Dienstag, 29. April 2025

Habe fertig?

Jim ist schon auf Arbeit als ich mich aus dem Schlafsack schäle und hinüber gehe in's Haus. Erland und Hilda haben ihre morgendliche Zigarette bereits hinter sich und nippeln jetzt am Kaffee. Mit einer Tasse Tee geselle ich mich dazu. Mit Hilda entspinnt sich noch ein intensives Gespräch (Erland hält sich zurück), das für mich sehr herausfordernd ist. Hilda spricht ziemlich viel und schnell. Sie benutzt viele mir unbekannte Worte. Immerhin verstehe ich doch im Großen und Ganzen den Zusammenhang und kann meinen Teil zur Unterhaltung beitragen.

Gegen halb zehn geht's dann auf zur letzten Etappe. In der Nacht hat es viel und ausdauernd geregnet, jetzt ist der Himmel nur bedeckt aber trocken. Leider bleibt das nicht immer so, im Laufe des Tages geraten wir in Eisregen und leichtes Schneegestöber. Ich wußte zwar, das dieses Wetter zu erwarten ist, habe das aber herrlich ausgeblendet. Immerhin habe ich jetzt ein Alibi, warum ich mit 4 anstatt 2 Rädern unterwegs bin. 2 von diesen Rädern sind leider schon sehr abgefahren - eine böse Überraschung. Die mittleren Stollen der Vorderreifen sind einfach weg! Abradiert! Ich bin allerdings nicht bereit, jetzt schon neue Reifen zu beschaffen....
Eingeklemmt zwischen LKWs rollen wir auf der E6 Richtung Narvik. Die vielen Tunnel empfinde ich diesmal sogar als angenehm, weil es dort wärmer und trocken ist. An der nächsten Tanke wird Odin mit seinem Hänger und der Trulla wieder mal intensiv beäugt und bewundert - der Bewunderer spricht mich im Verkaufsraum sogar darauf an. Wir sind halt mal wieder ein eyecatcher.

Ups, wir sind ja schon in Bogenes. Es ist 13 Uhr und die Fähre auf die Lofoten ist bereits im Anmarsch. Wir müssen nicht lange warten, bis wir die einstündige Überfahrt antreten können. Von Lödingen (auf den Lofoten) ist es nur noch ein Katzensprung bis nach Hause. Im letzten Supermarkt kaufe ich für die nächsten paar Tage ein und kurz vor 17 Uhr sieht Odin seine neue Heimat. 

Jetzt ist auspacken und "einwohnen" angesagt. Rundgang und Besichtigung eventueller Schäden, der Versuch, eingefrorene bzw. verrostete Schlösser zu öffnen, das Haus warm bekommen. Nachbar Björn kommt zufällig vorbei und ich erfahre auf die Schnelle die wichtigsten Neuigkeiten - da muss ich morgen nochmal nachfragen. Ist doch Einiges passiert...


Ist das das Ende? Ich bin nach 8 Monaten wieder in meiner Heimat angekommen - meine Lisl, mit der ich aufgebrochen bin, allerdings nicht. Also kann die Reise noch nicht zu Ende sein? Stimmt - der Plan sieht folgendermaßen aus:

  • ich bekomme für 2 Wochen lieben Besuch aus Schottland.
  • Hägar, mein seit 7 Jahren treues Quad , soll wieder zurück nach Deutschland um einen neuen Besitzer zu finden. Der geliehene Anhänger muss ebenfalls zurück. Dafür veranschlage ich ebenfalls ca. 2 Wochen Reisezeit.
  • es folgt ein zweiwöchiger Aufenthalt in Deutschland: Hägar verkaufen, Spezialmassagetermin und ein Wochenende mit Freunden.
  • dann beginnt auch für die Lisl der letzte Abschnitt der Heimreise - mit neuem Motor und einigen weiteren Reparaturen. Sie sollte wieder ganz fit sein.
Ich werde also während der Fahrten weiter berichten - dazwischen ist Sendepause.

Montag, 28. April 2025

Schon in Nordland!

Was für ein herrlicher Tag! Purer Sonnenschein, klare Luft und blauer Himmel. Aber sicher kalt... Der Körper ist in Form, nach einer Dusche und Morgengymnastik - um zehn Uhr kann es losgehen. Die Etappe wird heute nicht so lange, da ich das letzte Stück auf 3 Tage aufteilen musste, andernfalls hätte ich keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Ich bin nicht sicher, ob mein nächster Gastgeber in Rognan verstanden hat, wann ich kommen möchte. Ich überlege schon, notfalls einfach die Nacht durchzufahren, aber man wird sehen. Im Lauf des Tages wird der Termin aber bestätigt.

Unsere Fahrt ist weiterhin einsam durch die endlosen Weiten. Aber halt, ist das nicht ein getarnter Audi, der uns da entgegen kommt? Kurz darauf sichten wir die ersten paar Rentiere in der moorigen Sumpflandschaft, das sind die heutigen Highlights. Abgesehen natürlich von der grandiosen Berg- und Schneelandschaft, die sich auftut als wir uns gen Westen Norwegen nähern. Die Seen sind noch vollständig zugefroren und schneebedeckt, gelegentlich fahren sogar Snowscooter darauf herum. Herrlich - Sonnenschein, trockene Straße, phantastische Landschaft - fehlen nur die warmen Finger. Die Kälte hat ein Gesicht bekommen - weiß und Eis!

Diese Strecke bin ich tatsächlich noch gar nie gefahren! Ich habe sie gewählt, weil hier angeblich eine "grüne Grenze" ist, also ein nicht bemannter Übergang. Zuerst sieht auch alles ziemlich einsam aus, dann taucht auf norwegischer Seite ein großes Gebäude auf. Weit und breit niemand zu sehen, keine Ampel oder sonstige Behinderung. Fein - das haben wir gut gemacht! Bei der ersten "Circle K"-Tankstelle kaufe ich eine Kaffee-Klub-Mitgliedschaft damit meine heißen Kakaos oder Tees nichts mehr kosten - es ist eine Flatrate für Heißgetränke. Dieses Jahr rechnet sich das hoffentlich.

Um 16 Uhr treffe ich schon bei meinem Gastgeber Jim ein. Natürlich ist er auch Motorradfahrer - Goldwing. Warum überrascht mich das in Norwegen nicht? Ich bekomme einen Dachboden im Schuppen zugewiesen, der mit 3 Betten ausgestattet ist. Jim muß noch etwas Platz um den Treppenzugang schaffen und treibt auch noch einen Heizkörper auf. Später wetze ich mich im Wohnzimmer zu ihm und erfahre natürlich vieles aus seinem Leben und über Norwegen. Zum Beispiel, daß die Zollstation sehr wohl besetzt ist, die Dienstfahrzeuge in der Garage versteckt sind, man natürlich keine Mopeds reinschmuggeln darf und auch keinen Rhabarber (der hat er tatsächlich entdeckt). Man darf wohl keine fremde Erde einführen - wenn ich kontrolliert worden wäre, hätte ich Einiges entsorgen müssen. Glück gehabt. Oder dass er mehrere interessante Ausbildungen gemacht hat, bis er jetzt Lehrer für Machanik und Mathe an der Oberschule ist. Oder über seine Reisen, die hauptsächlich in Europa und in Windeseile stattgefunden haben. Es ist immer wieder spannend, wie verschieden die Menschen sind, die ich beim "bunkern" treffe.

Vergangenen Samstag gab es eine große Party - Jims Frau wurde 60, er ist gleich alt und so haben sie zusammen in großer Gesellschaft ihren 120-sten Geburtstag gefeiert. Ein bißchen Besuch ist noch übrig geblieben - Erland und Hilda. Die Männer haben ein tolles Abendessen zubereitet (Fisch, Kartoffeln, Salat). Die Unterhaltung hat so ziemlich alle Themen gestreift und ich habe intensiv versucht, wenigstens einen Teil davon zu verstehen. Ich habe mein Bestes gegeben, konnte sogar gelegentlich einen Beitrag leisten und bin nun sehr müde. Es regnet inzwischen in Strömen, was ich gar nicht mehr gewöhnt bin. Da muß ich Odin, leider verspätet, wasserfest machen und meinen Helm ins Trockene bringen. Morgen soll es wieder schön werden.

Sonntag, 27. April 2025

Lappland

Meine gestrige Entscheidung, aus 2 langen Fahrtagen 3 Tage zu machen - den Übernachtungsmöglichkeiten geschuldet - entspannen mich so stark, daß ich unwillentlich zu trödeln anfange. Darum sind wir heute erst um halb elf unterwegs.  Es ist bewölkt. Ob es heute wärmer ist als gestern ist eher eine "gefühlte Sache": entweder ist es halt schon wärmer, weil später am Tag oder die Ändeung meines dresscodes wirkt. Auf jeden Fall dauert es über eine Stunde, bis ich durchgefroren bin. Neuer Rekord!
Meine Gedanken sind an allen möglichen Orten und in allen möglichen Zeiten, nur nicht im Hier und Jetzt. Wie in Trance lasse ich mich von Odin auf den endlosen, langweiligen Streßen dahintragen.

Um 15 Uhr gönne ich mir eine lange Mittagspause mit Pizza und Kakao an der Tankstelle. Mir ist wieder warm - und der Himmel wurde gereinigt. Die Sonne lacht zwischen weißen Restwolken hindurch - wo macht das Fahren mehr Spaß! Die Schneefelder werden größer, auf den Seen fängt das Eis langsam an zu tauen, wir kommen nach Lappland.

In Sorsele habe ich ein Hotelzimmer gebucht für 550 SEK. Ich glaube, ich muss langsam lernen, daß die Preise nicht mehr wie vor 40 Jahren sind! Uups - ich habe vergessen zu tanken!? 2 km vor Sorlsele bleibt Odin stehen, der Range-Extender (Reservekanister) kommt zum Einsatz. Die Betankung kurz darauf bringt mir endlich gesicherte Erkenntnisse: Odin braucht 10 l / 100 km und der Tank fasst tatsächlich 20 l Sprit! Diese Erfahrung habe ich unbedingt gebraucht!

Das "Hotel" wirkt von außen sehr schäbig und verlassen. Die Tür ist verschlossen, es gibt 2 Schlüsseltresore, aber ich habe dazu keine Anweisungen bekommen. Also rufe ich die angegebene Telefonnummer an. Der Besitzer wohnt anscheinend im Nebenhaus, ist schnell da und freundlich. Innen ist das ehemalige Wohnhaus sehr gemütlich eingerichtet, es hat 4 Schlafzimmer, Küche, Bad und 2 Wohnräume. So kann man ein leerstehendes Haus auch sinnvoll nutzen. Ich bin einziger Bewohner - welch ein Luxus!


Samstag, 26. April 2025

Inlandsvägen

Heißes Wasser scheint in meinem "Wandererheim" ausgegangen zu sein. Ich bin geduldig und verschwende viel Wasser, bis es nach unendlich langen Minuten doch tatsächlich warm wird! Fast vergesse ich die Bezahlung, denn meist wird diese bereits im Buchungsvorgang eingezogen. Der freundliche Besitzer macht mich darauf aufmerksam - alles gut.
Nach einer leckeren Tasse Kakao machen wir uns um halb zehn auf den Weg - nur noch 1.250 km! Odin hat Frostbeulen auf dem Sitz und an den Lenkerstulpen...war doch gut, ein warmes Zimmer genossen zu haben.
Der lange "Inlandsväg" liegt vor uns, er führt zwischen Ostsee und norwegischer Grenze mitten durch das Land nach Norden. Eine einsame Straße mit wenig Verkehr, meist kerzengerade, durch endlose schwedische Wälder. Bald tauchen die ersten Schneereste auf -ich vermisse meine Griffheizung - brrr. Das Navi findet immer mal wieder eine kurze Alternativstrecke, die kaum länger ist, aber nicht so gerade und langweilig. Auf so einem Abstecher lockt ein Restaurantschild. Das Gebäude ist alt und nicht besonders attraktiv, der Eingang im Hinterhof gut versteckt. Auch drinnen muss ich mich erst orientieren - im Erdgeschoß findet sich ein mit Trödel vollgestopfter Verkaufsraum, das Restaurant ist im Obergeschsoß. Ähnlich wie mein Hotel zeigt auch dieses Haus seine Tradition, nichts ist perfekt aber alles hat Charme. Es geht sehr familiär zu, lustig. Aber das Essen ist wirklich sehr gut und hat einen erstaunlich "normalen" Preis, um es nicht sogar günstig zu nennen. Nach einer Stunde bin ich von außen durchgewärmt und habe einen Kalorienvorrat für die Körperheizung für vielleicht 1/2 Stunde?
An einer Tankstelle wird großmächtig auch Rum angeboten - ob Odin damit wohl besser läuft oder nur noch mehr säuft?

Wir sind so frei und machen früher Schluss. "Nur" knapp 360 km haben wir heute zurückgelegt. Eigentlich wollte ich noch bis Strömsund, aber etwa 70 km vorher bleibt mein Blick an einem kleinen Campingplatzschild hängen. Man kann ja mal fragen, was hier eine Hütte kostet...nur so zum Spaß.
Ein freundlicher Mann mittleren Alters, Niederländer, eilt herbei, wir führen ein nettes Gespräch. Eine einfache kleine Hütte soll 450 SEK kosten - ein stolzer Preis, aber nichts im Vergleich zum letzten Hüttenangebot. Verglichen mit dem Hostel von gestern (491 SEK) allerdings nicht ganz billig. Egal - es gefällt mir hier und billiger wird es sicher nicht, wenn ich nicht im Outback zelten will. Wir bleiben. Martin stellt beim Einbuchen fest, dass er mir einen falschen Preis genannt hat, ab diesem Jahr sollen die Hütten 500 SEK kosten. Ich bekomme natürlich den genannten Preis - das Schwabenherz ist beruhigt.
Die Hütte ist wie erwartet, es dauert ein wenig, bis der kleine Heizkörper den Raum aufgeheizt hat. In dieser Zeit schaue ich mir die Sanitäreinrichtungen an - der Duschraum ist herrlich warm! Anschließend noch einen kurzen Erkundungsgang durch den Wald zum angrenzenden Fluß. Die steifen Knochen und eingerasteten Gelenke sollen mal wieder etwas Bewegung bekommen.

Ich muss mir noch überlegen, ob ich die Route nicht doch ändere - auf der norwegischen Seite sieht es nach viel Schnee aus. Die Planung ist schwierig, da es keine geeignete Übernachtungsmöglichkeit für uns zu geben scheint. Wenn ich die Reststrecke auf 3 Tage aufteile, könnte ich vielleicht etwas finden.

Freitag, 25. April 2025

Kristallklar und -kalt

In meinem bestens beheizten Privathaus habe ich super gut geschlafen, wie ein Stein. Die drohende Erkältung hat sich über Nacht verzogen, nur ein klein wenig Kopfschmerzen sind geblieben. Vom blitzblauen Himmel strahlt eine goldene Morgensonne, die Luft ist so frisch und klar, mein Herz schlägt gleich viel höher! Ich verabschiede mich um 9 Uhr noch von Christian - er denkt, mein gestriges Gespräch mit seinem Sohn David hat vielleicht etwas bewegt. Wäre schön.

Ein wunderbarer Tag zum Fahren, nur die 3 Grad "Wärme" und ein eisiger Gegenwind aus Norden sind ein Wehrmutstropfen. Ich werde anscheinend alt, ich halte die Kälte nicht mehr so gut aus. Odin hat (noch) keine Griffheizung, darum kriecht die Kälte durch die Lenkerstulpen in die Finger und von dort aus in die Knochen. Ich verkrieche mich in mir selbst, ziehe gedanklich alles zusammen und versuche so, wenigstens meine Mitte warm zu halten. Zum Glück ist Odin ja ziemlich durstig, da bieten die Tankstops immer eine Möglichkeit, mich etwas aufzuwärmen. Die erste Tasse Tee (und ein paar Pommes zum "Frühstück") gibt es erst nach 11 Uhr - vorher bietet sich keine Möglichkeit.
Der Gedanke an meinen heißen Badestamp in Norwegen treibt mich an. Und ich freue mich riesig auf meinen ganz lieben Besuch aus Schottland, der in 2 Wochen eintreffen will.

Am Straßenrand in einer Ortschaft stehen zwei schwarz gekleidete Personen, die längliche Gegenstände in der Hand halten. Sofort schaltet mein Gehirn auf "Kolumbien" um und interpretiert: 2 Polilzisten mit Maschinengewehren. Beim Näherkommen entpuppt sich das Paar als Männlein und Weiblein in schwarzen Arbeitsklamotten, die eine Motorsense und einen Labubläser halten - ha ha ha!

Wo und wie werde ich die nächste Nacht verbringen? Zum campen ist es mir wirklich viel zu kalt! Die Bikergruppen geben leider nichts her, kein Gastgeber weit und breit zu sehen. Im Landesinneren von Schweden sind die Pins auf der Karte sehr dünn gesät, und das scheint in Norwegen nicht viel besser zu sein. Hostel? Scheint es nicht zu geben. Booking.com bietet bei Mora lediglich ein "Wanderer-Heim" für knapp 50 € an. Aber es gibt doch auch Campingplätze mit Hütten? Leider werden im Internet keine Preise angegeben, also viesiere ich einen Platz an und werde vor Ort nachfragen. Auch hier herrscht wieder das menschenlose Checkin-Verfahren - man kann lediglich eine Hotline anrufen. Immerhin ist am anderen Ende tatsächlich ein Mensch, die mir den Preis für eine kleine Hütte nennen kann: 850 SEK! Das sind fast 80 €! Nein danke. Jetzt muss ich wohl doch auf das Wanderer-Heim zurückgreifen und buche mich ein.

Noch etwa 2 Stunden Fahrt durch den schwedischen Wald und entlang unendlich vieler riesiger blauer oder moorbrauner Seen. Oh - es ist ja gar nicht mehr so kalt? Und die Sonne scheint weiterhin. Ein bisschen bereue ich schon die gebuchte Hotelnacht, aber laut Wetterbericht sind auch die kommenden Nächte saukalt. In Norwegen schneit es dazu noch. Ich beschließe also, das Hotel zu genießen. Es entpuppt sich (Check in auch über Telefon) als älteres Gebäude mit einigen Nebengebäuden mit herrlichem, schwedischem Flair. Viele gemütliche Sitzecken, Konferenz- oder Speiseräume. Mein Zimmer liegt im ersten Stock, direkt hinter den kleinen Küche, mit Blick auf den Hof, wo Odin und Trulla schlafen. Es wirkt, als ob ich das ganze Haus für mich alleine habe, man hört und sieht keine Gäste. Das Haus hat eine Seele, ich fühle mich wohl hier.

Beim Abendessen nehme ich an einem internationalen Quiz-Videocall teil, danach schreibe ich den heutigen Eintrag und dann wird geschlafen. Gute Nacht!


Donnerstag, 24. April 2025

Schippern

Ich habe auf der Fähre schnell einen ruhigen Platz im Restaurant gefunden, eine Bank in einer abgelegenen Ecke. Dort habe ich mich häuslich niedergelassen und alsbald schlafen gelegt. Die letzten Gäste haben sich schnell verzogen, es wurde ruhig, keiner wollte mich verscheuchen. Auch kein Schiffsdiesel zu hören, keine Wellen, kein Seegang. Es war schlicht und einfach viel zu ruhig - eine neue Ausrede, warum ich keinen Schlaf finde. So eine Mammut-Tour wie gestern werde ich nie wieder machen! Aber das habe ich schon öfters geschworen, ich kann mir selbst nicht mehr glauben.

Ab 5 Uhr gibt's Frühstück, da will ich dann auch nicht mehr schlafen. Ein oder zwei Stündchen war ich aber anscheinend doch weg.
Um sieben Uhr morgens betreten (oder besser befahren) wir schwedischen Boden. An der Grenzstation krame ich mühsam noch meinen Pass heraus, aber dann werden wir einfach durchgewunken. Morgendlicher Nebel empfängt uns an Land; er zwingt mich, die Brille aufzusetzen und den "Scheibenwischer" einzuschalten. So folgen wir eben blind dem Navi. Es ist frisch, ich vermmisse eine Griffheizung. Immerhin trägt Odin wenigstens Lenkerstulpen, die einen guten Dienst tun.

In Lund geraten wir in den Berufsverkehr und stehen ewig an einem Kreisel. Kurzerhand nehmen wir eine andere Ausfahrt und müssen dann durch die Stadt, was eigentlich nicht schlimm ist. Nur, wenn dort mal wieder genau die Straßen gesperrt sind, die wir bräuchten. Die Umleiterei hat den Vorteil, daß wir direkt an einem Lidl-Markt vorbeikommen, wo ich endlich ein günstiges Frühstück (wenn auch ohne warmes Getränk) bekomme.

Inzwischen hat sich der Nebel gelichtet und verzieht sich als hübsche Wölkchen am blauen Himmel. Die Sonne macht Laune, auch wenn die Luft eiskalt bleibt. Meiner Lisl wäre der Streckenverlauf vermutlich zu langweilig, weil viele gerade Strecken dabei sind, aber Odin kann hier wenigstens mal ein bißchen laufen. Er säuft genauso viel wie Hägar -  10 l auf 100 km! Und er gibt auch genauso an - wenn der Tacho starke 90 km/h anzeigt, sind es tatsächlich grade mal 80! Nur meine kleine Trulla, die mit dem Elektroantrieb und der begrenzten Reichweite...die hängt uns immer im Nacken und mußte noch kein einziges Mal nachladen! (ha ha)

In feinem Zick-zack führt uns das Navi ziemlich knapp der Luftlinie folgend nach Norden. Mir ist saukalt! Schon lange wollte ich was Warmes trinken, aber dafür ist Skandinavien nicht die richtige Ecke. Cafes oder Restaurants gibt's hier nicht. Heißgetränke kann man auf die Schnelle nur an den Tankstellen bekommen, aber die sind abseits der Hauptstraßen ebenfalls dünn gesät. Wenn schon mal eine Zapfsäule auftaucht, dann gut versteckt, einsam und verlassen, nur mit einem Automaten. Odin hat damit ein Problem, er hat schon wieder Durst!

Mitten im Wald, fast hätte ich es übersehen, lockt eine kleine Hütte auf einem Bauernhof mit dem Schild "Cafe". Drin ist es warm und einsam. Ein großes und vielfältiges Angebot an vielerlei Ess- oder Trinkbarem, Souvenirs oder Kleidung wartet auf Kundschaft - allerdings scheint man nur mit einer schwedischen Bankapp bezahlen zu können. Selbstbedienung. Irgendwann taucht dann doch zum Glück die Bäuerin auf und wir finden gemeinsam einen Weg, die 2,40 € den Besitzer wechseln zu lassen. Drei Straßenbauarbeiter wärmen sich und ihr Mittagessen auf. Vor dem Aufbruch lege ich noch eine Lage Kleidung zu - das ist jetzt das Maximum, was ich anziehen kann. Es ist immer noch kalt.

Duft von frisch geschlagenem Holz! Ich liebe ihn! Ah, da ist ein Sägewerk. Im direkt angrenzenden Birken- und Kiefern-Wald verströmen die noch stehenden Bäume ihren typischen Duft. Ein gestutzter Baum reckt mahnend einen Zeigefinger seiner übriggebliebenen Hand in den Himmel - was er uns wohl sagen soll? Interessant auch, welche Tiere sich hier auf dem Asphalt wärmen: Rehe, Hasen und Störche. Mittlerweile sind wir auf einem hügeligen und kurvenreichen Nebensträßchen angekommen. Der Geschwindigkeits-Schnitt sinkt drastisch, dafür steigt der Spaßfaktor. Als uns das Navi auf einen Schotterweg lockt, schlagen Odins und mein Herz höher, aber mit Rücksicht auf den Anhänger samt Inhalt verzichten wir auf das Vergnügen. 

Am frühen Nachmittag taucht dann tatsächlich eine Tankstelle mit Rastplatz auf - und die Sonne wärmt herrlich! Ich habe bereits angefangen, dauerhaft und heftig zu nießen - wird wohl eine fette Erkältung werden. Etwas aufgewärmt greifen wir die letzte Etappe an. Zur Mittagszeit habe ich 2 bike-bunker angeschrieben und tatsächlich eine Einladung erhalten! Die Adresse ist etwas schwierig zu finden, aber mittels modernem Telefon und altmodischem Winken finden wir zueinander. Christian hat ein kleines Gästehäuschen, das er bereits vorgewärmt hat. Eine heiße Dusche und eine Zeit vor dem bullernden Holzofen bringen die Wärme endlich bis ganz innen. Anschließend - es regnet jetzt! - bin ich zum Abendessen bei Kjötboller, Bratkartoffeln und selbstgemachtem Sauerkraut (und Fliedersaft) eingeladen. Mit dem 19-jährigen Sohn des Hauses entspinnt sich ein intensives Gespräch über Berufswahl, Weltgeschehen und Politik. Jetzt "muß" ich noch den Bürokram erledigen (auch bloggen), aber ich bin soooo müde, daß ich bestimmt die Hälfte vergessen habe.

Mittwoch, 23. April 2025

Deutschland ade

Schüsse schrecken mich kurz nach 6 Uhr aus dem Tiefschlaf! Jäger sind allerdings weder zu hören noch zu sehen. Mit schlafen ist es natürlich vorbei, also fange ich schon mal an zu packen. Die rotgoldene Sonne lugt schon zwischen den Bäumen hervor und taucht den See in herrliches Licht. Es fallen weitere Schüsse - nichts zu sehen. Das wiederholt sich nun regelmäßig - immer 3 Schüsse und dann eine Zeitlang Ruhe. Vielleicht ist das eine automatische Schußanlage? Die Schwäne und Enten scheinen sich mittlerweile nicht mehr daran zu stören.
Da die Reiseroutine noch fehlt und ich ja noch keine "Ordnung" habe, wird es doch fast halb neun, bis Odin vor sich hin donnert. Schon nach kurzer Fahrt wartet eine Sackgasse auf uns - Baustelle. Keine Umleitung ist ausgescchildert. Das scheint jetzt Mode zu sein, denn dieses Schicksal ereilt uns heute mehrfach!

Wir passieren hübsche kleine Weiler, wo die Zeit seit meiner Kindheit stehen geblieben zu sein scheint. Traditionell gebaute Höfe, ein Feuerlöschteich mitten im Dorf, liebevoll gestaltete Gärten, dazwischen ein paar glücklkiche Hühner. An Mauern, in Beeten, Hecken und Obstbäumen explodiert die Blütenpracht. Außerorts fahren wir durch knallgelbe, intensiv duftende Rapsfelder, durch noch kahle Weinberge, vorbei an brachliegenden braunen Feldern, Alleen mit jungen und alten Bäumen und alle Sorten Wälder. Haben wir gestern das Fichtelgebirge überquert, so  ist heute der Harz dran. In den neuen Bundesländern wird die Landschaft bald ebener, häßliche Windparks stören meinen Frieden. Odin darf nun zeigen, daß er nicht nur ziehen sondern auch rennen kann. Der Himmel ist nun meist bedeckt und es ist nicht besonders warm - mich fröstelt.
So langsam gewöhnen Odin und ich uns aneinander. Mein Händler Hans hat auf die Schnelle noch eine Bedienungsanleitung für das Display aufgetrieben, was unsere Kommunikation unwahrscheinlich fördert.

Nach einer kurzen Vesperpause steigt am Nachmittag nicht nur die Temperatur sondern auch die Zahl der Insekten und damit auch die Zahl der Einschläge im Gesicht und auf der Brille. Dementsprechend sinkt mein Durchblick. Vielleicht habe ich auch deswegen Odins immensen Durst übersehen? Auf den letzten Tropfen finden wir wieder eine Tankstelle - ach, bin ich doch von der Lisl verwöhnt!
Aschersleben umrunden wir weiträumig gefühlt ca. 3 mal - von allen Seiten sind die Zufahrtsstraßen gesperrt und es gibt auch keinen Weg darum herum. Irgendwann finden wir uns dann doch nördlich der "geheimen Stadt" und können wieder die korrekte Richtung einschlagen.

Gegen 15 Uhr haben wir erst etwa die Hälfte der geplanten Tagesstrecke absolviert. Ich bin todmüde und eigentlich würde mir ein Mittagsschlaf guttun. Ich sitze und fahre, fahre und sitze, während Odin rennen darf. Ich verlasse mich auf ihn. Als er wieder Durst bekommt (ich konnte jetzt ausrechnen, daß er 10 l / 100 km braucht), gönne auch ich mir eine Cola gegen einschlafen. Bei der Gelegenheit buche ich jetzt gleich die Fähre - sie legt kurz vor Mitternacht ab, aber wir haben immerhin noch über 4 Stunden Fahrzeit vor uns. Mir graut. Der (Gas-)Daumen ist steif, das Sitzfleisch und der Rücken schmerzen - man sitzt halt anders als auf der Lisl. Ungewohnt. Auch in Rostock müssen wir wieder ewig umherirren, bis der richtige Ausgang zum Hafen zugänglich ist; mittlerweile wird es dunkel.

12 Stunden im Sattel, 568 gefahrene Kilometer, 2 kurze Pausen...meinen Rücken spüre ich inzwischen gar nicht mehr. Um 9 Uhr abends sind wir endlich am Hafen angekommen. Der Check-in funktioniert "inhuman", d.h. alles muss man mit dem Automaten aushandeln. Wie wollen die denn prüfen, ob ich bei der Buchung nicht geschwindelt habe? Schließlich zahle ich für Odin den Motorradpreis - Quads sind nicht vorgesehen. Man wird sehen - kurz vor Mitternacht verlassen wir hoffentlich planmäßig das Land. Bis dahin ist frieren bei eisigem Wind im Hafen angesagt.