Um halb neun bekomme ich, wie ausgemacht, von Carol Frühstück serviert. In der Nacht ist wohl das befürchtete Regengebiet schon durchgezogen - ist das nicht herrlich, wenn man davon nichts mitbekommt, nichts ins Trockene bringen muss und keine Ausrüstung festhalten muss? Die Straße ist noch naß und am Himmel hängen tief dicke Wolken. Bei 8 Grad und gut eingepackt geht es heute schon früh los.
Die Sträßchen sind wieder toll, aber der Übermut läßt auf sich warten.
Telefonzellen sind nur noch in Ausnahmefällen mit einem (funktionsfähigen?) Apparat versehen, entweder stehen sie leer herum oder haben sich in Büchertauschbörsen verwandelt.
Vor den Häusern stehen verschiedenfarbige Stapelboxen, das scheint hier die Mülltrennung zu sein.
Bald erreichen wir den Snowdonia-Nationalpark mit dem höchsten Berg Englands. Diesen Pass nehmen wir unter die Räder. Bei eisigem Wiind klettern wir das schmale, kaum befahrene Sträßchen bis auf 600 m hoch, fahren aber schnell wieder abwärts in windärmere Regionen. Dabei begegnet uns eine Horde Motorradfahrer und ein paar Rennwagen. Natürlich ist die Landschaft hier wieder atemberaubend: uralte, vermooste Bäume, unendliche Seen, braune Hochmoore und ab und zu sogar blanke Felsen.
Um die Mittagszeit hat die Sonne den Himmel zurückerobert, während wir schon bald unser heutiges Ziel Porthmadog, ein hübsches Küstenstädtchen, erreichen. Einen kurzen Blick kann ich auf eine historische Eisenbahn erhaschen, die dampfend auf einem gemauerten Damm den Strand entlang fährt. In einem kleinen Bistro kann ich in der Sonne auf der Straße sitzen - jetzt ist es richtig warm! Heiße Schokolade und die Tagessuppe tun ein Übriges. Endlich kann ich auch ein paar Postkarten (ja, das gibt es noch!) schreiben. Beim Bäcker kann ich nicht vorbei, ohne Scones zu kaufen. Da ich hier kein Geld getauscht habe, muss ich mit Karte zahlen, was hier 2 Pfund extra kostet. Die Dame erläßt mir freundlicherweise die Gebühr, sehr nett! Dann suchen wir die Campingplätze am Strand, ein paar Kilometer außerhalb, auf. Ich weiß, daß sie geschlossen sind, hoffe aber trotzdem auf eine Möglichkeit. Unsere Etappenziele richten sich mittlerweile nicht mehr nach Entfernung sondern nach Übernachtungsmöglichkeit und Wetter.
Beim ersten Campingplatz führt ein Sandweg zum Strand, wo sich eine feste Piste gebildet hat. Obwohl dort einige Autos herumfahren oder geparkt haben, möchten wir nicht das Risiko eingehen, daß die Lisl sich festfährt. Vor den Toren des zweiten Campingplatzes schlängelt sich ein schmaler Fußweg durch die Sanddünen - ein paar Meter darf die Lisl hineinfahren, dann stelle ich sie ab. Ich selbst finde ca. 100 m weiter, außer Sichtweite) ein sandiges Plätzchen auf eiiner Düne zwischen Dünengras. Natürlich halten keine Heringe und zum Aufhängen gibt es erst recht keine Möglichkeit. Ich bin gespannt, wie die Nacht in der Koje verläuft.
Entspannung in der Abendsonne bei Meeresrauschen.