Dienstag, 8. Juli 2025

Schlußwort(e)

Am Freitag abend (4.7.25) bin ich ziemlich ausgelaugt aber sehr zufrieden nach Hause gekommen. Auch die Lisl ist zufrieden, zuverlässig und findet sofort ihren Stall. Als erstes müssen natürlich Wasser und Strom wieder angestellt werden. Eigentlich wollte ich das Gepäck erst am nächsten Tag versorgen, habe dann aber doch noch alles sofort zumindest abgeladen und auf der Terrasse verstreut. Einiges benötigte sofortige Aufmerksamkeit. Parallel dazu lauschte ich dem wöchentlichen Quiz meiner englischen Freunde - es war also eine geschäftige Ankunft.

Die folgenden Tage sind nicht weniger angefüllt: ein Besuch am Hafen in Tårstad, auspacken (aber noch nicht putzen), Badestamp füllen und heizen, meterhohes Gras mähen und dann kommt noch lieber Überraschungsbesuch - Calvin! Am Sonntag haben wir unser reguläres Zoommeeting einer Lerngruppe, Packsäcke reinigen, Gras entsorgen, Unkraut jäten - übrigens: mein Garten ist mittlerweile explodiert und produziert sogar einiges Essbare! Und heute kommt der nächste liebe Besuch an!

Aber nun ein Rückblick:
Eigentlich muss ich die Reise "Winter im Süden" in 2 Abschnitte unterteilen. 

Der Erste entspricht dem Titel, wobei (von hier aus gesehen) sogar Schottland "Süden" ist! Die Fahrt ist überschattet von viel Regen und Kälte, was mich veranlaßt, "bunk a biker" zu nutzen. Das ist eine weltweite Gruppe von Motorradfahrern, die anderen Unterstützung bieten - nicht nur Information oder handwerklich, sondern insbesondere Übernachtungsmöglichkeiten. Meist wird man sogar verpflegt. Meine ersten Anfragen sind noch von Skepsis begleitet, aber bald fühle ich mich sehr wohl, lerne viele sehr interessante Menschen kennen und bin äußerst dankbar für diese Idee! Es ist total spannend, wie unterschiedlich die Gastegeber sind, welche Lebensgeschichten sie haben und welche Beweggründe, anderen Unterkunft zu gewähren. Diese Erfahrung hat der Reise eine ganz andere Färbung gegeben als meine bisherigen Reisen.

Besondere Abenteuer oder Vorkommnisse? Im Vergleich zu meinen bisherigen Abenteuern geschieht nichts weltbewegend Neues. Die Suche nach neuen Reifen ist immer wieder herausfordernd, ein Problem mit Getriebeölverlust, das ich nicht selbst lösen kann und ein verschlissenes Lenkkopflager sind einfach Lisls Alter geschuldet. Meinem Alter geschuldet sind vielleicht gesundheitliche Probleme, die ich im Januar bekomme - heftige Schwindelattacken und Dauerschwindel wollen leider auch nach Wochen nicht verschwinden und zwingen mich letztendlich zur Aufgabe. Auf halber Strecke - in Sizilien - beschließe ich dann, mit meinem lädierten Kopf und Lisls lädiertem Lenkkopf nach Deutschland zu fahren, wo wir Anfang Februar ankommen. Vor uns hätten noch Griechenland und die osteuropäischen Länder gelegen, aber irgendwie hatte ich auch keine richtige Lust mehr - auch ohne gesundheitliche Themen. Die Luft ist raus. Summa summarum waren das 5 Monate "im Süden".


Der zweite Teil handelt um verschiedene Aktivitäten und Aufenthalte mit Deutschland als Basislager, wobei der Reisefaktor und Norwegen natürlich nicht zu kurz kommen. Einige Arzttermine bringen leider kaum Erleuchtung und da ich im Februar noch nicht nach Norwegen reisen kann (zuviel Schnee und Eis), besuche ich kurzerhand für 2 Wochen einen neuen guten Freund in Schottland. Das war wohl die beste Therapie, denn danach ist der Schwindel verschwunden! Wieder in Deutschland kümmere ich mich um Lisls Gesundheit: neues Lenkkopflager und ein "neuer" Motor. Die Behandlung dauert ebenfalls ca. 2 Wochen - im Endeffekt braucht die Lisl nun 2 l/100 km weniger Sprit!

Mitte Mai soll ich in Norwegen sein, denn da hat sich der schottische Gegenbesuch angekündigt. Inzwischen gibt es ein paar Überlegungen zum Fuhrpark: ein kleines elektrisches Moped begeistert mich so sehr, daß ich es kaufe und sogar mit in den Norden nehmen möchte. Hägar - mein treues Quad in Norwegen- ist in die Jahre gekommen, ich möchte ihn eintauschen gegen einen neuen Gefährten - Odin. Der Reiseplan ändert sich daher kurzfristig: neues Quad mit dem kleinen E-bike auf dem Anhänger nach Norden fahren (Eis und Schnee sind da kein Hindernis), Besuch empfangen und genießen, Hägar mit leerem Anhänger wieder nach Deutschland bringen und verkaufen und dann endlich die Lisl zurück nach Norwegen chauffieren. Nimmt ganz schön viel Zeit in Anspruch, ist aber auch "reisen" mit Spaßfaktor. Diesem zweiten Teil (ebenfalls 5 Monate) würde ich den Titel "Alles neu macht der Mai?" geben.


Zusammengefasst:
In 306 Tagen (10 Monate), 35.755 km zurückgelegt, neue Freunde gefunden, happy!



Freitag, 4. Juli 2025

Angekommen

In der Nacht hat es fast ununterbrochen gegossen. Von oben hat das Zelt gut dicht gehalten, aber am Boden sind einige Pfützen entstanden. Da es weiterhin düster aussieht, ist nicht an trocknen zu denken und ich muß das Zelt klitschnaß einpacken. Die Lisl springt erstaunlich gut an, wir müssen uns eben erst zusammenraufen. Ihr "neuer" Motor braucht deutlich weniger Sprit, aber dafür zum Starten anscheinend einen Choke. Etwa eine halbe Stunde können wir fahren, bis wir die nächste Fähre erreichen. Die Wartezeit bis zur Abfahrt kann ich gut für die Morgentoilette nutzen - kaum fertig wird auch schon beladen. Gutes Timing. Nicht alle Fahrzeuge schaffen es diesmal auf die Fähre - zu voll. Wir sind ja zum Glück klein und finden immer noch ein Plätzchen.

"Einfach fahren" ist heute das Motto, das Wetter wechselt ständig und unvorhersehbar. Es ist nicht der übliche norwegische Dauer-Nieselregen, sondern heftige Regenschauer überfallen uns, während hinter der nächsten Kurve die Sonne wieder unschuldig lacht.

Ein Parkplatz mit toller Aussicht lockt zum Fototermin. Der Meinung sind auch die 5 BMW-Schweden, die gestern mit auf der Fähre waren. Heute eilen sie herbei, bewundern die Lisl, fotografiern und sind sehr an unseren Abenteuern interessiert. Es wird viel gelacht und fachgesimpelt, in mehreren Sprachen.

478 km haben wir heute zurückgelegt - normalerweise eine Strecke von 1,5 bis 2 Tagen! Ein Mammut-Tag. Aber gegen Ende eines Abenteuers mobilisiert man dann doch wieder alle Kräfte und es zieht uns nach Hause. Um halb acht abends haben wir es geschafft, nun ist auch die Lisl wieder zu Hause!
Ein wild wuchernder Garten empfängt uns, um den muss ich mich morgen kümmern. Heute wird nur noch grob ausgepackt und EIGENER Salat verspeist. Mittlerweile ist der ganze Körper übersät von den geröteten und geschwollenen Flecken dieser beißwütigen Mücken, die mich die letzten Tage so geqält haben; das Nachspiel wird noch ein paar Tage dauern.

Ich sollte noch eine Zusammenfassung der gesamten Reise machen - in den nächsten Tagen. Gute Nacht!

Donnerstag, 3. Juli 2025

Fährenhopping

Um sechs Uhr bin ich wach - das ist mir zu früh zum Aufstehen. Um sieben Uhr? Ja, das paßt. Um 7:40 Uhr geht die Fähre. Jetzt lerne ich, wie lange ich wirklich brauche: selbst ohne Morgentoilette ist es 7:37 Uhr bis ich aufsitzen kann, aber da biegt die Fähre schon um die Ecke. Ich bin 5 min zu spät und die Fähre 5 min zu früh. Na gut, dann wird halt jetzt erstmal gewaschen und wir nehmen die Fähre 1 h später. Zum Glück sind auf dieser Fähre alle Parkplätze überdacht, denn das Wetter heute ist sowaas von unzuverlässig! Bereits während der Wartezeit habe ich die Regenhose anziehen müssen und auch Tankrucksack und Navi-Handy abgedichtet. Die Luken werden heute einfach mal dicht bleiben. Hinter jeder Kurve ändert sich das Wetter, so schnell kann man gar nicht schauen. Geschätzt haben wir aber mehr Sonnenschein bzw. Trockenheit als Nieselregen. Von heftigem Regen bleiben wir verschont.

Frühstück? Kaffee? Ist heute wohl Fehlanzeige. Es gibt nur Tankautomaten ohne shop - leider den ganzen Tag, so daß ich aus lauter Verzweiflung während einer längeren Fährfahrt einen Hotdog für 7 € kaufe, um wenigstens etwas Warmes zu bekommen. Die "17" zeichnet sich durch Abwechslung aus, nicht nur, was dasd Wetter angeht. Der Wechsel zwischen Straße und Fähre fiindet alle paar km statt, am Hafen trifft man sich wieder, falls man nicht ohnehin im Konvoi unterwegs war. Zum Glück dürfen Motorräder inzwischen immer als erstes die Fähren verlassen. Damit wir aber nicht zwischen oder gar hinter die anderen Fahrzeuge fallen, werden Fotopausen storniert - keine Bilder. 

Einen großen Teil unserer heutigen Strecke legen wir schwimmend zurück. In Sandnessjøen muss ich mich für Fähre oder Straße entscheiden. Die Straße führt weit um den Fjord herum, die Fähre legt allerdings erst in 2 Stunden ab. Meine Wahl fällt auf Straße - im Endeffekt sind wir damit 1 Stunde schneller.


Eine kleine Anekdote über den genialsten  Autofahrer ever: auf dem Supermarktparkplatz sind neben mir 3 Plätze frei. Ein Herr in meinem Alter zielt auf den mittleren, scheint aber damit nicht zufrieden zu sein. Anstatt wieder auf die Durchfahrt zurückzusetzen stellt er sich quer über die 3 Plätze, kurvt dann über die Zufahrt und parkt rückwärts ein. Weiter, weiter, weiter - bums! Dort steht ein VW-Bus mit Anhängerkupplung, die er rammt. Aussteigen, schauen, nichts zu sehen. Also wieder vorfahren - aber mindesten 2 m und dann wieder zurücksetzen - wieder bums! Dann ist es ihm wohl zu dumm geworden und er ist unverrichteter Dinge davongefahren.

Auf der letzten Fähre habe ich einen Rastplatz ausgespäht, der überdachte Sitzgarnituren hat - das ist mein heutiger Anlaufplatz. Vermutlich werden dort viele Wohnmobile stehen, aber um die kommen wir ohnehin nicht herum. Vom letzten Anlegeplatz, Jektvik, ist es nicht mehr weit, führt allerdings durch ein paar Tunnels. Direkt hinter dem letzten Tunnel liegt der Platz direkt am Fjord - und...es regnet Schnürl! Unterm Dach ist noch frei und direkt daneben gibt es auch einen Platz für die Lisl und das Zelt. So packe ich erstmal alles unters Dach und als es kurz darauf aufhört, ins Zelt. Dummerweise kommen die Myriaden von Kriebelmücken auch hier wieder irgendwo her.

Meine Nachbarin - mit Auto und Zelt - bringt mir einen Topf mit Spaghetti und Hühnchen. Sie hat zuviel gekocht und würde es wegwerfen, falls ich es nicht esse. Da lasse ich mich nicht zwei mal bitten!


Die "seven sisters" sehen aus wie 7 Gipfel in einer Reihe, sind aber tatsächlich 7 verschiedene Berge, die hintereinander stehen.

Eine schwedische Gruppe BMW-Fahrer (Lisls Enkel und Urenkel) warten darauf, daß die Schranke fällt und das Rennen beginnt!

Mittwoch, 2. Juli 2025

N17 - Helgelandskyste

In der Nacht habe ich wegen der Kälte nur wenig geschlafen, dafür erst am Morgen. So wird es spät, bis ich aus den Federn komme. Die Kriebelmücken sind leider auch schon wach und das Packen wird zur Tortur. So ein ständig wedelnder Pferdeschwanz, ein Vollbart oder lange Haare vor dem Gesicht wären jetzt toll. Ausgerechnet heute mag auch die Lisl so gar nicht anspringen. Der Batteriezustand macht mir schon Sorgen, als sie dann doch mühsam in die Hufe kommt. Wir hätten sonst ganz schön blöd dagetsanden, den gnzen Morgen sind lediglich 2 Autos vorbeigekommen. Das Rätsel löst sich bald, als wir uns unvermittelt auf einer breiten, frisch gesplitteten Erdstraße wiederfinden. 25 km ist dieser Abschnitt lang, die Schafe fühlen sich hier heimisch und die Lisl paßt ihre Geschwindigkeit der Ruhe an. Wieder auf Asphalt angekommen, tingeln wir genüßlich ein liebliches Sträßchen den Beitstadfjord entlang.

Nach einer längeren Frühstückspause treffen wir Punkt 12 Uhr bei Steinkjer die Nationalstraße 17, die uns sehr lange an der schönen Helgelandküste entlang führen wird. Über uns türmen sich die unterschiedlichsten Wolken, als ob sie sich nicht richtig entscheiden könnten. Ab und zu bekommen wir auch ein Tröpfchen Wasser ab, jedoch ist es eigentlich trocken und manchmal sogar etwas sonnig. Die bekannte Straße ist viel befahren, Überholmöglichkeiten sind begrenzt. Umso mehr freut mich der Dampf, den meine betagte Lisl bei den Gelegenheiten immer noch an den Tag legt! Da Navi scheint die Nr 17 nur als Orientierung zu sehen und bietet uns immer wieder feine, abgelegene Alternativen an, die wir gerne annehmen; allerdings nur, wenn sie nicht allzu grob geschottert sind.

Überraschend und unüberlegt hält ein entgegenkommendes Wohnmobil mitten auf der Straße an, das folgende Auto zieht auf die Gegenspur, erkennt uns im letzten Moment und schert wieder ein. Das war knapp! Kurz darauf zwingt mich ein dringendes Bedürfnis an den Straßenrand - auch das war knapp (ha ha). Um 15 Uhr erreichen wir Nordland, meinen Heimat-Regierungsbezirk. Bis zum nördlichen Ende, wo meine Hütte liegt, sind es allerdings noch etwa 900 km! Ja, Nordland ist sehr lang! Wir werden also noch ca. 3 Tage brauchen.
Bei einem Fotostop schnauft ein radreisendes Pärchen mittleren Alters den Berg herauf. Der Mann erkennt sofort Lisls Marke und Modell und beginnt auf deutsch mit mir zu fachsimpeln.

Es ist noch nicht einmal 4 Uhr nachmittags, aber wir haben bereits genug Kilometer abgespult, als ich ein herrliches Plätzchen erspähe, das noch nicht besetzt ist. Es liegt zwar direkt zwischen Straße und Fjordkante, ist aber schwer einsehbar. Man kann die vorbeifahrenden Fahrzeug hören, aber sie stören kaum. Das Zelt steht etwas versteckt zwischen Büschen, die Wellen plätschern auf die flachen Felsen unter uns, die Sonne durchdringt immer wieder die Woken und gelegentlich spüre ich eine leichte Brise. Hier kann man es super aushalten! Die erste Fähre des Helgeland-kysteveien legt nur wenige hundert Meter von uns ab, da haben wir morgen gleich einen interessanten Start. Entspannung...

Dienstag, 1. Juli 2025

Naß!

Mein trockenes Dach über dem Kopf hätte lange nicht so exklusiv sein müssen! Es ist einfach schön, wenn man im Trockenen aufsteht, während es draußen wieder in Strömen gießt. Ich stelle mich auf einen nassen Tag ein. Darum dauert auch der Frühstückskaffee (super gut!) etwas länger - Vibeke, Olav und ich fachsimpeln ausführlich zum Thema Motorräder, insbesondere zu wasserdichter Kleidung. Danke Euch Beiden nochmal herzlich für die tolle Vollpension mit Familienanschluss.

Hoffentlich wasserdicht verpackt brechen wir erst gegen 10 Uhr auf. Nicht mal mehr 1500 km!? Für die kommende Nacht konnte ich leider kein Dach überm Kopf finden - schauen wir mal, was der Tag so bringt. Im Moment gibt es jedoch keine guten Aussichten - weder optisch (die Landschaft verschwindet hinterm Regenschleier) noch zeitlich (der Wetterbericht kündigt erst für morgen etwas Trockenheit an). Vermutlich wird es daher heute keine Fotos geben. Eigentlich sind wir ja total regenerfahren, denn wenn wir unsere Antennen ausfahren, bleiben die Regenwolken immer daran hängen. Olav meinte, wir sollte uns viel Zeit lassen, damit das umfangreiche Regengebiet uns überholen kann. Ich halte es lieber mit Till Eulenspiegel und lache im Regen, denn irgendwann wird die Sonne ja wieder kommen (müssen).

Olav hat die Route für gut befunden, die mein Navi geplant hat und Vibeke warnt mich noch vor vielen Verkehrskontrollen in der Gegend. Da wir jedoch möglichst kleine Ab- und Umwege fahren, bleiben wir zum Glück davon verschont.

Schon bald sind die Handschuhe klitschnass, aber dank Lenkerstulpen und Griffheizung bleiben die Finger wenigstens warm, wenn sie auch total aufgeweicht sind. Mein Regenanzug ist nach 13 Jahren auch nicht mehr ganz dicht, die Feuchtigkeit zieht an den Rändern nach innen.

Wir legen heute öfters eine Pause ein, um ein wenig trockene Luft atmen zu können. Noch am Vormittag bringt die erste Pause etwas Erleichterung, denn als wir nach einer halben Stunde wieder aufbrechen, hat zumindest der Regen von oben vorerst aufgehört. Werden wir übermütig? Olav hat uns vor einem Streckenabschnitt gewarnt, es sei eine sehr schmale Küstenstraße entlang steiler Felsen, die von vielen dicken Wohnmobilen befahren wäre und unangenehme Überraschungen bereit hält. In Kykrkesæterøra (toller Name!) müssen wir uns entscheiden - da mittlerweile der Regen wider eingesetzt hat, nehmen wir die vernünftigere Hauptstraße in Richtung Trondheim und legen nochmal eine Regenpause ein. Es ist tatsächlich danach von oben trocken, aber die Straße ist so naß und viel befahren, dass die von den Fahrzeugen aufgewirbelte Gischt die Sicht fast noch mehr behindert. Sehr bald schon schließen wir auf eine kilometerlange Autoschlange auf, die von einer Handvoll schleichenden Wohnmobilen angeführt wird. Etwa 10 km müssen wir nun im Blindflug hinter der weißen Wand eines dieser Dinger hinterherzockeln. Stress pur! 

Endlich führt uns das Navi auf ein abgelegenes Nebensträßchen. Die "wasserdichte" Hülle des Telefons, das ich zum navigieren benütze, sorgt dafür, daß das eingedrungene Wasser nicht mehr abläuft und die Wasserblasen willkürlich die App ein- und ausschalten. Dagegen hilft zwar trockenlegen, aber kurz darauf versagt die Stromversorgung. Auch hier habe ich als Rückfalllösung einen anderen Kabelanschluss, der aber viel zu heiß wird. Schließlich wird das Handy gar nicht mehr geladen, der Ladeanschluss sieht etwas verschmort aus. Als schnelle Lösung verwende ich nun vorerst mein anderes Handy.
Trondheim umfahren wir, indem wir Richtung Westen an die Küste abbiegen und eine Fähre über den ziemlich viel befahrenen Trondheimsfjord nehmen. Vor uns taucht jetzt sogar blauer Himmel mit Sonnenschein auf. Ob das lange hält? Sollten wir heute keine geeignete Übernachtungsmöglichkeit finden, werde ich einfach so lange weiterfahren, bis mein Anzug trocken ist (im Zelt trocknen ist unmöglich) - es wird ja nachts nicht mehr richtig dunkel. Seen und Flüße sind weit über die Ufer getreten, Wiesen und Felder stehen unter Wasser, der Boden ist abgrundtief aufgeweicht.

Wünschen und visualisieren für einen geeigneten Zeltplatz funktioniert wieder einmal super - Punkt 18 Uhr taucht genau das auf, was ich brauche: fester, trockener Untergrund, möglichst sauber. Es ist ein Stückchen alte Asphaltstraße die um eine neue Brücke herumführt. Nebenan rauscht ein Bach - für das Waschwasser unabdingbar, denn ich muss jeden Packsack waschen, bevor ich ihn anfassen kann. Der Straßenschmutz der letzten 2 Tage sitzt in jeder Ritze. Die Mikro-Stechmücken fühlen sich natürlich schon deutlich vor mir pudelwohl im Zelt, insofern schließe ich das Moskitonetz nur pro forma. Während der ganzen Aufbauzeit hat uns noch kein einziges Fahrzeug passiert, wir können also eine ruhige Nacht erwarten.

Montag, 30. Juni 2025

Geiranger

Die Überschrift ist unser heutiges Highlight! Aber der Reihe nach...
Nach dem gestrigen "Ruhetag" im Zeltgefängnis kann ich heute schon früh aufstehen, so daß berreits kurz nach 8 Uhr Aufbruch ist. Knapp 400 km liegen vor uns, ein strammes Programm. Der Wetterbericht hat zwar hier für heute Trockenheit angekündigt, nicht aber weiter nördlich. Darum habe ich gestern in Kristiansund noch eine Übernachtungsmöglichkeit klar gemacht. Zeltboden und Unterlage sind leider immer noch nicht ganz trocken, dicke Wolken hängen noch tief zwischen den Bergen, aber Wind und Regen sind verschwunden. Die Regenhose bleibt im Gepäck, dafür kommt die lange Unterhose heute zum Einsatz. Der Dresscode erweist sich im Laufe des Tages als perfekt.

Den ersten Kaffee gibt es tatsächlich schon in der Ortschaft. 17 Serpentinen (ich habe mitgezählt!) und ein paar weitere Kurven führen uns sofort auf 450 m Höhe hinauf; mit weiteren 4 Serpentinen und noch mehr Kurven erklimmen wir die 1300 m Marke. Genau hier beginnt die Wolkendecke, die Luftfeuchtigkeit ist "sehr hoch", was bedeutet, daß einige Regentropfen fallen. Zuviel zum trocken bleiben, zu wenig, um die Regenhose anzuziehen. Bei 6 Grad trollen wir uns über das mit vielen dicken Schneefeldern bedeckte und mit vereisten Seen und Pfützen gespickte Sognefjell und schlängeln uns zwischen dichtem Touristenverkehr hindurch. Busweise werden die Menschen hier hochgekarrt. Der höchste Berg Norwegens und ein Nationalsymbol, der Galdhøpiggen (2469 m), liegt am Wege ist aber leider nicht zu sehen.


Die Hänge werden flacher, das Tal weiter, wir haben Spaß auf der breiteren Straße mit langgezogenen Kurven und machen dabei auch noch "Strecke" als wir uns Lom nähern. Hier unten ist es kuschelige 15 Grad warm! In Lom steht eine der bekannten Stabkirchen, die aber momentan eingerüstet ist.

Geiranger! Berühmt! Das merkt man auch am Verkehr und den unzähligen Bussen, die Touristen auf die höherliegenden Aussichtsplätze transportieren. Für uns Motorradfahrer ist das ein Alptraum, denn sie zockeln mit 10 km/h durch die Serpentinen und blockieren oft den gesamten Verkehr. Die Lisl wird zum Frechdachs und sprintet an unmöglichen Stellen an den fetten Fahrzeugen vorbei. Und schon geht es wieder bergauf, über die nächste Hochebene zum Norddalsfjord, wo wir ein wenig schippern werden. Wie üblich wird Lisls Kennzeichen fotografiert, aber anscheinend erkennt das Programm nicht alle Buchstaben und kann somit unser Fahrgeld nicht automatisch und vergünstigt abbuchen. Zum Glück kann ich Licht ins Dunkel bringen, flugs dürfen wir noch auf das schon daliegende Boot.

Bislang hatten wir Glück mit Wasser von oben, aber kurz vor Molde beginnt es jetzt zu nieseln. Genau wie heute vormittag auf dem Sognefjell verweigere ich die Regenhose. Bis zu meiner Unterkunft ist es vielleicht noch 1 Stunde, und wenn die Hosen wirklich nass sind, können sie ja dort über Nacht trocknen. Kurz vor Kristiansund liegt der berühmte Atlanterhavsveien, den wir schon ein paar mal gefahren sind. Er ist aber immer wieder spektakulär anzusehen, auch wenn die Fahrt entlang der Straße nichts Besonderes ist.

Nach 10 Stunden ist es jetzt Zeit, die heutige Etappe zu beenden. Mein Körper gibt mir deutliche Signale, eine halbe Stunde muss er noch durchhalten. Dann kommen wir in Kristiansund bei Vibeke und Olaf an. Das große und elegante Haus liegt gut versteckt am Ende eines Wohngebiets, die geräumige Garage steht voll mit Schmankerln von Motorrädern. Ein geräumiges Zimmer und ein eigenes Bad bieten absolutes Kontrastprogramm zum gestrigen Zeltaufenthalt. Eine Dusche erfrischt herrlich und Vibekes Omelette aus eigenen Eiern und mit eigenem Salat bringt auch Energie zurück. Natürlich unterhalte ich mich mit Vibeke auf norwegisch - muss ja schließlich wieder üben!

Es ist sehr schwer, heute die "besten" Bilder auszusuchen, es sind einfach viel zu viele!

Sonntag, 29. Juni 2025

Unwetter

Ein fettes Regen-Sturmgebiet zieht heute über die Gegend hinweg. Es gießt in Strömen und das soll den ganzen Tag so bleiben. Recherchen zeigen weder hier noch in erreichbarer Nähe eine Möglichkeit für eine trockene Unterkunft: kein "bunk a bikder", kein Campingplatz, kein Hostel, nichtmal eine passende Tanke. Mental richte ich mich dann eben auf einen ganzen Tag im engen Zelt ein.

Bis zum Nachmittag gibt es keine Chance für einen Aufbruch, Zelt (inklusive Boden) und Schlafsack sind naß, dann bringen starke Sturmböen wenigstens etwas Trockenheit in's Zelt. Den Boden muss ich dennoch ständig trocknen, damit ich nicht davon schwimme. Insofern gibt es heute nichts zu erzählen. 
Den Tag habe ich frierend im Schlafsack verbracht, ein Videocall um die Mittagszeit hat für ein wenig Abwechslung gesorgt. Zu essen habe ich nichts mehr, denn diesmal war der Plan, mich tagsüber in Supermärkten oder Straßenküchen zu verköstigen. Nur eine Tasse Tee kann ich am Vormittag mittels Tauchsieder und Batteriepack produzieren - danach ist das Powerpack leer.


Samstag, 28. Juni 2025

Sturm

Eigentlich bin ich schon eine Zeit lang wach, mag aber nicht aufstehen. Die Ausrede ist das nasse Zelt. Aber in Wirklichkeit ist es draußen einfach nur kalt und ungemütlich, die Wolken hängen noch sehr tief. Ich habe Lust auf Kaffee und werde mich auf die Suche machen. Um halb neun stehe ich auf, der ganze Körper ist von den Mikroben-Mücken vorgestern verstochen und juckt. Meine Morgengymnastik kommt wieder mal zu kurz, dafür sind wir noch vor halb zehn unterwegs.
Schon bald erspähen wir eine passende Tankstelle, bei der wir kostenlos heiße Getränke bekommen - wenn sie denn geöffnet wäre! Das bemerke ich leider erst, nachdem alles ausgepackt ist. Ich muss nämlich auch das Laptop laden und habe gestern abend vergessen, den Blog hochzuladen.

Es geht hinauf auf die Hardangervidda, entlang eines Flusses, der sich wasserreich über ausgewaschene, riesige Felsplatten und zwischen glattgeschliffenen Felsbrocken ergießt. Über 1000 m liegen die Wolken unter uns - Ein herrlicher Ausblick. Es gibt allerdings noch ein paar weitere Wolken zwischen uns und einer strahlenden Sonne, aber teilweiser Sonnenschein ist auch nett. Auf 1200 m liegt der Sønstevann, wo schon ein kræftiger Wind bläst. Von hier aus schlängeln wir uns ins Uvdal hinunter, an einigen Stabkirchen vorbei und sind leider auf einer Hauptstraße zwischen lauter Wohnwagengespannen und Wohnmobilen gefangen. Serpentinenreich dürfen wir nach vielen Kilometern dann wieder auf einer freien Nebenstraße auf 800 m aufsteigen. Hier ist es kurvig, kalt und windig. Typisch norwegisch sind die vielen Hütten, die sich einzeln oder in Gruppen unauffällig in die Landschaft integrieren. Ab, in's nächste Tal, das Hallingdal. Immer wieder Berg und Tal, dann ist es höchste Zeit für eine Mittagspause in Nesbyen. Bislang ist keine einzige Kaffee-Tankstelle aufgetaucht und auch in diesem Ort ist keine auffindbar. Also kaufe ich im Supermarkt ein wenig ein und setze mich dann in der Sonne zu ein paar Radlern an den Tisch. Von meinem Smalltalk-Partner erfahre ich, daß Nesbyen angeblich Norwegens wärmster Ort ist. Bei den 25 Grad kann ich das sogar fast glauben. Die Pause fällt lange aus und ich tanke Wärme auf Vorrat.

Im Anschluss geht es leider wieder auf Hauptstraßen den Hallingsdalelva entlang nach Gol, einem Ski- und Touristenort. Nix für uns! Die nächste Nebenstraße führt uns das Golfjell entlang, eine nicht besonders spannende Hochebene mit Wald und vielen Steinen. Der Wind nimmt nun immer mehr zu und wird böiger. Er fährt unter den Sonnenschild meines Helms und beutelt heftig meinen Kopf. Die Fahrerei ist total anstrengend. Ob hier die Riesen aus Jotunheimen (Heim der Riesen) schnarchen und diese Böen verursachen? Tunnels versprechen etwas Entspannung, aber leider keine Wärme. Angeblich wird auch gerade die "Jotunheimen Rundfahrt" - ein Radrennen - durchgeführt, aber davon ist nichts zu sehen. Ob die Radler schon alle vom Winde verweht sind? Bis zu 55 km/h werden die Böen stark und kurz vor wir ins Årdal hinunterkommen, geraten wir in eiskalte Regenwolken. Ich kann kaum die Regenhose anziehen, so klamm werden meine Finger vomm eisigen Sturm. Auf 7 Grad ist die Temperatur gefallen, mein Wärmevorrat ist schon lange aufgebraucht. Ich will nur noch weg hier. Langsam und vorsichtig kämpfen wir uns durch den Eisregen Richtung Westen.

Als die Lisl Hunger bekommt, taucht tatsächlich eine Tankstelle auf, an der wir auch wieder gratis Kaffee tanken dürften - wenn ein shop dabei wäre. Hier steht aber nur eine einsame Zapfsäule und ein teures Hotel. Wieder nix mit Kaffee! Kein Wunder, ich bin schon wieder ziemlich müde. Romantisch ist unser heutiger Schlafplatz in Øvre Årdal sicher nicht, aber hoffentlich wind- und wettergeschützt. Für heute Nacht und Morgen ist wieder heftiger Regen angesagt und der Wind scheint nicht hierher zu kommen. Wir haben ein paar niedrige Fichten zwischen Straße / Fußweg und einer Fabrik gefunden (morgen ist Sonntag, da sollte es ruhig sein). Der Boden ist mit Nadeln bedeckt und die Bäumchen schützen uns (hoffentlich) vor Regen und unerwünschten Blicken. Immerhin haben wir hier unten auf Meereshöhe schon wieder 18 Grad.