Dienstag, 31. Dezember 2024

Beni Mellal / Atlas (1)

Bis halb zwölf warte ich auf steigende Temperaturen, dann verabrede ich mich mit Adil zum Frühstück. In einen nahegelegenen Cafe gibt's eine Tasse Tee mit einem Croissant. Bei frischen 6 Grad habe ich bereits die Lenkerstulpen montiert, aber hinter der Glasscheibe im Cafe wird es mir viel zu heiß. Um 12 Uhr brechen wir auf. 

Adil hat mir die RN8 empfohlen, eine große, gute und befahrene Straße. Mein Navi findet aber auch hier wieder schöne Nebenstrecken - eine kleine, gut asphaltierte, kurvenreiche Straße führt uns durch die Atlasberge. Wir bewegen uns immer noch auf ca. 1500 m Höhe. Wunderschöne, fast heimische Waldlandschaft mit Nadel- und Olivenbäumen umgibt uns, gelegentlich läßt sich einer der hier heimmischen Berberaffen sehen. Ihre Fellfarbe tarnt sie gut gegen den Boden oder in den Bäumen. Eine kurze Transferetappe auf der N8 und wir finden uns auf der nächsten Nebenstrecke, der Rollsplit läßt vermuten, dass die Straße erst kürzlich neu gemacht wurde. In Flußtälern oder Ortschaften liegt manchmal etwas Lehm auf der Straße oder es finden sich wenige Schlaglöcher. In engen Kurven rollen wir dahin, ab und zu eröffnet sich ein wunderschöner Ausblick auf Täler und dort liegende Dörfer oder Städte - hier oben fühlen wir uns allerdings wohler. Gleichmäßig kegelförmige, erdbedeckte Berge wechseln sich mit schroffen, roten Felsen ab, die sich scharf gegen den strahlend blauen Himmel abzeichnen. Weiße Wolken verzieren den Himmel, sie werden aber keinen Regen bringen.

Sonderbare lange, mit weißer Plastikfolie bedeckte Mieten erstrecken sich hier über die Felder. Unter den Planen lugen Knollen hevor - Zwiebeln? Ja, hier werden riesige Zwiebeln angebaut, ich kann kurz bei der Ernte zusehen. Zwiebelduft erfüllt die Luft. Die Schafe hier oben sind hübsch - weißer Körper, brauner Kopf, sehr sauber und luftig flauschige Wolle kennzeichnet sie.
Nach entspannten, einsamen 2 Stunden geliebter Motorradfahrt haben wir gerade mal 100 km zurückgelegt. Alle Nase lang halte ich an um mich umzuschauen und die Eindrücke zu inhalileren. Jetzt müssen wir leider auf die RN8. Die Straße bedeutet für uns: rennen und Verkehrsstreß. Also Lisl, gib Gummi. Zum Glück hält sich der Verkehr vorerst in Grenzen und die Straße bietet doch viele schöne, langgestreckte Kurven.

Unterkunftsuche: das Internet bietet hier weit und breit keine Möglichkeit an. Auf der Karte ist eine Stadt verzeichnet - kurz davor gibt es eine Polizeikontrolle. Ich versuche die altmodische Art und frage einen Polizisten, ob es hier ein Hotel gibt. Statt einer Antwort dirigiert er mich an den Straßenrand und kontrolliert lange und ausführlich meinen Pass. Dann meint er, in 15 km Entfernung gäbe es in einer größeren Stadt ein Hotel. Meine Nachfragen vor Ort sind leider ebenfalls erfolglos. Was hat mir die Aktion gebracht? Nur Zeitverlust! Wir befinden uns nur noch auf halber Höhe und die Sonne sinkt auch schon - langsam kommt etwas Torschlusspanik auf. Bis Beni Mellal wollte ich nicht fahren, das sind 200 km mehr als geplant! Aber es bleibt mir nichts anderes übrig - ich buche dort ein günstiges Appartement und lasse die Lisl nun laufen. Mit dem letzten Tageslicht erreichen wir immerhin die genannte Straße, die Lisl darf vorerst dort warten, bis ich die genaue Adresse gefunden habe. Ich frage in einem Schnellimbiss. Der Wirt bringt mich zu einer jungen Frau, die in der Nachbarschaft an einer Theke sitzt. Diese widerum geht mit mir nach nebenan in eine Bank zu einer anderen jungen Frau. Beide sind sehr bemüht, den Wirt zu finden. Nach ca. 1/4 h taucht ein junger Mann auf, der mich in einem schmalen Seitengässchen durch eine dunkle Haustür, eine steile Wendeltreppe hinauf in den zweiten Stock bringt. Ich bekomme den Schlüssel und er will sich verabschieden. Und die Lisl? Nein, hier kann sie nicht stehen bleiben, auch in dem Gässchen nicht. Er will mich zu einem Parkplatz am Ende der Straße führen, was ziemlich weit weg ist. Und das Gepäck? Ich bin unzufrieden, er meint, die Lisl könnte ja auch irgendwo im Hinterhof stehen bleiben. Ciao. Als ich seinem Vorschlag folgen will, gibt es Aufruhr auf dem Gehsteig und mir wird verboten, die Lisl hier irgendwo abzustellen. Ein junger, deutsch sprechender Mann mischt sich ein und - kurz gesagt - wir landen wieder auf dem bewachten Pakrplatz am Ende der Straße - um diese Zeit gäbe es in der Stadt sehr viele Diebe.

Jetzt brauche ich etwas zu essen, aber die Straßenimbisse direkt in der Nähe erfüllen nicht meine Wünsche. Richtung Stadtmitte bis zum anderen Ende der Straße an einem Kreisel werde ich schließlich fündig, es gibt eine umfangreiche Menükarte. Ein paar Minuten nachdem ich meine Bestellung aufgegeben habe, kommt die Nachricht, dieses Essen gibt es jetzt nicht. Gut, dann was anderes. Noch ein paar Minuten später - auch das Getränk steht nicht zur Verfügung. Vielleicht hätte ich da gehen sollen? Die Preise hier? Sehr günstig - ich würde sagen, sie entsprechen den Preisen in meiner Jugend, also vor ca. 40-50 Jahren. Auf dem Rückweg biege ich wohl falsch ab, aber bis ich merke, dass mir die Straße nicht vertraut vorkommt, bin ich schon weit gelaufen. Also alles zurück, dann durch Hinterhöfe und dunkle Gässchen eine Abkürzung genommen und schon bin ich (fast) zu Hause. Jetzt bin ich seeeehr müde - gute Nacht und guten Start in 2025!







Montag, 30. Dezember 2024

...los

Ich bin sehr unzufrieden mit mir selbst: ich konnte mal wieder nicht schlafen. Mein mentaler Zustand ist schlaflos, emotionslos, mutlos, antriebslos, lustlos aber auch rast- und ruhelos, gelangweilt, es springt kein Funke über, das Feuer fehlt.

Nachtrag von gestern: Bei einem Navi-stopp wollte mir ein schüchterner junger Mann behilflich sein, hat mich angesprochen, sich vorgestellt und mir die Hand gereicht. Als ich ebenfall meinen Namen genannt habe, ist er sichtlich erschrocken und ihm ist ein "oh, Du bist eine Frau?" entschlüpft. Nun sah er sich wohl gezwungen, sich trotzdem kurz mit mir zu unterhalten.

Wie vereinbart wird das Frühstück, das ich zusammen mit Petr einnehme, um 9 serviert. Die Abfahrt um halb elf soll in Verlängerung der gestrigen Route verlaufen, also auf der Betonstraße. Bereits nach wenigen Metern stehen wir erneut von einen hohen Betonstufe, unter der noch das Baustahlgitter hervorlugt. Direkt dahinter ein riesiger Haufen Schotter. Ein Mann winkt mich weiter, aber der schmale Trampelpfad um den Haufen herum verheißt nichts Gutes. Soll ich, soll ich nicht? Der Mann winkt weiter und wir wagen uns um die Kurve. Bereits wenige hundert Meter weiter sind wir wieder auf festem Grund und kurz darauf mündet der Weg in eine normale Asphaltstraße - das war leicht. "Normal" heißt hier: ausreichende Breite, durchgehend asphaltiert aber von Schlaglöchern übersät - nicht so groß und tief wie gestern, dafür aber dicht gesät. Der Zustand ändert sich erst nach einem längeren kurvenreichen Aufstieg. Jetzt sind die Straßenkanten abgebrochen und wir müssen ständig taxieren welches Loch wir umfahren, um jedoch unweigerlich in das nächste Loch hineinzufallen. Der bergige Untergrund scheint allgemein nicht sehr stabil zu sein, wovon die Berg- und Tal-Bahn des Straßenbelags zeugt. Entweder haben sich Risse im Asphalt gebildet oder er ist bereits hinterher geflossen und bildet runde Kanten. An einigen Stellen ist wohl der gesamte Hang abgerutscht, dort ist entweder nur noch ein kleiner Durchgang am Abgrund vorhanden oder die Straße ist einfach verschwunden und über die nachrutschende Erde hat sich ein Trampelpfad gebildet. Die Lisl nimmt brav alle Hürden! Allerdings wird sie mittlereweile ganz schön widerwillig - sie mag sich nicht mehr in die Kurven legen, zeigt beim Einlenken duetlichen Widerstand und schaukelt auf gerader Strecke schankend vor sich hin. Ich hoffe, das ist nur den nicht mehr neuen Reifen geschuldet. Aber manchmal sitzt das Problem ja auch AUF der Maschine....man weiß es nicht so genau. Auf schmalen Asphaltbrücken nutzen wir die gesamte Straßenbreite aus, in der Hoffnung auf keinen Gegenverkehr, der natürlich das selbe tut.

Schließlich wartet an der nächsten Abzweigung wieder eine Polizeikontrolle - nicht auf uns. Wir geraten auf eine super bequeme, gerade Straße, die durch ein weites von sanften, kahlen Hügeln gesäumtes Tal nach Fes führt. Durch die die Mauern und schön geschwungenen Tore der alten Medina lassen wir uns in die große Stadt treiben. Der Verkehr ist fürchterlich - ja, ich habe das schon ein paar mal erlebt, aber das ist lange her. Man muss einfach mutig sein, nicht rechts oder links schauen, Augen und Ohren zu und drauf los fahren. Die anderen werden schon anhalten. Ich habe dabei vermutlich die eine oder andere (unsichtbare) Ampel vor dem Kreisverkehr übersehen, aber alles geht gut. An der Tankstelle möchte der Tankwart gerne ein Foto von sich und der Lisl haben - aber gerne doch.

Ich habe meine Übernachtungsstrategie geändert: da hier sowohl Sprit als auch Essen deutlich billiger ist, meine ich, daß eine feste Unterkunft noch im Budget liegt (und vor allem viel komfortabler ist). So langsam kann ich absehen, wie weit wir heute noch kommen werden und suche dort eine Unterkunft über die Booking-App. Schnell ist eine günstige Unterkunft gefunden und die Bestätigung eingetrudelt. Etwas später möchte ich die Position in meine Streckenführung aufnehmen und stelle dabei fest, dass ich eine Nachricht der "Unterkunft" erhalten habe: "ich habe gar kein Haus!" ?? Das ist strange! Also weitersuchen: hier bekomme ich nur die Info, dass meine Anfrage weitergeleitet wurde und ich innerhalb 24h eine Antwort erwarten kann - eine halbe Stunde vor meiner Ankunft. Geht also auch nicht. Nächste Möglichkeit ist ein Appartement für 210 MAD, hier scheint alles zu klappen.

Die nächste Abzweigung kommt mir sonderbar vor, wir sollen eine schlechte Piste zu ein paar Häusern fahren? Das kann nicht sein - oh ja, es war ja eine andere Richtung gemeint...hier führt jedoch ein noch kleinerer, schlechterer Weg direkt in die Müllhalde! Nein, das machen wir nicht! Die Auflösung: ich habe von ca 1 km eine Abzweigung übersehen und dies war jetzt nur die "Korrektur". Da fahren wir lieber zurück und nehmen die schmale, löchrige Asphaltstraße. Etwas später versetzt mir ein Blick auf's Navi einen Schock: wir sind unbemerkt auf gut 1300 m gestiegen! Auch die nächsten 350 Höhenmeter sind nicht wirklich spürbar. Während die Höhe unmerklich zunimmt, nimmt die Temperatur merklich ab.

Kurz vor Ifrane biegen wir dann auf eine größere Straße in sehr gutem Zustand ein. Linker Hand liegt ein eingezäunter Park, es könnte ein großer Zoo sein. Kurz danach scheint Pferdemarkt oder etwas Ähnliches statt zu finden - einige Pferde mit prächtigen, bunten Geschirren und Sätteln warten auf einem großen, schönen Platz auf ihre Besitzer. Hier ist alles sauber, kein Müll entlang der Straße zu sehen. Das bleibt auch so als wir in die Ortschaft kommen. Schöne, feste Häuser, saubere und gute Straßen, wenig und ruhiger Verkehr. Aha - hier findet das Fest statt - wir biegen in eine Seitenstraße ein, die völlig zugeparkt ist. Google navigiert mich sicher zu dem von mir gebuchten Appartement "Bed and brakfast" - aber ich kann davon nichts erkennen. Kurzerhand frage ich in einem Straßenrestaurant nach - der Chef schickt mir einen englisch sprechenden Angestellten (Mjid) zu Hilfe. Er sucht, telefoniert, nimmt sich einen weiteren Helfer. Schließlich finden wir die Adresse - niemand da. Schließlich öffnet ein junger Mann, der das Appartement derzeit gebucht hat...schon wieder was schief gelaufen? Und jetzt? Oh je - ich habe das Datum von 2025 gebucht! Wie konnte das denn passieren??? Zurück zum Restaurant. Der zweite Helfer verabschiedet sich freundlich, dafür gesellt sich jetzt Adil hinzu. Gemeinsam finden wir ein anderes, sehr geräumiges und luxuriöses Appartement für 300 MAD ganz in der Nähe. Jede andere Unterkunft hätte mindestens das gleiche gekostet. Und das verpasste Frühstück? Das kann ich morgen bei Mjid bekommen, bietet er an. Sooo viele liebe und nette Leute!

Die von mir und meinem Navi gewählte, weitere Strecke über den Atlas scheint auf etwa 2200 m zu verlaufen - Adil teilt mir mit, daß dort jetzt Schnee liegt und es glatt ist. Genau das möchte ich aber vermeiden Er schlägt mir eine nördlichere Strecke vor - diese klettert maximal auf ca. 1800 m. Hoffentlich bleibe ich dort von Eis und Schnee verschont.

19:00 - ich komme etwas zur Ruhe, sitze auf einem riesigen Sofa vor der Gasheizung, ein belegtes Brot vor mir und lasse den Tag revue passieren.Die Temperatur ist mittlerweile bei 1 Grad angekommen und soll heute Nacht unter die Frostgrenze sinken. Die Schlüsselrückgabe habe ich in der Eile auf 10 Uhr verabredet, das war dumm. Ich bitte via Adil den Besitzer, erst um 11 Uhr zu kommen. Danach könnte ich "frühstücken" und dann wird's hoffentlich langsam warm.

Ich bekomme weitere Hilfsangebote und Hinweise von meinen beiden Helfern, das ist sehr nett. Adils Video vom Schneechaos in Tinghir veranlasst mich, die Route erneut zu ändern und westlich des Atlas zu bleiben, in der Hoffnung, dort trocken zu reisen. Den Atlas werde ich wohl nicht kreuzen können, schade. Aber Sicherheit geht vor und ich muss mir ja nichts mehr beweisen! 

Weitere Schadensmeldungen? Mein 12 Jahre alter, fast täglich getragener Schutzanzug löst sich langsam auf. Einige Reißverschlüsse klemmen oder lassen sich nicht mehr sauber einfädeln. An den Ärmeln stoßen sich die Enden ab und Fäden flattern um die Handgelenke.




Sonntag, 29. Dezember 2024

Rif-Berge

Die Straße RN2 nach Tetouan ist 4-spurig und in sehr gutem Zustand - fast ein bißchen langweilig. Zum fotografieren kann ich schlecht anhalten, schade. Die vielen Kreisverkehre sind ein beliebter Kontrollort für die Polizei - die Schnellfahrer werden hier abgefangen. Auf den ersten hundert Kilometern haben wir bereits 7 Polizeiposten problemlos passiert. Ich schimpfe mit mir selbst über meine Unzufreidenheit und kritische Einstellung: auf guten Straßen bemängle ich die Unverbundenheit mit der Natur, auf der anderen Seite habe ich Bammel vor einsamen, steilen, "schlechten" Straßen durch die Berge - Nichts kann man mir recht machen. Mit jeder Abzweigung werden die Straßen schmaler, aber immer noch 2-spurig und in ziemlich guten Zustand, wenn man von den Ortschaften absieht. Allerdings nehmen Bodenwellen und Schlaglöcher nun doch zu (R419), sind aber nicht bedenklich. Die Lisl schluckt die bestimmt 20 cm tiefen Bodenwellen gut, die Schlaglöcher von der Größe ihres Vorderrades versuchen wir zu umfahren. Am Straßenrand wird alles Möglich verkauft, hauptsächlich Tee oder Beeren - dafür halten wir aber nicht an. Hirten führen ihre 4 Schafe oder die einzige Kuh zu den mageren Weideplätzen. Allmählich ändern sich auch die Verkehrsmittel - weniger Autos, dafür mehr Esel, die auch von jungen Leuten benutzt werden. Gilt das Handyverbot eigentlich auch für Eselreiten??

In schönen Kurven reisen wir gemütlich hinauf auf 900 m nach Bab Taza. Kinder - insbesondere natürlich die Jungs, winken und wollen gerne abgeklatscht werden (gefährlich). An einsamen Stellen pfeifen uns Männer an und deuten irgendwas...ob sie uns was zu essen verkaufen wollen oder was zu rauchen? In keinem Fall halten wir an, winken bestenfalls freundlich. Inzwischen beträgt die Straßenbreite nur noch 1,5 Fahrspuren, an den Rändern bricht der Asphalt hart zum sandigen Bankett ab. Die Autos fahren relativ langsam, weil sie den Schlaglöchern und Wellen ausweichen - die Lisl wäre da geschickter, aber überholen geht nicht. Dumm ist nur, daß hinter den Autos die Schlaglöcher nicht rechtzeitig zu erkennen sind und wir uns nicht darauf einstellen können...

Laut Google-Navi habe ich die Abzweigung zum Hotel verpasst, darum wenden wir. Ein staubiger, miserabler Erdweg führt im spitzen Winkel steil abwärts. Ein Mann eilt zu Hilfe und bestätigt, daß dies der richtige Weg sei - noch ca. 3 km bis zum Ziel. Na ja, jetzt bleibt uns nichts anderes übrig. Zwischen Hühnern und kreischenden Kindern hindurch bahnt die Lisl sich langsam ihren Weg - alles geht gut. Und dann sind wir angeblich am Ziel - mitten zwischen Weide und Orangenahin. Kein Haus zu sehen. Die allerletzten paar Meter wird die Straße gerade neu gemacht aber hier ist Ende. Eine hohe Stufe führt hinauf auf eine Betonplatte, die wir dann doch erklimmen. Vor uns geht es abwärts zum See und links führt ein kleines Tor in den Orangenhain. Dort ist ein blaues Häuschen zu sehen - ja, das ist das Hotel, behauptet ein Mann, der durch die Bäume herbeitrottet. Er wundert sich etwas, daß ich alleine bin...und als Frau!? Ansonsten zeigt er mir ganz unaufgeregt mein Zimmer - 4 Betten stehen darin, eine Toilette mit Waschbecken nenne ich mein eigen. Steckdosen sind Mangelware. Kurz darauf sehe ich den Herrn wieder und frage ihn, ob er auch ein Restaurant hat? Zumindest habe ich das aus den Internetangaben vermutet. Ja. Dann hätte ich gerne etwas zu essen und einen Tee. Französisch ist eine Sprache, die ich nicht spreche, also einigen wir uns auf "irgendetwas" zu essen, "irgendwann" - ich bin gepsannt. Den Tee serviert mir die Tochter schon sehr bald.

Die Zimmer sind als einzelne Häuschen oder über Eck zusammengebaute Einheiten gestaltet. Dazwischen gibt es Sitzecken - dort lasse ich mich zum schreiben nieder. Die Lisl ruht heute im Orangenhain. Als es dämmert, tauchen nach und nach noch ein paar Gäste auf - ich bin also nicht alleine. Und dann kommt der Wirt mit einem jungen Fahrradfahrer, der mit mir das Zimmer teilen soll. Das habe ich so nicht verstanden, aber ok. Er heißt Petr und ist aus Bulgarien, mit dem Fahrrad und fast ohne Gepäck unterwegs. Wir arrangieren uns und der Wirt will uns (für eine freundliche Bewertung) zum Abendessen einladen. In der Tajine (ein Tonteller mit Tondeckel) versteckt sich unter einem Berg Gemüse ein ebenfalls großer Berg fein gegartes Fleisch. Dazu gibt's Brot und einen Salat. Das war lecker und umfangreich!

Samstag, 28. Dezember 2024

"Erholung"

Nach dem doch etwas chaotischen Tag gestern ist heute Erholung angesagt, ich möchte nur ein wenig die Altstadt, in der ich ja mittendrin wohne, erkunden.

Mein Hostel liegt am Ende einer engen, blau gestrichenen Sackgasse, Tür an Tür mit anderen Hostels oder Wohnhäusern. Ebenerding finden sich 3 "Bäder", d.h. je eine Toilette, Dusche und Waschbecken, die sehr platzsparend angeordnet sind. Meist steht der Boden unter Wasser und die Armaturen hängen in der Luft. Aber warmes Wasser gibt es immerhin! Außerdem findet sich hinter einem Vorhang noch ein Stockwerkbett und hinter einer weiteren Tür nochmal ein oder 2 Betten. Eine steile Treppe mit sehr hohen Stufen führt in den ersten Stock mit 2 Schlafsäle mit je 8 Betten; zwei Stockwerkbetten an den Längsseiten und je ein weiteres an den schmalen Seiten, so dass die Türe nur einen Spalt weit aufgeht. Die Treppe führt weiter auf die überdachte Dachterrasse, auf der sich praktisch das Leben abspielt. Es ist kalt dort oben, aber Büro (Rezeption), Küche, Waschmaschine und Couchecke befinden sich dort. Strom findet sich an manchen Stellen gut versteckt an den Steckdosen mehrerer Verlängerungskabel. Das Sprachgewirr geht von arabisch über französisch, deutsch, schwizerisch bis indisch - und natürlich englisch als verbindende Sprache.

Nach einer erfrischenden Dusche, die die gestrige Sandkruste entfernen konnte, packe ich gegen 11 Uhr meinen Rucksack und gehe forschen - als erstes nach Lisls Parkplatz. Ich brauche noch ein Ladekabel, das habe ich gestern vergessen. Tatsächlich finde ich den Ort alleine und ziemlich zielsicher. Der Besitzer erkennt mich auch sofort und weist mir den Weg. Ganz an der Wand steht die Lisl mittlerweile, gut versteckt zwischen einigen Wracks. Die Jungs haben sie trotz abgeschlossenem Lenkradschloss ein Stück versetzt, damit die Durchfahrt frei wird. Ansonsten ist alles ok.

Nun geht's weiter den Berg hinauf, um die Kasbah herum und hinein in die Marktgassen. Man muss das schon lieben...aber das ist halt so in Afrika. Was man hier nicht alles kaufen kann! Jede Menge Andenken, Kunstgegenstände, Teppiche, Textilien, Lederwaren über "normale" Lebensmittel wie Obst und Gemüse, Fleisch, lebendige Hühner, Backwaren bis hin zu Tagesbedarf wie Schuhe, Schlüssel, Putzmittel oder was weiß ich noch alles! Datteln - unbedingt!  Die Augen quellen über und können gar nicht alles erfassen.

Dann lasse ich mich gerne in ein Straßencafe an einem belebten Platz entführen (man wird direkt auf der Straße aufdringlich dazu genötigt), um dort zu frühstücken: ein langweilig schmeckender Pfannkuchen und ein Glas sehr süßer Tee mit allem was darin rumschwimmt. Laut Karte sollte es 18 MAD kosten, der Mann zeigt mir auf dem Handy einen Preis von 20 MAD an. Ich bestehe auf 18, die Karte will er nicht herzeigen. Schließlich verlangt er 15 - na gut. Vor meiner Nase halten immer wieder türkisblaue Taxis um ihre Fahrgäste auszuspucken. Entspannte Polizisten auf kleinen Geländemaschinen treiben im Verkehr vorbei, Touristenpolizisten stehen an einigen Ecken zur Verfügung.

Noch ein wenig höher liegt ein kleiner Park, der gerade neu gestaltet wird und dessen Wege neu verlegt werden. Über allem schwebt ein Duft von Hühnerkacke. Wieder zurück in die engen Gassen der Kasbah und an einem anderen Ausgang Richtung Meer. Ich komme am Fischereihafen vorbei - dort liegen jede Menge Boote auf dem Trockenen oder im kaum erkennbaren Wasser. Fischernetze werden ausgebreitet und repariert. 



Noch ein wenig weiter mache ich ein Päuschen auf der Küstenmauer, unter mir wird fleißig geangelt. Meine Füße schmerzen, darum suche ich den kürzesten Weg zum Hostel. Auf der Dachterrasse dürfen sich die Füße erholen, ebenso das Laptop und die Handies, die jetzt alle geladen werden. Bis der Hunger kommt...dann treibt's mich wieder zu den Futterplätzen Richtung Promendade. Unterwegs schnappe ich mir noch etwas Gebäck für den Nachtisch, auf einem großen Platz lasse ich mir einen Grillteller mit Salat und Pommes zusammenstellen - und natürlich ein Glas Tee. Ein kleiner Abstecher entlang der Promenade in die andere Richtung eröffnet mir Ticketbüros für die Fähre zurück nach Tarifa. Es gibt anscheinend eine Menge mehr Möglichkeiten und günstigere Preise, als im Internet zu finden sind - wird für die Rückreise in den Hinterkopf gesteckt. Auf dem Nachhauseweg kommt mir eine große Reiseenduro mit Münchner Kennzeichen entgegen - ob der auch einen Parkplatz oder ein Hostel sucht? Ich frage, ob ich helfen kann und so kommen wir schon wieder ins Benzingespräch. Mark ist auf dem Weg nach Kapstadt in mehreren Etappen - gute Reise und bleib immer aufrecht!

Mein Rundgang und der "Marokko-Plan"