Montag, 30. Dezember 2024

...los

Ich bin sehr unzufrieden mit mir selbst: ich konnte mal wieder nicht schlafen. Mein mentaler Zustand ist schlaflos, emotionslos, mutlos, antriebslos, lustlos aber auch rast- und ruhelos, gelangweilt, es springt kein Funke über, das Feuer fehlt.

Nachtrag von gestern: Bei einem Navi-stopp wollte mir ein schüchterner junger Mann behilflich sein, hat mich angesprochen, sich vorgestellt und mir die Hand gereicht. Als ich ebenfall meinen Namen genannt habe, ist er sichtlich erschrocken und ihm ist ein "oh, Du bist eine Frau?" entschlüpft. Nun sah er sich wohl gezwungen, sich trotzdem kurz mit mir zu unterhalten.

Wie vereinbart wird das Frühstück, das ich zusammen mit Petr einnehme, um 9 serviert. Die Abfahrt um halb elf soll in Verlängerung der gestrigen Route verlaufen, also auf der Betonstraße. Bereits nach wenigen Metern stehen wir erneut von einen hohen Betonstufe, unter der noch das Baustahlgitter hervorlugt. Direkt dahinter ein riesiger Haufen Schotter. Ein Mann winkt mich weiter, aber der schmale Trampelpfad um den Haufen herum verheißt nichts Gutes. Soll ich, soll ich nicht? Der Mann winkt weiter und wir wagen uns um die Kurve. Bereits wenige hundert Meter weiter sind wir wieder auf festem Grund und kurz darauf mündet der Weg in eine normale Asphaltstraße - das war leicht. "Normal" heißt hier: ausreichende Breite, durchgehend asphaltiert aber von Schlaglöchern übersät - nicht so groß und tief wie gestern, dafür aber dicht gesät. Der Zustand ändert sich erst nach einem längeren kurvenreichen Aufstieg. Jetzt sind die Straßenkanten abgebrochen und wir müssen ständig taxieren welches Loch wir umfahren, um jedoch unweigerlich in das nächste Loch hineinzufallen. Der bergige Untergrund scheint allgemein nicht sehr stabil zu sein, wovon die Berg- und Tal-Bahn des Straßenbelags zeugt. Entweder haben sich Risse im Asphalt gebildet oder er ist bereits hinterher geflossen und bildet runde Kanten. An einigen Stellen ist wohl der gesamte Hang abgerutscht, dort ist entweder nur noch ein kleiner Durchgang am Abgrund vorhanden oder die Straße ist einfach verschwunden und über die nachrutschende Erde hat sich ein Trampelpfad gebildet. Die Lisl nimmt brav alle Hürden! Allerdings wird sie mittlereweile ganz schön widerwillig - sie mag sich nicht mehr in die Kurven legen, zeigt beim Einlenken duetlichen Widerstand und schaukelt auf gerader Strecke schankend vor sich hin. Ich hoffe, das ist nur den nicht mehr neuen Reifen geschuldet. Aber manchmal sitzt das Problem ja auch AUF der Maschine....man weiß es nicht so genau. Auf schmalen Asphaltbrücken nutzen wir die gesamte Straßenbreite aus, in der Hoffnung auf keinen Gegenverkehr, der natürlich das selbe tut.

Schließlich wartet an der nächsten Abzweigung wieder eine Polizeikontrolle - nicht auf uns. Wir geraten auf eine super bequeme, gerade Straße, die durch ein weites von sanften, kahlen Hügeln gesäumtes Tal nach Fes führt. Durch die die Mauern und schön geschwungenen Tore der alten Medina lassen wir uns in die große Stadt treiben. Der Verkehr ist fürchterlich - ja, ich habe das schon ein paar mal erlebt, aber das ist lange her. Man muss einfach mutig sein, nicht rechts oder links schauen, Augen und Ohren zu und drauf los fahren. Die anderen werden schon anhalten. Ich habe dabei vermutlich die eine oder andere (unsichtbare) Ampel vor dem Kreisverkehr übersehen, aber alles geht gut. An der Tankstelle möchte der Tankwart gerne ein Foto von sich und der Lisl haben - aber gerne doch.

Ich habe meine Übernachtungsstrategie geändert: da hier sowohl Sprit als auch Essen deutlich billiger ist, meine ich, daß eine feste Unterkunft noch im Budget liegt (und vor allem viel komfortabler ist). So langsam kann ich absehen, wie weit wir heute noch kommen werden und suche dort eine Unterkunft über die Booking-App. Schnell ist eine günstige Unterkunft gefunden und die Bestätigung eingetrudelt. Etwas später möchte ich die Position in meine Streckenführung aufnehmen und stelle dabei fest, dass ich eine Nachricht der "Unterkunft" erhalten habe: "ich habe gar kein Haus!" ?? Das ist strange! Also weitersuchen: hier bekomme ich nur die Info, dass meine Anfrage weitergeleitet wurde und ich innerhalb 24h eine Antwort erwarten kann - eine halbe Stunde vor meiner Ankunft. Geht also auch nicht. Nächste Möglichkeit ist ein Appartement für 210 MAD, hier scheint alles zu klappen.

Die nächste Abzweigung kommt mir sonderbar vor, wir sollen eine schlechte Piste zu ein paar Häusern fahren? Das kann nicht sein - oh ja, es war ja eine andere Richtung gemeint...hier führt jedoch ein noch kleinerer, schlechterer Weg direkt in die Müllhalde! Nein, das machen wir nicht! Die Auflösung: ich habe von ca 1 km eine Abzweigung übersehen und dies war jetzt nur die "Korrektur". Da fahren wir lieber zurück und nehmen die schmale, löchrige Asphaltstraße. Etwas später versetzt mir ein Blick auf's Navi einen Schock: wir sind unbemerkt auf gut 1300 m gestiegen! Auch die nächsten 350 Höhenmeter sind nicht wirklich spürbar. Während die Höhe unmerklich zunimmt, nimmt die Temperatur merklich ab.

Kurz vor Ifrane biegen wir dann auf eine größere Straße in sehr gutem Zustand ein. Linker Hand liegt ein eingezäunter Park, es könnte ein großer Zoo sein. Kurz danach scheint Pferdemarkt oder etwas Ähnliches statt zu finden - einige Pferde mit prächtigen, bunten Geschirren und Sätteln warten auf einem großen, schönen Platz auf ihre Besitzer. Hier ist alles sauber, kein Müll entlang der Straße zu sehen. Das bleibt auch so als wir in die Ortschaft kommen. Schöne, feste Häuser, saubere und gute Straßen, wenig und ruhiger Verkehr. Aha - hier findet das Fest statt - wir biegen in eine Seitenstraße ein, die völlig zugeparkt ist. Google navigiert mich sicher zu dem von mir gebuchten Appartement "Bed and brakfast" - aber ich kann davon nichts erkennen. Kurzerhand frage ich in einem Straßenrestaurant nach - der Chef schickt mir einen englisch sprechenden Angestellten (Mjid) zu Hilfe. Er sucht, telefoniert, nimmt sich einen weiteren Helfer. Schließlich finden wir die Adresse - niemand da. Schließlich öffnet ein junger Mann, der das Appartement derzeit gebucht hat...schon wieder was schief gelaufen? Und jetzt? Oh je - ich habe das Datum von 2025 gebucht! Wie konnte das denn passieren??? Zurück zum Restaurant. Der zweite Helfer verabschiedet sich freundlich, dafür gesellt sich jetzt Adil hinzu. Gemeinsam finden wir ein anderes, sehr geräumiges und luxuriöses Appartement für 300 MAD ganz in der Nähe. Jede andere Unterkunft hätte mindestens das gleiche gekostet. Und das verpasste Frühstück? Das kann ich morgen bei Mjid bekommen, bietet er an. Sooo viele liebe und nette Leute!

Die von mir und meinem Navi gewählte, weitere Strecke über den Atlas scheint auf etwa 2200 m zu verlaufen - Adil teilt mir mit, daß dort jetzt Schnee liegt und es glatt ist. Genau das möchte ich aber vermeiden Er schlägt mir eine nördlichere Strecke vor - diese klettert maximal auf ca. 1800 m. Hoffentlich bleibe ich dort von Eis und Schnee verschont.

19:00 - ich komme etwas zur Ruhe, sitze auf einem riesigen Sofa vor der Gasheizung, ein belegtes Brot vor mir und lasse den Tag revue passieren.Die Temperatur ist mittlerweile bei 1 Grad angekommen und soll heute Nacht unter die Frostgrenze sinken. Die Schlüsselrückgabe habe ich in der Eile auf 10 Uhr verabredet, das war dumm. Ich bitte via Adil den Besitzer, erst um 11 Uhr zu kommen. Danach könnte ich "frühstücken" und dann wird's hoffentlich langsam warm.

Ich bekomme weitere Hilfsangebote und Hinweise von meinen beiden Helfern, das ist sehr nett. Adils Video vom Schneechaos in Tinghir veranlasst mich, die Route erneut zu ändern und westlich des Atlas zu bleiben, in der Hoffnung, dort trocken zu reisen. Den Atlas werde ich wohl nicht kreuzen können, schade. Aber Sicherheit geht vor und ich muss mir ja nichts mehr beweisen! 

Weitere Schadensmeldungen? Mein 12 Jahre alter, fast täglich getragener Schutzanzug löst sich langsam auf. Einige Reißverschlüsse klemmen oder lassen sich nicht mehr sauber einfädeln. An den Ärmeln stoßen sich die Enden ab und Fäden flattern um die Handgelenke.