Es ist schon sehr spät und ich sehr müde - mal sehen, was ich vom Tag noch alles zusammen bekomme.
Die Nacht auf der Fähre ist schlaflos. Ich hatte zwar einen reservierten Liegesessel, aber in der Lounge hat einer vermutlich zu viel getrunken - es stinkt ziemlich und der Typ ist auch ziemlich laut. Es gibt ab noch eine zweite Lounge, die fast leer ist. Also ziehe ich erstmal um, mache mich dann auf dem Boden lang weil ich im Sessel Rücken- und Beinschmerzen bekomme. Hilft nichts - ich kann zwar "ruhen" und die Augen schließen, aber Schlaf stellt sich nicht ein. Um 6 Uhr gehe ich dann verzweifelt frühstücken. Kurz vor 8 rollen wir durch einen gepflegten Ort mit schönen Grünanlagen und älteren, verzierten Steinhäusern. Ein komplett anderes Flair als in Skandinavien!
Die aufgehende Sonne und ihr Widerschein von der nassen Straße blenden so sehr, dass ich keine Straßenschilder erkennen kann. Auf gut Glück finden wir aus Ventspils hinaus und landen anscheinend auf der richtigen Straße. Obwohl sie sich "Autobahn" nennt, ist die neue, breite Straße nur zweispurig, führt durch Ortschaften und beseitzt auch manch nette Kurve - also vergleichbar mit einer deutschen Bundesstraße. Sehr überraschend sind Zebrastreifen, die an versteckten Bushaltestellen auf die Fahrbahn gemalt sind. Die meiste Zeit herrscht wenig Verkehr, so dass wir entspannt rollen können. Verfallende Gebäude wechseln sich mit gut gepflegten Anwesen in geräumigem Abstand ab. Wälder, Wiesen, Felder, Seen, Flüsse - eine abwechlungsreiche Landschaft. Ich habe weiterhin die Regenjacke an - gegen den Fahrtwind. Die Überhose spare ich mir, sie macht mich so steif und meine Beine sind durch die Tanktaschen und die Zylinder gut gegen die Straßennässe geschützt.Die Lisl hat Durst, sagt sie und dreht mir den Gashahn zu. Bis Riga wird's eng, aber Tankstellen gibt es genug! Auch ich gönne mir etwas - die Cola soll meine Müdigkeit bekämpfen und die Aufmerksamkeit steigern. Zurückgeben kann ich die Pfandflasche nur am Automaten hinterm Haus, der mir einen Coupon ausdruckt. Mit dem bekomme ich aber an der Kasse kein Geld, sondern könnte mir etwas mit 10 ct Rabatt kaufen. Absurd! Die Kassiererin hat keine Lust auf Diskussionen, daher holt sie missmutig aus der Kaffeekasse den Zehner und ich dampfe damit ab.
Gegen 11 Uhr sind wir dann in Riga im Zentrum. Kulturschock! Dichter Verkehr mit Staus, tonnenweise Verkehrsschilder, die man gar nicht alle aufnehmen kann, mehrspurige Straßen, Einbahn- und Sackgassen. Irgendwie landen wir doch in der Nähe eines Zentrums und die Lisl wird in einer (dunklen) Seitenstraße versteckt. Auf einen gebührenpflichtigen Parkplatz fahren wir nicht! Es ist warm geworden, aber ich muss den Tankrucksack schultern und die doppelte Jacke darüber hängen - ganz schön schwer, dieses Paket. Die Füße und Knie schmerzen, ich laufe nicht gerne. Aber ein bisschen Kultur muss schon sein. Über grobes und unebenes Plaster grase ich durch enge Gassen eine Sehenswürdigkeit nach der andern ab. Eigentlich geht es nur um den Gesamteindruck der historischen Gebäude und Kirchen. Vor dem Palast auf der Dina ankert ein Kreuzfahrtschiff, so eine Dreitausend-Seelenverkäufer mit all inclusive. Halt durch, die Karte zeigt noch ein paar Attraktionen. Ich kann nicht mehr - auf einer Bank, die ein Kräuterbeet umrandet schlafe ich in der Sonne neben duftendem Salbei ein. Nicht genug, aber es gibt wieder ein wenig Kraft. 2 altmodische Postkarten sind schnell gefunden, die schweißtreibende Suche nach Briefmarken jedoch kostet mich noch Nerven. Aber auch das ist irgendwann geschafft, jetzt muss ich nur noch die Lisl wiederfinden. Klappt FAST auf Anhieb.Aus Riga geht's dann noch knapp 20 nach Norden bis zu Alwin und Via. Hier wohnen 3 Generationen unter einem Dach. Mit Alwin bin ich zur Grundschule gegangen, dann haben wir uns nicht mehr gesehen bis 2010 und seither auch nicht mehr. Dementsprechend gibt es viel zu erzählen und zu hören. Vor lauter Reden kommen wir erst gar nicht vom Hof los und als wir schließlich in der Küche sitzen, bleibe wir dort bis tief in die Nacht. Fürstlich werde ich bewirtet! Und auch nach der dritten Verabscheidung mit "Gute Nacht" kommt wieder ein "weißt Du noch?"... Jetzt aber wirklich gute Nacht!
Aber erst noch duschen (ist nötig) und bloggen.