Ich habe wunderbar geschlafen, lange. Ryan bereitet uns ein typisch englisches Frühstück zu, "damit es lange hält". Ja, davon kann man ganz gut satt werden. Es gibt noch ein paar Geschichten, dann packe ich meine sieben Sachen zusammen. Inzwischen hat Ryan schon die Lisl aus ihrem Schlafgemach herausbugisert - das ist ein Service! Ach, geht es mir so gut! Wieder einen interessanten Menschen kennengelernt. Überhaupt bekomme ich Spaß daran, so viele unterschiedliche Menschen und ihre Geschichten kennenzulernen. Eine ganz neue, andere Art zu reisen und zu erleben.
Es regnet. Natürlich. Für heute ist ja auch noch Regen angesagt - zuverlässig. Es war angenehm, in den trockenen Anzug zu steigen, aber jetzt wird er halt unweigerlich wieder naß. Immerhin hält er mich innerlich wieder schön trocken. Ich habe noch einen Tipp "Wasserfall" bekommen. Unsere Route führt sowieso direkt daran vorbei. Parkplatz mit Restaurant und Infotafeln finden sich dort. Ach, man muss noch ein Stück laufen? Ist ja nicht so mein Ding. Insbesondere nicht bei Regen. Mit dem Helm auf dem Kopf gehe ich "mal gucken" und schon sind wir auf dem Weg. Noch ein Stückchen und noch eins. Dann sind schon die angekündigten Treppenstufen da und ich bin beim Wasserfall. Geht doch! Ja, er ist sehr interessant und kann durchaus mit den norwegischen Wasserfällen konkurrieren.
Die von großen Pfützen bedeckte Straße führt am See "Glencar" entlang, manchmal direkt am Ufer. Es fehlen nur noch wenige Zentimeter, bis der Wasserspiegel die Straße erreicht und es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis entweder die Straße überflutet oder das Bankett abgebrochen ist.
Mittlerweile regnet es Bindfäden - wir würden sagen "Schnürlregen". Die Tropfen sind so fein, daß sie nicht von der Motorradbrille abperlen. Hinzu kommt, daß die Brille nun innen beschlägt. Wir fahren also fast blind durch Sligo, eine Ortschaft mit vielen Ampeln und Kreiseln und einigem Verkehr. Wir versuchen einfach, im Verkehr mitzuschwimmen, dann werden wir schon heil durchkommen. Bingo! Nun wird es langsam etwas heller, das heißt, die Wolkendecke wird etwas dünner. Ab und zu spiegelt sich sogar ein Sonnenstrahl in einer der vielen Pfützen.
Intuitiv legen wir noch einen kleinen Umweg ein und folgen dann einer Stichstraße zur Küste. Anscheinend sind wir in einem Surferparadies an der Nordküste bei Easky gelandet. Der Küstenparkplatz ist vollgeparkt, auch einige Campingbusse sind dabei. Weit draußen zwischen den Wellen kann ich eine ganze Menge Surfer auf ihren Brettern paddeln sehen. Sie warten auf die nächste Welle. In Ballina scheint die Sonne nun endgültig durchzubrechen. Entlang der Küste haben wir trotz schlechter Sicht den einen oder anderen Blick auf die faszinierende, typisch irische, wilde Küste erhaschen können. Ich habe ja gestern gelernt, daß die "Wild Atlantic coast road" eigentlich die gesamte Straße entlang der Westküste Irlands ist und nicht nur ein kleines Stück.
Wie sich doch immer wieder alles fügt: ein kleiner Imbiß (was ich schon eine Zeitlang suche) taucht auf (davor stehen einige Autos mit Jetski im Schlepptau), für die morgige Nacht bekomme ich eine Zusage und mir wird sogar ein Bett angeboten (eigentlich war nur ein Garten im Angebot), und ich bekomme endlich die Info über den Standort der Fa. Kelly (ich möchte dort gerne eine spezielle Outdoor-Teekanne kaufen). Das mit der Teekanne wird jedoch leider nicht klappen - ich hatte schon mal eine im Internet bestellt, die nie angekommen ist. Nun ist die Firma 10 min von meinem Standort entfernt, aber es wird niemand dort sein (Feiertag). Dennoch fahre ich vorbei - es liegt ja am Weg - und finde eine Villa vor, die von einem schönen Regenbogen überspannt wird. Liebe Teekanne, wir Beide sollen wohl nicht zusammen kommen.
Das Wetter ist im ständigen Wechsel - Sonnenschein und Straßengischt oder Nieselschauer. Richtung Süden sieht es hell aus, aber wir machen noch einen Abstecher nach Norden. Dort hängen weiterhin die grauen Wolken. Also, jetzt aber nix wie ab in den Süden und Schlafplatz suchen! Es fängt schon an zu dämmern, höchste Zeit, endlich einen Schlafplatz zu finden. Wie so oft ist es schwierig. Bis zum Besucherzentrum des Naturparks sind es noch einige Kilometer und ich weiß nicht, was mich dort erwartet. Also nehme ich mit einem Parkplatz an der Straße vorlieb, der von einem Zaun umgeben und mit einer Sitzgarnitur ausgestattet ist. Nicht besonders romantisch, aber funktionell. Diesmal verwende ich die Hängematte wieder als Zelt, das Tarp hat sich nicht bewährt. Damit die Zelthöhe nicht ganz so niedrig ist, unterstütze ich die Spanngurte noch etwas mit Walkingstöcken - aber nicht zu hoch, sonst verbiegen sie ja wieder. Das Zelt schwebt jetzt ohne Inhalt knapp über dem Boden, mit Inhalt liegt es auf. So wollte ich das haben. Der nächste Nieselschauer treibt zur Eile, bei Dunkelheit sollte man wissen, wo alle Teile zu finden sind. Schließlich steht der Aufbau, Stiefel und andere Dinge sind wasserdicht verpackt und liegen auf dem Tisch. Der (nasse) Motorradkombi hängt im Zelt...das ist nicht optimal, aber es geht nicht anders. Fertig! Es nieselt mal wieder, aber ich sitze im Trockenen.