen vor. Den kürzen wir ab und fahren quer durch den Wald über einige Berge. Hägar muss dabei ordentlich schnaufen.
Ein herrliches Stück Kurvenstrecke dürfen wir dann unter die Räder nehmen - phantastisch für Motorräder, für mich auf dem Quad etwas anstrengend. Man muss ordentlich mit Lenkung, gegen Geradeauslauf und mit Gewichtsverlagerung arbeiten und Hägars Beschleunigung zum Kurvenende sit bei mageren 23 PS auch nicht gerade umwerfend. Die Lust ist voll mit Pollen und Blütenstaub, der mir in die Augen fliegt.

Nun sind wir Richtung Prag unterwegs, werden es aber in großem Bogen weiträumig umfahren. Die große, zweispurige Straße ist viel befahren, die Autofahrer werden rücksichtsloser und einige Male stockt der Verkehr auch, Baustellen mit laaanger Wartezeit halten uns auf. Nicht sehr spaßig.

In Pilsen wird es ganz verrückt: am Ortseingang erreichen wir einen Kreisel mit 5 Ausgängen, die aber allesamt gesperrt sind. Lediglich der letzte Abzweig entläßt uns wieder, allerdings in die komplett falsche Richtung. Wir irren durch ein Industriegebiet und landen immer wieder in Sackgassen - es gibt keinen Ausweg Richtung Stadt oder in unsere Richtung! Also müssen wir zurück, durchfahren den Kreisel entgegen der Fahrtrichtung (Baustelle) und können ihn nur durch die ursprüngliche Einfahrt wieder verlassen. Ein ganzes Stück zurück habe ich eine kleine Straße als Alternative ausgemacht, aber wir können nicht dorthin abbiegen - Baustelle und Abbiegeverbot. Auch können wir auf dieser Straße nirgends wenden. Es geht also ziemlich lange zurück bis wir irgendwo illegal wenden können, dann wieder zurück Richtung Kreisel aber kurz davor abbiegen. Dann noch ein paar kleinere Wirrungen, weil mein Navi nicht mitspielen will, und wir sind wieder auf Kurs.

Hm, das Navi errechnet eine Ankunftszeit in Aschbuch gegen 10 Uhr abends. Aber für 7 Uhr sind schwere Gewitter vorhergesagt, sowohl an unserem aktuellen Aufenthaltsort als auch in Aschbuch. Die Warnungen erreichen mich auf verschiedenen Kanälen - Panikmache? Bei unserer letzten Tankpause in Tschechien um 19 Uhr ist es warm und trocken - die Wetterapp behauptet aber, es würde in Strömen regnen.
Kurz nach der Grenze fahren wir auf eine schwarze Wolkenwand zu und ich packe mich vorsichtshalber wasserdicht ein. Eine Zeitlang werden wir noch verschont und dann folgen wir einer unsichtbaren Grenze zwischen der tiefstehenden, blendenden Sonne rechts von uns und den dunklen Regenwolken links von uns. Es ist genau die Grenze, wenn die ersten Regentropfen vor einem Gewitter fallen. Manchmal ist die Straße naß, manchmal trocken; manchmal gibt es schwere Regntropfen, manchmal nicht. Ziemlich lange haben wir dieses Glück.
Parsberg ist angeschrieben! Das ist schon fast zu Hause - zumindest fühlt es sich so an. Immerhin liegen immer noch ca. 50 km vor uns. Und jetzt zucken grelle, orange Blitze rings um uns herum und erleuchten den Himmel und die ganze Umgebung. Donner höre ich keinen, dank der Ohrstöpsel und Hägars Motorsummen. Ein wenig Magengrummeln bekomme ich schon... Und dann erwischt es uns: in Sturzbächen prasselt der Regen nieder, starke Windböen kommen auf, es ist stockdunkel. Zum Glück tauchen ein paar Häuser auf, Hägar parkt an einer Giebelwand und ich stelle mich in einem Hauseingang unter. Ungeduldig wie ich bin, beschließe ich nach ca. 10 min, daß Blitz und Donner schwächer geworden sind und Wind und Regen nachgelassen haben. Oder doch nicht? Egal - weiter geht's! Wir werden noch ordentlich gewaschen, unserer Geschwindigkeit sinkt enorm dank Hägars Slicks auf den Vorderrädern und meiner "Null-Sicht". Das verkratze Brillenglas ist selbst innen von Wassertropfen übersät und beschlägt gelegentlich. Entgegenkommende Autos fabrizieren Christbäume mit ihren Scheinwerfern. Hägars Licht - inklusive Zusatzscheinwerfer - wird von der Dunkelheit, der nassen schwarzen Straße und den davon aufsteigenden Nebelwölkchen fast vollständig verschlungen.

Etwa um 10 Uhr abends rollen wir in Aschbuch ein. Alle Straßenlaternen und Häuser sind dunkel...? Als wir mitten im Ort sind, gehen die Lichter wieder an - Stromausfall. Meine Familie hat davon nichts bemerkt. Hägars Platz in meinem Carport ist von den Autos besetzt, die vor dem Hagel in Sicherheit gebracht werden mussten. Also wollen wir in der Garage einziehen - dort ist allerdings alles vollgestellt mit dem Inhalt und feuchten Fußbodenresten eines Badezimmers - dort hatte es einen Wasserschaden gegeben. Hägar kann sich gerade noch so dazwischen quetschen, den Anhänger muss ich gleich in den Garten bringen. In meiner Hütte ist kein Strom vorhanden - die Hauuptsicherung ist rausgeflogen.
Irgendwie scheint es jedesmal schrecklich vermüllt und chaotisch auszusehen, wenn ich nach Aschbuch komme. Es ist kein entspanntes "nach-Hause-kommen".

Jetzt ist erstmal wieder Pause angesagt - der letzte Abschnitt diese Reise wird mit meiner Lisl sein und voraussichtlich ab 23.Juni stattfinden. Bis dahin...