Freitag, 18. Oktober 2024

Hardknott-Pass: ein harter Brocken

Auch heute habe ich kaum geschlafen - ich habe mir die ganze Nachtmit behördlicher Kommunikation (die natürlicbh nicht wie vorgeschrieben funktionierte) um die Ohen geschlagen. Danach habe ich in dem viel zu warmen und stickigen Zimmer auf das Sandmännchen gewartet. Kurz nach zehn bin ich dann wieder mit der Lisl vereint auf der Straße. 

Wäre es trocken, ohne Laub und hätte nicht so viel Gegenverkehr, wären die ersten Kilometer Richtung Pass eine supergeile Motorradstrecke! Auf und ab, links und rechts, schnell und langsam, so geht es dahin! Wir schlagen halt wieder unser vorsichtiges Alt-Damen-Tempo an.

Der Pass: Mehrfach werden wir mit allen möglichen Schildern gewarnt, aber ich hab mir den Pass in den Kopf gesetzt, also wird jetzt auch gefahren. Das Sträßchen ist zwar asphaltiertaber in so schlechtem Zustand, dass mancher Schotterweg besser wäre. Die Oberfläche ist furchtbar bucklig und es gibt tiefe längsverlaufende Auswaschungen. Ich glaube, die 30% Steigung sind ziemlich untertrieben, manchmal scheint Lisls Vorderrad kaum noch Bodenkontakt zu haben. An den steilsten Stellen sind dann hinterlistige Kurven eingebaut...ich komme ordentlich in's Schwitzen. Ein Glück, daß uns hier niemand entgegen kommt, das wäre nicht gut gegangen! Anhalten wäre absolut unmöglich gewesen. Bis auf 450 m kämpfen wir uns in den unteren zwei Gängen auf den Sattel hinauf. Die Landschaft ist atemberaubend schön, der verwelkende Farn malt die schwarzen Felsen ockerfarben an. Dazwischen stürzen sich kleine und größere Wasserläufe über die Felsstufen hinunter. Man kann diese Schönheit nicht mit Bildern einfangen, man muss sie inhalieren! Der Abstieg ist ähnlich herausfordernd, oft langsamer als Schritttempo zirkelt die Lisl abwärts. Manchmal denke ich, ich müßte sie um die Kurven tragen, so eng sind diese. Es fühlt sich fast an, wie "am Berg wenden". Im Tal angekommen, werden wir mit einigen Kilometern ähnlich schöner Kurvenstrecke wie zu Beginn und sogar etwas Sonnenschein belohnt.

Die ersten 30 km haben ganz schön Zeit gekostet, waren aber das Abenteuer auf jeden Fall wert! Weiße Schafe mit schwarzen Köpfen (Scottisch Blackface) kenne ich schon aus meiner Jugend. Aber hier oben gibt es auch das Negativ dazu - schwarze Schafe mit weißen Köpfen. Und alle Kombinationen und Schattierungen dazwischen. Selbst die Kühe sind außergewöhnlich, ihr wolliges dunkelbraunes Fell weist EINEN Zebrastreifen auf.

Um die Mittagszeit erwischt uns dann ein dickes Regengebiet, es gießt wieder mal aus Kübeln und wir entkommen der Dusche heute nicht mehr. Gelegentlich muß Petrus wohl kurz Luft holen, aber dann dreht er den Hahn wieder auf. Einen schlimmen Guß umgehen wir an der Tankstelle, wo Lisl sich mal wieder ein Kompliment einfängt (nice bike). Ein kurzer Smalltalk mit einem "blood rider" (Bluttransporteur), der natürlich auch mehrere Motorräder hat. Kurz hinter Carlisle gibt es mal wieder eine Straßensperre mit Umleitung, der wir brav folgen. Das Ende wird durch 2 Schilder gekennzeichnet "Umleitungsende" und "Straße gesperrt"! Und jetzt? Wir sitzen in der Zwickmühle und fahren bis zur endgültigen Absperrung. Dort treiben sich zwei Bauarbeiter herum, denen ich mein Leid klage. Tja, verlegen und verständnisvoll schaut mich der eine an - und jetzt? Er schaut die Lisl an, ich frage ihn, ob sie wohl durchkommt? Ja schon, aber er darf mich ja nicht durchlassen. Oder ja, vielleicht ausnahmsweise, wenn es keiner sieht und ich es niemandem sage, sonst bekommt er großen Ärger. Danke! Nirgends gibt es irgendwelche Bauarbeiten und am Ende der Absperrung wird mit unserer Ankunft extra eine Pylone entfernt.

Schon den ganzen Nachmittag habe ich das Gefühl, es wäre Abend, so düster ist es. Unruhig suchen wir nach einem Schlafplatz, aber wie immer ist nix zu finden, es gibt auch keine erschwingliche Unterkunft. Ein eventuell geeigneter Platz stellt sich als Holzfällerlager heraus, ne, da bleiben wir lieber nicht. Die wenigen Parkplätze am Straßenrand sind leider auch nicht zu gebrauchen,ein städtischer Parkplatz am Rand einer kleinen Ortschaft ist unsere letzte Chance. Es ist schon spät. An den Parkplatz für E-Fahrzewuge grenzt ein Spielplatz vor der Grundschule an. Es gibt einen kleinen Pavillon, dermich lockt. Es ist schon frech, hier das Lageraufzuschlagen. Ich hoffe, niemand verscheucht mich. Da morgen Samstag ist, wird wohl auch morgens kaum etwas los sein und ich störe hoffentlich niemanden.

Jetzt sitze ich endlich wieder in der Koje mit all ihren Nachteilen: die Aufhängungspunkte unter dem kleinen überdachten Platz sind zu nah beieinander, darum hängt die Firstleine durch. Kaum bin ich eingestiegen, schon geht das Unwetter los, heftiger Wind treibt den Regen hemmungslos unter unser Dächlein. Ich hoffe, daß Motorradstiefel und Helm trotzdem verschont bleiben, die Koje hat ja zum Glück noch Außenwände.