Bis halb zwölf warte ich auf steigende Temperaturen, dann verabrede ich mich mit Adil zum Frühstück. In einen nahegelegenen Cafe gibt's eine Tasse Tee mit einem Croissant. Bei frischen 6 Grad habe ich bereits die Lenkerstulpen montiert, aber hinter der Glasscheibe im Cafe wird es mir viel zu heiß. Um 12 Uhr brechen wir auf.
Adil hat mir die RN8 empfohlen, eine große, gute und befahrene Straße. Mein Navi findet aber auch hier wieder schöne Nebenstrecken - eine kleine, gut asphaltierte, kurvenreiche Straße führt uns durch die Atlasberge. Wir bewegen uns immer noch auf ca. 1500 m Höhe. Wunderschöne, fast heimische Waldlandschaft mit Nadel- und Olivenbäumen umgibt uns, gelegentlich läßt sich einer der hier heimmischen Berberaffen sehen. Ihre Fellfarbe tarnt sie gut gegen den Boden oder in den Bäumen. Eine kurze Transferetappe auf der N8 und wir finden uns auf der nächsten Nebenstrecke, der Rollsplit läßt vermuten, dass die Straße erst kürzlich neu gemacht wurde. In Flußtälern oder Ortschaften liegt manchmal etwas Lehm auf der Straße oder es finden sich wenige Schlaglöcher. In engen Kurven rollen wir dahin, ab und zu eröffnet sich ein wunderschöner Ausblick auf Täler und dort liegende Dörfer oder Städte - hier oben fühlen wir uns allerdings wohler. Gleichmäßig kegelförmige, erdbedeckte Berge wechseln sich mit schroffen, roten Felsen ab, die sich scharf gegen den strahlend blauen Himmel abzeichnen. Weiße Wolken verzieren den Himmel, sie werden aber keinen Regen bringen.
Sonderbare lange, mit weißer Plastikfolie bedeckte Mieten erstrecken sich hier über die Felder. Unter den Planen lugen Knollen hevor - Zwiebeln? Ja, hier werden riesige Zwiebeln angebaut, ich kann kurz bei der Ernte zusehen. Zwiebelduft erfüllt die Luft. Die Schafe hier oben sind hübsch - weißer Körper, brauner Kopf, sehr sauber und luftig flauschige Wolle kennzeichnet sie.
Nach entspannten, einsamen 2 Stunden geliebter Motorradfahrt haben wir gerade mal 100 km zurückgelegt. Alle Nase lang halte ich an um mich umzuschauen und die Eindrücke zu inhalileren. Jetzt müssen wir leider auf die RN8. Die Straße bedeutet für uns: rennen und Verkehrsstreß. Also Lisl, gib Gummi. Zum Glück hält sich der Verkehr vorerst in Grenzen und die Straße bietet doch viele schöne, langgestreckte Kurven.
Unterkunftsuche: das Internet bietet hier weit und breit keine Möglichkeit an. Auf der Karte ist eine Stadt verzeichnet - kurz davor gibt es eine Polizeikontrolle. Ich versuche die altmodische Art und frage einen Polizisten, ob es hier ein Hotel gibt. Statt einer Antwort dirigiert er mich an den Straßenrand und kontrolliert lange und ausführlich meinen Pass. Dann meint er, in 15 km Entfernung gäbe es in einer größeren Stadt ein Hotel. Meine Nachfragen vor Ort sind leider ebenfalls erfolglos. Was hat mir die Aktion gebracht? Nur Zeitverlust! Wir befinden uns nur noch auf halber Höhe und die Sonne sinkt auch schon - langsam kommt etwas Torschlusspanik auf. Bis Beni Mellal wollte ich nicht fahren, das sind 200 km mehr als geplant! Aber es bleibt mir nichts anderes übrig - ich buche dort ein günstiges Appartement und lasse die Lisl nun laufen. Mit dem letzten Tageslicht erreichen wir immerhin die genannte Straße, die Lisl darf vorerst dort warten, bis ich die genaue Adresse gefunden habe. Ich frage in einem Schnellimbiss. Der Wirt bringt mich zu einer jungen Frau, die in der Nachbarschaft an einer Theke sitzt. Diese widerum geht mit mir nach nebenan in eine Bank zu einer anderen jungen Frau. Beide sind sehr bemüht, den Wirt zu finden. Nach ca. 1/4 h taucht ein junger Mann auf, der mich in einem schmalen Seitengässchen durch eine dunkle Haustür, eine steile Wendeltreppe hinauf in den zweiten Stock bringt. Ich bekomme den Schlüssel und er will sich verabschieden. Und die Lisl? Nein, hier kann sie nicht stehen bleiben, auch in dem Gässchen nicht. Er will mich zu einem Parkplatz am Ende der Straße führen, was ziemlich weit weg ist. Und das Gepäck? Ich bin unzufrieden, er meint, die Lisl könnte ja auch irgendwo im Hinterhof stehen bleiben. Ciao. Als ich seinem Vorschlag folgen will, gibt es Aufruhr auf dem Gehsteig und mir wird verboten, die Lisl hier irgendwo abzustellen. Ein junger, deutsch sprechender Mann mischt sich ein und - kurz gesagt - wir landen wieder auf dem bewachten Pakrplatz am Ende der Straße - um diese Zeit gäbe es in der Stadt sehr viele Diebe.
Jetzt brauche ich etwas zu essen, aber die Straßenimbisse direkt in der Nähe erfüllen nicht meine Wünsche. Richtung Stadtmitte bis zum anderen Ende der Straße an einem Kreisel werde ich schließlich fündig, es gibt eine umfangreiche Menükarte. Ein paar Minuten nachdem ich meine Bestellung aufgegeben habe, kommt die Nachricht, dieses Essen gibt es jetzt nicht. Gut, dann was anderes. Noch ein paar Minuten später - auch das Getränk steht nicht zur Verfügung. Vielleicht hätte ich da gehen sollen? Die Preise hier? Sehr günstig - ich würde sagen, sie entsprechen den Preisen in meiner Jugend, also vor ca. 40-50 Jahren. Auf dem Rückweg biege ich wohl falsch ab, aber bis ich merke, dass mir die Straße nicht vertraut vorkommt, bin ich schon weit gelaufen. Also alles zurück, dann durch Hinterhöfe und dunkle Gässchen eine Abkürzung genommen und schon bin ich (fast) zu Hause. Jetzt bin ich seeeehr müde - gute Nacht und guten Start in 2025!