Freitag, 27. Dezember 2024

Stürmische Zeiten

Unverändert stürmt es die ganze Nacht, die Sonne wird landseitig von dunklen Wolken und meerseitig von dichten weißen Wolken verdeckt. Keiner hat mich in der Nacht gestört, aber jetzt will ich los, bevor der Trubel losgeht. Tarifa, der südlichste Punkt Europas, ist mein nächstes Ziel. Der Sturm bläst mir jetzt so stark ins Gesicht, daß ich den kurzen Fußweg vom Parkplatz zum Damm auf die Tarifa-Insel kaum voran komme! In Schräglage gegen den Wind taumle ich die Straße entlang wie total besoffen. Der Damm wird von Gischt und Wellen überschwemmt und auch ich bekomme jede Menge davon ab. Nicht nur Haare und Gesicht sind nass, sondern auch die Hose bis zu den Oberschenkeln ist klatschnass - als ob ich baden gegangen wäre. Die Anlagen auf der Insel kann man leider ohne Voranmeldung nicht besichtigen, also drehe ich um und bekomme die nasse Breitseite jetzt auf der anderen Körperhälfte. Am Ende des Dammes werde ich dann noch sandgestrahlt und der klebt herrlich an allen nassen Stellen!

Schon seit ein paar Tagen plane ich einen Ausflug nach Marokko. Die Fähre von Tarifa haben wir leider verpasst, die nächste geht erst in gut 3 Stunden. Da können wir auch nach Algeciras fahren, dort fahren sie fast stündlich. Auf der meist 4-spurigen Straße machen wir Strecke und die Klamotten werden vom Wind ganz schnell getrocknet. Ekelhaft sind nur die Windböen, die unter den Windschild des Helms geraten und mir den Kopf nach hinten reißen. Auf der Haut, in den Ohren und in den Haaren klebt der Sand richtig fest, die Brille hat einen Grauschleier vom Salzwasser.

Vor Algeciras herrscht ein unendlich langer Stau! Darauf haben wir gar keine Lust und schlängeln uns rechts zwischen Leitplanken und Fahrzeugen durch. Ich weiß nicht, wieviele Stunden wir sonst hier gewartet hätten! Um kurz vor 13 Uhr tanke ich in Algeciras vorsichtshalber noch einmal - man weiß ja nicht, wie es am ersten Tag in Marokko aussieht. Dann muß ich natürlich die Fähre buchen (zum Preis kommt noch eine unerwartete Servicegebühr hinzu) - die nächste geht um 14 Uhr, das sollte reichen. Ich bin rechtzeitig da und muss nun warten. Erst 10 min vor Zwei wird das Gate geöffnet und wir dürfen bis zum Schiff weiterfahren. Dort ist wieder warten angesagt. Ewig! Die Abfahrtszeit ist schon lange verstrichen und ich muß mal. Kaum bin ich verschwunden, geht es natürlich weiter - grrrr, jetzt muß ich mich wieder hinten in der Schlange einfädeln. Dafür darf ich an Deck wieder ganz nach vorn fahren, zu den Motorradparkplätzen. Aber auch jetzt legt das Schiff noch nicht ab. Mit knapp 2 Stunden Verspätung geht's dann endlich los. An Bord muß ich die Formalitäten der Einwanderungspolizei absolvieren - Passkontrolle und ein ausgefülltes Formular. Draußen war meine Kleidung mit Anorak unter der Motorradjacke ok, aber im warmen Innenraum dicht an dicht in der Schlange stehend läuft mir bald der Sschweiß von der Stirn. Die Jacken kann ich hier mangels Transportierbarkeit nicht ablegen.

Die Überfahrt ist erstaunlich ruhig, nur vor dem Hafen auf marokkanischer Seite sitzen wir wieder in der Warteschleifebis 18 Uhr. Dann warten wir weiter, bis wir von Bord dürfen - bis zum nächsten Polizeiposten. Und wieder ein paar Meter zum Zoll. Warten. Nach einer Unendlichkeit sind die Papiere kontrolliert und ein Zöllner fragt mich nach Dronen und Waffen, was ich natürlich nicht mitführe. War's das jetzt? Es folgen noch 2 weitere Kontrollposten, aber die passieren wir zügig. So - und jetzt?

Direkt hinter der Grenze werden SIM-Karten verkauft - 20 € für 40 GB kaufe ich. Dann noch Geld abheben - die ersten 3 Geldautomaten sind defekt bzw. offline. Aber es gibt ja noch ein paar. Ich bekomme "nur" 2000 MAD (Dirham), was etwa 200 € entspricht. Schauen wir, wie weit wir damit kommen.

Ich habe gestern abend noch ein Hostel gebucht, ganz nah am Hafen. Ob ich das in der Dunkelheit finde? Zumal das Navi anzeigt, daß das letzte Stück nicht befahrbar ist, obwohl in den Angaben stand, man könne dort parken. Jetzt beginnt das Abenteuer erst richtig: unser Ankunftshafen ist nicht dirket in Tanger wie angenommen, sondern über 50 km entfernt, auch wenn das Buchungsportal jetzt von "nur" 26 km Entfernung spricht (vermutlich Luftlinie)! Also bei Nacht in einem fremden Land in eine unbekannte Stadt fahren, das ist eine Herausforderung. Auf der Autobahn ohne Standstreifen stehen (oder fahren im Schritttempo) auf der rechten Spur immer mal wieder LKWs - zwar beleuchtet aber ohne Warnblinker. Das muss man erstmal wissen. Auch dass gelegentlich schwarz gekleidete Fußgänger einfach die Straße überqueren. Nach einer Stunde Nachtfahrt und Gewöhnung an rücksichtslosen Stadtverkehr will mein Navi in einen Parkplatz abbiegen. Während ich überlege, kommt ein Helfer angelaufen und meint, er könne mich zum Hostel führen. Der Parkplatz hier ist zu teuer (100 MAD pro Tag), er weiß einen kostenfreien Platz, näher am Hotel. Aber auch von hier aus müssen wir noch ein Stück durch die Medina laufen. Ich eile hinterher und verliere komplett die Orientierung. Das Navi funktioniert hier auch nicht mit ausreichender Genauigkeit. Mein Führer findet das Hotel auch erst auf Nachfrage und möchte dann natürlich entlohnt werden. Ich habe leider kein Kleingeld (20 MAD) und er zieht Euro vor. Leider habe ich nur einen Fünfer und herausgeben mag er nicht. Der Check-in im Hostel funktioniert nicht, meine Buchung scheint dort nicht angekommen zu sein, obwohl ich eine Bestätigung habe. Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich leicht eine Unterkunft näher am Hafen nehmen können! Ok, in der Nähe gibt es noch ein Hostel - das Mädel von der Rezeption führt mich hin. Jetzt bin ich völlig verloren, keine Ahnung, wo die Lisl steht. Im Hostel "Banana" ist wieder mal warten angesagt - ein Bett muss erst gemacht werden, ein Helfer für's Gepäck und Lotse zum Motorrad kostet extra 20 MAD - kein Problem. Aber irgendwie hat er keine Zeit oder vergißt mich, jeden falls dauert es ewig bis 21 Uhr. Dann große Diskussion, Khalid meint, der Platz sei eben nicht sicher. Aber er kennt einen anderen günstigen Parkplatz, allerdings noch ein Stück weiter weg. Er holt seinen Roller und wir bringen die Lisl zu einem verdreckten, bewachten Innenhof für 20 (statt 50) MAD pro Nacht. Gerade als wir den Gratisparkplatz verlassen, rollt eine Truppe belgischer Adventurebikes an, da hätte die Lisl gute Gesellschaft gehabt. Irgendwie ist mir schon lange nicht mehr wohl, ob das alles mit rechten Dingen zu geht. Na ja, jetzt geht's erstmal auf dem Roller und mit der erforderlichen Gepäckrolle zurück, der Rest bleibt bei der Lisl. Erschöpft, verschwitzt, durstig bin ich jetzt im Hostel. Schnell nochmal vor die Tür und ich finde einen Saftladen sowie eine Bude, die mir eine Burger mit Pommes verkauft. 23 Uhr - fertig.

Jetzt noch Blog schreiben und ab in's Bett!