Am späten Abend gab es in der Ferne noch etwas Donnergrollen, ein paar ganz kleine Regentröpfchen sind bei uns aufgeschlagen, aber ansonsten war die Nacht trocken. Auch der Tag verspricht trocken zu werden, so daß ich die ungeliebten Regenklmaotten im Packsack verschwinden lassen kann. Erst gegen halb zehn (die Zeitzonen passen jetzt wieder zusammen) sind wir startbereit - ja, ich bin ein Morgentrödler. Nicht so die Lisl, sie ist immer auf den ersten Drücker startbereit! Brave Lisl! Ein letzter Blick zurück - nichts vergessen?
Die Lisl braucht Frühstück, was aber bei den kleinen Nebenstraßen schwierig wird, die uns das Navi vorgibt. Aber wir sind Glückskinder - prompt kommt eine Tankstelle für Benzin, Wasser und Müllentsorgung.
Ab Perlejewo (kleiner Ort) sieht es schlimm aus. Wiesen und Felder stehen unter Wasser, große Pfützen und jede Menge Schlamm auf der Straße. Hier muss ein Unwetter gewütet haben. Kurz darauf ist unsere Straße gesperrt wegen einer Baustelle. Es ist Sonntag, da ruhen ja bekanntlich Baustellen und diese hier sieht auch nciht allzu lange aus. Sperrschild ignorieren? Ja, da uns ein Auto entgegenkommt, kann man wohl durchfahren. Funktioniert - mit zwei kleinen Sschwierigkeiten. Einen langen Umweg gespart.
Auf einsamen Wegen kreuzen wir durchs flache Land. "Kurven" gibt es nur am Ende von langen Geraden; meist sind es 90 Grad Kurven, die den Äckern folgen. So fühle ich mich am wohlsten - gut eingepackt zwischen Tankrucksack und Gepäckrolle, unter mir das sonore Brummen meiner lieben Lisl.
Um die Mittagszeit braucht mein Laptop Futter - an einer Tankstelle findet sich eine Zweitsteckdose neben dem Kühlschrank. Auch ich gönne mir hier einen sehr leckeren Hamburger, während ich warte bis die Elektronik satt ist. Es ist düster geworden und die ersten Regentropfen fallen - nix wie weg hier! Ha, wir kommen nochmal trocken davon.
Nun folgen wir fast ganz alleine einem kleinen Sträßchen direkt neben der vielbefahrenen Autobahn - schön! Es duftet nach Kläranlage - nicht so schön. Und dann duftet es nach Fichten - schön. Meinem Sitzfleisch wird es ungemütlich - nicht so schön. Es sieht düster aus, der Wetterbericht sagt hier und entlang unserer Route heftigen Regen voraus. Was machen wir denn da? Ich glaub, ich bin wasserscheu geworden! Kann man das auch auf's Alter schieben? "Booking" hilft - ich finde ein günstiges Zimmer in etwa 30 min Entfernung. Die Regenjacke muss ich doch anziehen, aber die Hose spar ich mir in der Hoffnung, dass ich gut genug geschützt bin. Bin ich nicht, aber jetzt ist es sowieso schon zu spät.
Ganz am Ende einer kleinen Straße, am Rande eines Naturschutzgebietes finde ich meine Unterkunft. Eifrig kommt die Dame des Hauses ans große Holztor um mich herein zu lassen. Im strömenden Regen spurtet sie über den Hof und öffnet ein schweres Scheunentor für die Lisl. Sie darf heute Nacht im Trockenen bei Holzduft in der Schreinerei schlafen. Renata, so heißt die sehr nette Hausdame, entschuldigt sich, daß das Zimmer noch nicht fertig ist - ich bin ein "last-minute-Gast". Aber das ist ja gar kein Problem, sie bezieht nur noch das Bett. Ich bin total überrascht! Zu dem Preis (15 € inkl. Frühstück) hätte ich ein einfaches Loch erwartet, aber ich bekomme ein sehr geräumiges Zimmmer mit Sofa und 2 Wänden voller Bücher (meine Tochter wäre begeistert). Es ist super sauber und nett eingerichtet. Renata wundert sich über den Preis, den ich bezahlt habe, booking.com scheint bei der Preisgestaltung ziemlich eigensinnig zu sein. Normalerweise sollte das Zimmer ca.24 € kosten und Frühstück extra. Da habe ich wohl im Lotto gewonnen. Ich biete Renata an, wenigstens das Frühstück extra zu bezahlen, damit sie nicht nur Verlust macht.
Das Gemeinschaftsbad gehört mir alleine, da ich der einzige Gast bin. Ich kann sogar eine Dusche nehmen, wobei zwar schnell warmes Wasser kommt, aber genauso schnell auch wieder kaltes. Und warmes und kaltes...liegt wohl an dem abenteuerlichen Durchlauferhitzer. In der Gemeinschaftsküche stehen Kaffee und Tee zur Verfügung, der Früchtetee schmeckt sogar richtig lecker fruchtig.
Renata warnt mich vor den Überflutungen im Süden bzw. in Tschechien, wovon gerade im Fernsehen bereichtet wird. Ich werde mich informieren und evt. meine Route wieder mal justieren.
Und so residieren wir heute anstatt im Regen: die Lisl in der Schreinerwerkstatt und ich im geräumigen Privatzimmer.