Montag, 21. Oktober 2024

Nördlicher Wendepunkt

Heut geht's weiter, egal was der Wetterbericht sagt - der hat mich nur EINMAL reingelegt. Es ist nass und ungemütlich draußen, aber derzeit regnet es immerhin nicht. Ich fädele die Lisl aus dem Hinterhof und bepacke sie auf der Straße, dann heißt es um neun Uhr bereits "tschüß".


Die Wettergötter Thor und Freyr streiten heute den ganzen Tag miteinander: kleine blaue Löcher zwischen den Regenwolken lassen die Sonne durchblitzen und verhindern den ganzen Vormittag die Dusche von oben. Allerdings werden wir mehrfach mit großen Tafeln vor heftigem Regen gewarnt. Anscheinend fahren wir diesem jedoch hinterher und bekommen so nur die Auswirkungen in Form von häufig überfluteten Straßen zu spüren. Straßensperrungen wegen abgebrochenem Bankett gibt es auch. Die Morgensonne hinter, die schwarze Wolkenwand vor und die bunte Natur um uns ergeben ein interessantes Lichtspiel.

Der Straßenbelag hier oben ist rau und zerrissen, das läßt die Lisl auch mich spüren. Vielleicht hilft das ja gegen rutschen auf dem nassen Blätterteppich? Wir probieren es auf jeden Fall nicht aus. Mehrfach wurde ich vor Radarfallen und Polizeikontrollen gewarnt - nie haben wir jedoch bisher damit zu tun gehabt. Gerade als mir diese Gedanken durch den Kopf gehen, passieren wir einen Parkplatz, auf dem bestimmt 10 Polizeiwagen stehen. Ich vermute eine LKW-Kontrolle. Kurz darauf stelle ich fest, dass wir den ganzen Morgen ohne Licht gefahren sind - ups!

Die Landschaft wird bergiger, aber es sind eher so von Riesen dahingesetzte Haufen, mit braunem Farn und dunkelgrünen Bäumen geschmückt. Wayne, mein nächster Gastgeber in Inverness, wünscht uns einen genußreichen Trip bei dieser strahlenden Sonne. Welche Sonne? Mittlerweile begrüßen uns die Highlands in der dichten Wolkenwand und wir werden klitschnass geduscht. Meine Klamotten inklusive der Stiefel sind zwar wasserdicht, aber die feuchte Kälte kriecht trotzdem in die Knochen. Alle Sehenswürdigkeiten und Attraktionen lassen wir rechts oder links liegen, es ist ja ohnehin nichts zu sehen. Kurz vor der Verzweiflung läßt sich die Sonne blicken, aber kaum glauben wir, endlich alles überstanden zu haben, kommt der nächste Guß. Und dann bekommt die Lisl Durst - wir haben schon lange keine Tankstelle mehr gesehen. Wie gerufen steht da schon eine am Weg! Es gibt auch einen heißen Kakao und jede Menge nützliches Zeug! So viel verschiedene Ölsorten, nur leider kein Getriebeöl!

Was ist das? Bei North Laggan fordert uns ein rot blinkendes Andreaskreuz vor einer 100 m weiter stehenden Schranke zum Anhalten auf. Ein Zug? Nichts tut sich. Dann bewegt sich etwas, sieht aus, als ob es die Brücke einer Fähre wäre. Es bewegt sich an seinen ursprünglichen Ort zurück und wir dürfen weiterfahren. Die Lösung: es handelt sich um eine Drehbrücke. Sehe ich zum ersten Mal. Loch Ness befahren wir auf der Südseite, einer Nebenstraße. Hier ist kaum Verkehr, die Straße führt uns kurvenreich auf eine schöne Hochebene und später wieder ebenso hinunter. Von da oben ist zwar der riesige See nicht zu sehen, aber bis Inverness folgen wir dem Ufer noch lange genug.

Ich bin sehr gespannt auf meinen heutigen Schlafplatz: ein Boot im Hafen. Der direkte Weg ist wie so oft leider gesperrt, aber wir finden dennoch recht gut zur angegebenen Adresse, einer Agentur für Bootsausflüge. Nein, einen Wayne kennt man hier nicht. Der Hafen ist ja auch voll von allen möglichen Booten. Da kommt er schon, mit seinem hübschen Hund, begrüßt mich und begutachtet die Lisl. Sie darf heute ins Trockendock und ruht gut bewacht zwischen Segelschiffen. Wayne führt mich zu seinem urigen Bootchen - ein Abenteuer. Sehr eng aber überaus zweckmäßig mit vielen Tricks eingerichtet. Es ist lustig und ich fühle mich gleich wohl hier. Jeder von uns möchte mehr erzählen, dann hat Wayne eine Verabredung zum Dominospielen in seiner Kneipe. Reizvoll, aber ich bevorzuge, die Zeit zum Schreiben des Blogs zu nutzen. Bis morgen...