Mittwoch, 9. Oktober 2024

Dartmoor

Das Hotel wird natürlich ausgenützt - ausschlafen, duschen, feudal frühstücken. Die Rezeptionistin hat mir einen Adapter für die Steckdose ausgeliehen, den muss ich natürlich zurückgeben. Sie überlegt, wo man in diesem kleinen Städtchen so etwas kaufen könnte. Beim zweiten Tipp, einem Zeitungskiosk, werde ich fündig. Komisch, wie man über das Motorradfahren immer wieder ins Gespäch kommt - und diesmal dauert das Benzingerede lange. Bei der Abfahrt soll ich unbedingt nochmal bei ihm halten - er will die Lisl besichtigen. Gesagt, getan!

Bis zur Bear Down Farm ist es nicht weit, nur ca. 20 km. Einige Orte dorthin kommen mir schon bekannt vor, z.B. Postbridge. Die Einfahrt verpasse ich erst und an den steilen, ausgewaschenen Teil der geschotterten Auffahrt kann ich mich auch nicht mehr erinnern. Aber an das Haus schon! Und an die schönen Plätze unten am Bach! Da strahlen 2 junge Bäumchen in herbstlichem rot-orange zwischen den uralten, kugelrunden Genossen. Ja, hier war ich mit knapp 16, um zum ersten Mal allein von Hause weg meine mageren Englischkenntnisse zu verbessern. Hat mir gut gefallen, auch wenn der Hof damals schon genauso schlampig aussah wie jetzt. Ich fühle mich hineinzufühlen in die Zeit damals. Ganz gelingt es nicht, denn die Umstände sind anders und es kommt mir auch nicht mehr alles ganz bekannt vor. Ist ja schließlich auch schon sehr lange her.
Eine junge Frau mit 2 kleinen Kindern, die hier wohnt, kennt die Familie von damals nicht. Anscheinend haben sie kurz nach meinem Aufenthalt bereits die Farm aufgegeben. Der Landrover von damals ist natürlich auch nicht mehr da, dafür steht jetzt ein Quad zur Verfügung.

Das aus Kriminalromanen berühmt-berüchtigte Dartmoorgefängnis liegt ganz in der Nähe und da soll es auch ein Museum dazu geben. Als ich die Lisl parke, kommen zwei Polizeibeamte auf mich zu und erklären mir, dass dies kein öffentlicher Parkplatz ist. Ich bin nicht am Museum, sondern am Gefängnis selbst. Es wird mittlerweile nicht mehr benutzt, ist aber erst seit einigen Monaten geschlossen - ich dachte, das wäre schon sehr viel länger her. Im Museum erfahre ich dann noch, dass es 1809 zum ersten mal belegt wurde, mit französischen Kriegsgefangenen.

So, auf jetzt Richtung Norden, Wales. Einige der Ortsnamen kommen mir noch sehr bekannt vor hier. Vom Hochmoor auf gut 400 Metern Höhe hat man einen herrlichen, weiten Blick über das Land und die rechteckig abgegrenzten Weiden. Nichts behindert den Blick, es gibt hier oben keine Bäume, nur Moor und Grasbüschel. Und Schafte natürlich! In Tavistock ist Vieh- und Jahrmarkt, das ist fast kein Durchkommen. Um 4 Uhr am Nachmittag sind wir erst gut 70 km gefahren - ups. Wenn wir so weitermachen, bleiben wir wohl in England stecken. An einer Tankstelle gibt es einen typisch englischen Imbiss und dann greifen wir nochmal an. Sehr enge Straßen und Sträßchen, kaum kommen die Autos aneinander vorbei, aber kurvig, eingemauert und wildromantisch. Auch der Himmel ist wildromantisch - die Schäfchenwolken werden mehr und mehr von drohend schwarzen Ungetümen verdrängt. Fühlt sich ungemütlich an. Aber irgendwie haben wir wieder ziemliches Glück, es nieselt nur ein paar mal, aber ich kann die Regenhose eingepackt lassen.

Ich geb's auf, Übernachtungsplätze im Freien zu finden scheint unmöglich zu sein. Die wenigen Bäume, die es gibt, sind eingemauert bzw. sind auf den Mauern, Wällen oder in den Hecken gewachsen - keine Chance für eine Hängematte. Und ein Aufbau als Zelt geht nicht wegen dem moorigen oder schlammigen Untergrund. An der Küste bei Lynton sind angeblich ein paar Campingplätze, meine letzte Hoffnung. Es ist schon spät und die Rezeption auf der Farm ist natürlich geschlossen. Ich melde mich telefonisch - wir werden uns morgen früh sehen. Direkt hinter den Stallungen ist ein kleiner Rasenplatz abgezäunt, da kann ich meine Koje wenigstens am Zaun festmachen. Der Untergrund ist auch ziemlich sauber, denn natürlich ist der Zaun nicht hoch genug zum "hängen". Es duftet nach Pferd.
Die Sanitäranlagen und Wasserhähne sind in der Scheune direkt nebenan. Um überhaupt was auspacken zu können, schleppe ich meine Packsäcker zuerst zum abduschen dorthin. Sogar die Lisl bekommt heute Abend eine Handwäsche! So etwas gibt es nicht einmal zu Hause! Nur das Nötigste natürlich, es muss so viel Schlamm weg, dass man wenigsten die groben Umrisse einzelner Bauteile wieder erkennen kann. Dann noch ein ganz kurzer Spaziergang Richtung Abendhimmel den Hügel hinauf und dann ist das Licht weg.