Dienstag, 12. November 2024

Winter...?

Pünktlich zum Tagesanbruch setzt der Regen ein. In der Nacht ist ein Reißverschluß des Moskitonetzes kaputt gegangen, so daß man es nicht mehr schließen und dieses das Überzelt abhalten kann. Mein großes Tarp scheint in keinster Weise wasserdicht zu sein, darum ist schließlich alles naß: Tarp, Koje, Luftmatratze und Schlafsack. Und ich. Der Helm soll "die Frisur trocken" halten, aber das halte ich nicht durch. Ich komme beim Packen ordentlich ins Schwitzen, obwohl nur 9 Grad herrschen. Packvolumen und Gewicht haben um den Wasseranteil zugenommen. Der Wetterbericht verspricht keine Besserung - es ist halt jetzt Winter. Als alles gepackt ist, taucht die Sonne auf und lacht mich aus. Nicht lange....

"Schnellste Route ohne Schnellstraßen" heißt noch lange nicht, daß wir schnell sind! Auf gemischten Landstraßen führt uns die Reise durch's Ebro-Tal. Die Straße ist naß bis trocken, die Traktoren schleppen die Erde auf den Asphalt und in den Kurven liegt oftmals Laub. Meinem Hinterreifen mit wenig Negativprofil traue ich nicht über den Weg, er hat schon gestern auf dem Weg zum Lagerplatz nicht richtig gegriffen. Das Profil "Adventure" heißt vermutlich so, weil es zum Abenteuer wird, wenn man vom Asphalt abkommt.

Verschwitzt wie ich bin, komme ich schon bald in's Frösteln. Im Hals kratzt es schon seit gestern. Ich freue mich auf eine heiße Dusche im Hotel, aber bis dahin ist es noch meilenweit! Kurz vor Mittag findet sich eine Bar in einem kleinen Dorf. Ob sie wohl offen ist? Ein paar Männer trinken drinnen Kaffee, der Barkeeper ist schrecklich beschäftigt und spricht praktisch kein englisch. Aber eine Tasse Tee kann er mir machen. Eine heiße Suppe? Gibt es erst ab 13 Uhr. Tortilla kann er anbieten und auch aufwärmen. Er stellt noch einen Korb Brot dazu - alles zusammen kostet 3 €, 1 € lasse ich als Trinkgeld liegen. Kaum sitze ich an einem Tisch, kommt er schon mit einer Tasse heißer Brühe hinter mir her - das ist toll. Ein guter deal!

Zumindest leicht aufgewärmt mache ich mich bald wieder auf die Socken, jetzt lugt sogar die Sonne raus. Nach jeder Kurve ändert sich die Stimmung: nach Linkskurven haben wir blauen Himmel und weiße Wölkchen vor uns, nach Rechtskurven schwarze, tiefhängende Regenwolken. Für die nächsten Stunden bleiben wir allerdings zum Glück vom Regen verschont. Unmerklich sind wir ziemlich hoch hinauf gekommen - ein geiles Sträßchen mit grandiosen Ausblicken hat uns bis auf 1200 m Höhe geführt, wo der Wind so stark bläst, daß ich die Lisl im Stand kaum mit den Beinen aufrecht halten kann. Auf der gesamten Strecke - also von der letzten Ortschaft bis zur ersten Ortschaft habe ich überhaupt nur 2 Fahrzeuge gesehen! Einen Namen hat der Paß anscheinend nicht, aber er liegt in der Nähe des Pico del Rostro.

Unsere heutige Etappe neigt sich dem Ende zu - die Lisl tut heute wieder treu und zuverlässig ihren Dienst - da erwischt uns wieder ein heftiger Regenguss. Angeblich ist es hier schon viel wärmer (19 Grad!?), aber irgendwie dringt das nicht bis zu meinem inneren Thermometer durch.
Ein hübsches Zimmerchen in einem ganz kleinen Hotel an der Küste erwartet mich! Bevor ich die Dusche nutze, muss ich noch das ganze Zeltgeraffel irgendwie zum trocken bekommen - alle Türen, Schranktüren und Fenster werden vollgehängt, der Schlafsach auf dem Bett ausgebreitet und die Luftmatratze steht mitten im Zimmer. Bin gespannt, welchen Feuchtigkeitspegel ich bis morgen früh erreichen kann. Die morgige Route plane ich jetzt genau nach Wettervorhersage: möglichst wenig Regen, aber kalt wird's trotzdem.