Es war absolut ruhig in der Pension. Wie verabredet serviert Renata um 8:30 Uhr das Frühstück. Allerdings nicht wie verabredet, akzeptiert sie nicht, dass ich dafür bezahle! Möchte ich aber. Sie hat eine andere Idee: ein Foto von mir mit der abenteuerichen Lisl, das sie im Internet posten darf. Aber ja, das ist ein guter Deal!
Das "typisch polnische Frühstück für 1 Person" besteht aus 2 Rühreiern, einer vielfältigen Wurst-Käseplatte, einem riesigen Teller mit eigenen leckersten Cocktailtomätchen und weiterem Gemüse, sowie zum Nachtisch regionalem extra feinen Honig. Fürstlich, opulent! Ich brauche ja auch Kraft für meine Abenteuer, versichert mir Renata immer wieder.
Während des Fotoshootings mogelt sich eine junge weiße Katze auf deinen Packsack, sie möchte gerne mitfahren. Als Renata sich verscheucht, versteckt sie sich unter dem Schutzblech auf dem Hinterrad. Sie will unbedingt mit!
So sind wir heute bereits kurz nach 9 Uhr auf der Straße - ich muss ja nicht viel packen. Da die Elektronik geladen ist, brauchen wir auch hierfür keine Pause. Lisl, wir fahr'n nach Lodz...
Die Böden sind vollgesogen und nass, die Straßen mittlerweile trocken, die Sonne blinzelt noch ein bisschen. Es ist kühl und Wind verbläst die Luftfeuchtigkeit. Um die Mittagszeit ist es wieder herrliches Fahrwetter, die Regenjacke wandert ins Gepäck.
Nach einer wirren Straßenführung landen wir leider auf einer Schnellstraße / Autobahn. Der dichte Verkehr streßt uns (wir sind verwöhnt von der norwegischen Bummelei), aber dafür leitet uns diese Straße auch schnell wieder von der Großstadt weg. Wir kommen nun häufiger in die Nähe von größeren Städten , manchmal ist die ungeliebte Strecke sogar viele Kilometer lang und wir müssen im Blindflug hinter dicken LKWs fahren. Mein Navi gibt sein Bestes und findet doch immer wieder kleine Sträßchen. Heute sind echte Schmankerl dabei: kurvenreiches schmales und verkehrsarmes Sträßchen durch den finstern Wald und abgelegene Dörfer, alte hohe Birken-und Kiefern-Mischwälder mit moosbedecktem Boden, schattige Alleen zwischen abgeernteten Feldern. Nachdem wir mal eine Abzweigung verpasst haben und nicht zurückfahren wollen, findet sich eine Abkürzung: ein grober Waldweg vorbei am Fischtümpel und einem Garten mit riesigen orangen Kürbissen. Ein großes Schild mit zwei Braunbären bedeutet was???
Um halb vier wird die Lisl gefüttert. Unser Tagespensum ist eigentlich erledigt, aber wir haben noch Lust auf ein paar Kilometer. Die Lisl braucht bei unserem Fahrstil 1/2 l weniger Sprit als sonst!
Kurz vor fünf: das Lager steht - oder besser "hängt". Aufgrund der nassen Wetterprognosen habe ich gestern bei einem "Bunk a Biker" wegen eines Nachtplatzes angefragt, aber er hat bis zum Nachmittag nicht geantwortet. Aber wir haben ja jetzt auch keinen Bedarf mehr: in einem dieser herrlichen alten Fichtenwälder schaukle ich in der schwülen Abendsonne. Die Lisl verteilt ihren ganz eigenen Duft nach Benzin - oh, da habe ich vergessen, den Benzinhahn zu schließen.
Es ist schon beeindruckend, wie schnell die Eindrücke verblassen. Nach dem Besuch bei Chris & Julie habe ich noch lange an sie gedacht, an ihre Lebensplanung und ob oder wie ich etwas dazu beisteuern könnte. Diese Gedanken sind leider schon unter vielen anderen Eindrücken begraben.