Dienstag, 29. Oktober 2024

Nebulös

Eigentlich wollte ich nur aufstehen und frühstücken. Aber dann geht einfach alles seinen Gang...hier ein Handgriff, dort kann man ein Teil gleich aufladen, dies verpacken, das benutzen. So wird aus "nur frühstücken" ein Multitasking von packen, frühstücken, Zähne putzen, Zelt abtrocknen usw. Und schon steht die Lisl fertig gepackt da und auch ich bin im Anzug. Der Wetterbericht hat recht - es regnet nicht! Das heißt aber noch lange nicht, daß es trocken ist! Wieder was dazu gelernt. Es gibt Hochnebel mit extrem hoher Feuchtigkeitskonzentration. Wir sammeln sie mit jedem Quadratzentimeter unserer Silhouette ein und werden genauso nass wie die letzten Tage. "Der Sonne entgegen" heißt heute: schauen, wo das Licht herkommt. Derweil wurde in meiner Heimat Norwegen die erste Warnung vor Schneechaos veröffentlicht.
Aus Nuegierde betrachte ich natürlich die Gegend auch unter dem Aspekt "Campingmöglichkeit" und stelle zu meiner Zufriedenheit fest: wir hatten mit Abstand die beste (oder einzige) Möglichkeit genutzt.

#

Der Tag beginnt mit einer schönen, kurvenreichen Küstenstraße für die Morgengymnastik. Die Lisl tut sich da leichter, sie hat noch einen leeren Magen (seit 2 Tagen). Mit dem letzten Tropfen erreichen wir eine Tankstelle - die Zapfsäule ist außer Betrieb. Aber es gibt ja noch eine zweite. "Bitte an der Pumpe bezahlen" steht da, denn es ist nirgends eine Kasse zu sehen. Der Kartenautomat ist abgesperrt. Und jetzt? Es kommt ja doch Sprit aus dem Zapfhahn!! Sehr gut. Ich frag mal im Gemischtwarenladen gegenüber, wo man bezahlen kann - je, genau hier. Das Spülbecken hinterm Tresen trägt auch ein Schild "Nicht benutzen, defekt". An einer der beiden Kassen wartet eine lange Schlange alter Leute, um ihre Zeitung zu bezahlen. Vor mir hat eine alte Dame bereits ihren Einkauf bezahlt und gibt jetzt noch ihre Lottoscheine ab. Was kann daran soooooo lange dauern, die zu registrieren? Ich hab mir schon die Füße in den Bauch gestanden, bis ich meine Rechnung begleichen darf. Toilette? Ja, haben sie. Im Restaurant nebenan. Sieht alles nach guter Gemeinschaft aus.

Dieser Küstenabschnitt ist flach, keine Klippen. Der Übergang von Festland zu Moor, Wasserlachen bis zum offenen Meer ist fließend. Nach einem kurzen steilen Aufstieg gelangen wir zwischen Bergen entlang eines munter sprudelnden Flüßchens mit einem netten Wasserfall geht es hinunter zum nächsten Fjord. Ach ist das schön! Der Nebel hat sich etwas gelichtet und ich kann endlich die Motorradbrille absetzen.

Die Gedanken in meinem Kopf entstehen zwar meist in deutsch, aber ich übersetze sie schon automatisch ...derzeit ins englische. Oder ins norwegische? Ich bin mir da nicht sicher. Oft bin ich mir da nicht sicher, denn es tauchen immer wieder Wörter in der falschen Sprache auf oder es fehlen Wörter in der gerade gewünschten Sprache, aber in der anderen sind sie verfügbar. Ein Sprach-Chaos.

Wir entdecken den Connemara Giant, eine Steinstatue am Atlantikufer. ChatGPT beschreibt die Statue so: "Die Statue stellt einen riesigen Mann dar, der eine Art „Kriegerpose“ einnimmt und eine Hand in Richtung Himmel hält." Btte mit dem Foto vergleichen! Und dazu die Historie auf der Metalltafel nebenan. Humor haben sie hier!
In der nächsten Ortschaft möchte mein Navi noch einen Schlenker einbauen - leider gelingt das nicht, denn die gewünschte Straße ist gesperrt. Pferdemarkt. Alles ist voll mit den bekannten Connemara Ponies.

Galway ist schrecklich, was den Verkehr angeht - 30 min stehe ich im Stau. Das bestätigt mir auch Samantha, die Tochter des Hauses, in dem ich heute aufgenommen werde. Sie wohnt z.Zt. mit ihren kleinen Kindern wieder bei den Eltern, da ist Leben in der Bude. Kurz nach 16 Uhr finden wir unsere Übernachtungsmöglichkeit, die Lisl bekommt ein Dach über dem Kopf, das Zelt eine Wäscheleine zum Trocknen. Ich bekomme wieder ein warmes, weiches und vor allem trockenes Bett, David holt das Abendessen beim Inder und zum Nachtisch gibt es Samanthas selbstgebackenen Schokoladen-Gebrutstagskuchen. Und natürlich wieder alle möglichen Benzingeschhichten. Bis ich todmüde bin.