Mittwoch, 13. November 2024

Gegensätze

Gestern abend bin ich noch zum Essen ca.350 m in ein Restaurant gegangen - auf dem Heimweg wurde ich klitschnass und fast weggeblasen. Es ist schön, ein trockenes Plätzchen zu haben!
Morgens um acht prüfe ich alle herumhängenden Teile - alles trocken! Dafür sind die Fensterscheiben beschlagen. Alles wird ordentlich eingepackt und zur Lisl gebracht, die auf dem Parkplatz um die Ecke steht. Dann freue ich mich auf das Frühstück, das im Buchungsportal für 5 € angeboten wird. Aber das Restaurant ist vergittert und die Rezeption verschlossen. Gibt nix! Schade. Aber wenigstens die Lisl soll ein feudales Frühstück haben, auch wenn eine Tankstelle in 6 km Entfernung schwierig zu finden ist. Dafür werden wir hier sogar bedient, ich bekomme ein leckeres Croissant und auch mein Wasser, das ich vergessen habe aufzufüllen, kann ich hier bunkern. Lasset den Tag beginnen!

Wir treiben uns heute im "Kantabrischen Gebirge" herum, die Pyrenäen haben wir schon lange hinter uns gelassen. Die Sonne blendet auf der nassen Fahrbahn, in den Bergen hängen noch die Wolken. Die Navi-einstellung "schnell und kurvig" heißt natürlich auch "bergig" und das heißt "wolkig" und das widerum heißt "Regen". Laut Wetterbericht soll es in der Gegend sogar geschneit haben - was stimmt, wie wir später feststellen werden. Schon zu Beginn winden wir uns in engsten Serpentinen auf 530 m Höhe hinauf. Selbst im zweiten Gang hat die Lisl genug Kraft, um bei minimaler Geschwindigkeit zuverlässig jede Kehre und Steigung zu meistern. Es ist schön, wenn man sich so auf einander verlassen kann! Statt Regen strahlt nun blauer Himmel auf uns herab, die Luft ist klar und rein vom nächtlichen Vollwaschgang! Am Wasserstand in den Straßengräben, den Pfützen und Tümpeln auf den Weiden kann man erahnen, welche Regenmengen heute Nacht gefallen sind. Auch ein paar Sturmschäden sind nicht zu übersehen.

Nett sind die gefassten Bergquellen, an denen bunte Tassen zum Trinken einladen. Kuhfladen und Pferdeäpfel zieren die schmalen, einspurigen Straßen, in jeder Kurve könnten wir vor einem Hindernis stehen. Nach dem ersten Pass liegt eine Bergkette zwischen uns und der Küste. Wir folgen einem kleinen Tälchen, auf einer Felsnadel direkt neben der Straße scheuchen wir einen Falken auf. Oliven- und Kastanienbäume bereichern die Wälder. Das war ja vielleicht ein geiles Sträßchen! Pässe hinauf, in die Täler hinab, Kehren nach links und Kurven nach rechts (oder umgekehrt), Sonnen- und Schattenseite der Berge, Licht zwischen den Weiden und Schwärze durch die Wälder - das sind Gegensätze! Es ist sooo ein schöner Tag!

Oh, ich hab dem Navi "kleinste Sträßchen" erlaubt? Na, da brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir nach 2 Stunden noch nicht einmal 50 km zurückgelegt haben! Dann gelangen wir auf einen ca. 7 km langen Abschnitt wo lediglich rudimentäre Asphaltplatten die Rechtfertigung einer "befestigten Straße" darstellen. Die Löcher dazwischen erstrecken sich oft über die ganze Straßenbreite, ein Stück weit entspricht die Qualität eher einem Waldweg. Da beschließe ich, für den restlichen Tag "kleinste Straßen" zu vermeiden. Nur hilft das leider nichts, wir sind mitten im Nirgendwo! Eine weiße Mittellinie ziert den nächsten Abschnitt eines immerhin asphaltierten einspurigen Weges und definiert ihn damit als zweispurig. Ich frage mich, welche Fahrzeuge dafür als Referenz dienten? Plötzlich lugt eine Fahrzeugschnauze von unten links auf unsere Spur. Oh, ich hätte gar nicht gemerkt, daß wir hier abbiegen müssen (geradeaus scheint die Straße an einem Hof zu enden)! Sehr steil führt eine bemooste Betonpiste abwärts. Endlich greift die veränderte Navi-Einstellung, die Straßen werden etwas breiter, der Belag etwas besser. So gut, daß die Behörden hier schon Geschwindigkeitsbegrenzungen festgelegt haben: 50/40/30... Das ist deutlich schneller, als wir bisher unterwegs waren.

Bereits gegen 15 Uhr bin ich ziemlich müde, satt, erschöpft und habe keine Lust mehr. Zwar scheint die Sonne, aber sobald sich eine Wolke davor schiebt, wird es kühl. Ich denke an die kalten Finger beim Blogschreiben am Abend im Zelt und beschließe kurzerhand, mal nach einem Dach überm Kopf zu suchen. Die Bikergruppen sind hier nicht vertreten, aber bei Booking sticht mir ein Hostel in Gijon ins Auge. "Surfer Hostel" - für 22 € im 4-Bettzimmer, Frühstück inklusive. Das gefällt mir! Um nun schnell dorthin zu kommen, nehmen wir sogar ein Stück Autobahn in Kauf und sind in weniger als einer halben Stunde dort. Auch durch die Stadt kommen wir ohne größeren Streß. Das Hostel ist sehr gemütlich, Surfer natürlich, nette Leute. Im Garten scheint die Sonne, auf der Terrasse stehen bequeme Möbel. Aber kaum sitze ich, um zu schreiben, zieht es zu und ein ekliger Wind kommt auf. Gut, daß ich nicht in "der Wildnis" bin! Die Lisl bekommt noch etwas Aufmerksamkeit: Luftdruck und schmieren des Bremshebels. Dann darf sie sich auf einem Parkplatz in kurzer Entfernung ausruhen.

Wir sind heute nur halb so weit gekommen wie geplant, aber herrlich war es!!!