Der kleine Schlafsaal mit 10 Betten ist voll belegt, überwiegend Männer. Draußen ist es saukalt, aber drinnen herrscht eine kuschelige Gär-Temperatur. Die Luft ist zum Schneiden dick, die Jungs schnarchen um die Wette. Ich habe kein Auge zugemacht. Nach einer heißen Dusche am Morgen gibt es ein gutes Frühstück, dann brechen wir auf. Den Parkplatz finde ich wie erwartet - alles gut. Ich glaube, einen Waschlappen habe ich liegen lassen, das ist verschmerzbar. Horden von Touristen werden von einem Tafelhalter durch die engen Gässchen geführt und bespaßt. Brav trotten sie hinterher.
Um halb elf herrscht doch schon ein wenig Verkehr, der ordentlich Staub aufwirbelt. Beim Anblick der schneebedeckten Berge vor uns, bereue ich meine Entscheidung nicht, den hohen Atlas links liegen zu lassen und langsam wieder nach Norden abzudrehen. Heutiges Ziel ist Essaouria an der Küste. Dort soll es einen Campingplatz geben. Entspanntes Fahren ist das heutige Motto. Das Land bietet uns eine abwechslungsreiche Mixtur aus Straßen und Landschaft an - kerzengerade Abschnitte, von Palmen oder Dornbüschen gesäumt, Geröllwüste, dicht belebte Ortschaften mit "Verkehrschaos", kurvige Abschnitte durch die Wüste oder bergauf und bergab durch felsige Berglandschaft, breite 4-spurige Straßen oder schmale Asphaltbänder mit abgebrochenen Kanten. Immer haben wir guten Untergrund, also keine Abenteuer für die Lisl. Wir sind jetzt in der Wüste - man lebt hier anscheinend gerne vom Tourismus: Quads oder Buggies säumen die Straße und warten auf Ausflügler, Kamelreiten oder andere Touren werden angeboten. Die Kulisse der trostlosen, beigen Steinwüste, deren Hügel von großen oder kleinen Wadis zerfurcht und mit wenigen dornigen Büschen übersät ist, vor den schroffen, schneebedeckten Gipfeln des hohen Atlas ist schon atemberaubend. Gelegentlich versucht ein Bauer, Oliven anzubauen. Berberhörnchen flüchten vor Lisls tuckern.Na Lisl, erinnerst Du Dich? Als junger Hüpfer von 2 Jahren, bist Du ein solchem Gelände querfeldein gefahren! Heute halten wir uns dan die Alt-Damen-Wege und bummeln durch die Wüste.
Hunger! Da kommt ein Restaurant. Eine Gruppe englisch sprechender Touristen scheint gerade angekommen zu sein - sie räumen das ganze Restaurant um, weil eine der Reisenden keine Sonne verträgt. Chaos. Die männlichen Bedienungen sind heillos überfordert, vielleicht ist das ihr erstes Restaurant? Nach mir eintreffende Gäste bekommen vor mir die Speisekarte zum Aussuchen, die englische Gruppe wird mit Messer und Gabel versorgt, dafür bekomme ich mein Essen als erstes. Allerdings ohne Werkzeug. Es dauert sehr lange (bald wird das Essen schon kalt), bis ich endlich eine Gabel erhalte. Es ist "leider nur" eine Kuchengabel, und die wird schon sehr bald wieder benötigt...ich bin aber noch gar nicht fertig. Beim Bezahlen mangelt es dafür am Wechselgeld. Aber geschmeckt hat es!
Vor Kurzem scheint es hier geregnet zu haben, davon zeugen die nassen Lehmpfützen, die in der Sonne glitzern. Hauptverkehrsmittel sind auch hier Esel oder Mopeds. Prinzipiell ist jedes Verkehrsmittel hoffnungslos überlastet, die Satteltaschen, -säcke oder -körbe, mit denen die Esel beladen sind, passen auch auf Mopeds. Kein Heckmeck wegen "Gepäckkoffern", wie wir das in Europa machen. Auch mit der Helmpflicht wird das hier etwas anders gehandhabt: zwar hat jeder seinen Helm dabei - auf dem Gepäckträger oder am Lenker, aber meist wird er nur schnell auf den Kopf gestülpt, egal was man gerade auf hat, wenn Polizei in der Nähe ist.Kurzerhand haben wir das Ziel etwas angepasst, da es den anvisierten Campingplatz bei Essaouria anscheinend nicht mehr gibt. Etwas weiter südllich werden wir fündig, allerdings ist der Platz wegen Überfüllung geschlossen. Auf einem zweiten Platz direkt daneben dürfen wir uns dann aber niederlassen - diesmal zwänge ich mich mit der Koje zwischen zwei dicke Wohnmobile. Auf der anderen Straßenseite liegt ein endloser Sandstrand - ein Paradies für Surfer, Quadfahrer, Reiter (am Strick geführt oder im gestreckten Galopp) und Elektromopeds mit dicken Reifen.
Eigentlich wollte ich hier noch ein wenig länger bleiben, aber mein Bargeld geht zur Neige und Karten werden nicht akzeptiert. Außerdem fehlt mir hier der Ladestrom für die Elektronik. Also geht's wohl doch morgen weiter Richtung Norden.