Sonntag, 26. Januar 2025

Amalfiküste und eine liebe Manuela

Um 7 Uhr erwacht der Ort mit Böllerchüssen, gefolgt von lautem Glockengeläut. Ein bißchen möchte ich noch liegen bleiben, aber um halb neun stehe ich ziemliche schwindelig auf. Normalerweise wird das beim Packen besser, heute leider nicht. Der Himmel ist bedeckt, die Luftfeuchtigkeit ziemlich hoch, alles fühlt sich klebrig feucht an. Um zehn Uhr habe ich einen 2 1/2-stündigen Videokurs, dazu hätte ich gerne ein "warmes" Plätzchen mit Strom. Die Bar neben der Kirche ist der einzige Platz dafür. Im Innenraum ist für ca. 5 Leute Platz, eine Radlertruppe füllt den Raum mit bestimmt 20 Leuten, einer lauter als der andere. Männer zwischen 40 und 70 in den üblichen schwarzen, hautengen langen Unterhosen, einem Rennradlershirt und diesen hohen Noppen unter den Schuhen. Die Wirtin kommt mit ihrer Stimme oder dem Geschirrgeklappere kaum dagegen an, darum dreht sie einfach die Musik lauter. Wie soll ich da etwas verstehen? Eine Zeitlang werde ich ja ohne Strom auskommen, darum setze ich mich nach daußen; dort ist es kalt ohne Jacke und alle viertel Stunden schlägt die Kirchturmglocke direkt über mir. Sie übertönt auch noch das Treiben in der Bar. Ich bin genervt, bekomme Kopfschmerzen. Gegen den Hunger kaufe ich noch eine Pizzaschnitte, aber bitte nicht in der Mikrowelle warm machen, die war gestern sooo feucht, da esse ich sie lieber kalt. Ich brauche Ruhe!

Die heutige Etappe fängt mit unzähligen Kurven an - laut Navi. Davon habe ich geträumt! Vielleicht hilft das gegen trübe Stimmung? Ruhe haben wir da definitiv, aber sowohl Lisls hakeliges Lager als auch mein dussliger Kopf sind ein großes Hinernis. Wären wir fit, wäre der Spaß sicher doppelt so groß. Ich muss mich wieder auf die Straßenführung konzentrieren und die Lisl manchmal etwas eckig durch die Kurven dirigieren. Auf der Südseite der Landzunge folgen wir der Amalfiküste, sicher eine sehr bekannte und beliebte Motorradstrecke. Jede Menge Kurvenheizer oder Tourenfahrer begegnen oder überholen uns flott. Ich komme mir mit unserem vorsichtigen Omatempo wie ein Verkehrshindernis vor. Ich habe für diesen Abschnitt Kurvenpsaß erwartet, aber daß die Straße so unendlich viele Kurven und Kehren, Vielfalt und grandiose Ausblicke bietet, hätte ich mir nicht träumen lassen! In Bildern kann man die Eindrücke gar nicht wiedergeben. Senkrechte Abbrüche rechterhand und linkerhand hohe, senkrechte, löchrige Felswände. Es gibt viele Höhlen oder Vertiefungen, die mit Tropfsteinen (Stalagtiten) bestückt sind. Die Straße auf halber Höhe der Felswände, folgt diesen durch jede Kluft, um jede Felsnase oder noch so kleine Windung - kein einziger Meter verläuft gerade! Das diesige Wetter, das heute morgen noch auf's Gemüt gedrückt hat, kann dem Vergnügen nun nichts mehr entgegensetzen. Dir Kopfschmerzen sind vergessen.



In 2 Stunden sind wir lediglich 50 phantastische km weit gekommen. Die herrliche Straße endet in Salerno, hier finden wir uns bald auf einer Schnellstraße wieder. Das ist gut so, nur weg von den rabenschwarzen Wolken hinter uns. Bei einem kurzen Stopp an einer Raststätte kann ich mein Wasser auffüllen. Ich habe fast nichts mehr zu essen, aber hier gibt es eben nur den üblichen Junk-food, den ich nun notgedrungen mitnehmen. Heute kein Obst oder Gemüse. Jetzt schnell noch ein paar Kilometer hinlegen, und dann einen Platz anfahren, der als "verlassener Campingplatz" am Meer deklariert ist. Noch etwa 15 km entfernt locken jedoch bereits Stichstraßen direkt an den Sandstrand, der sich durch Pinienwälder von den Häusern abgrenzt. Der erste Platz ist total vermüllt, der zweite ist schon besser, aber auch noch nicht zufriedenstellend. An der dritten Stelle ist schon richtig viel los, es gibt auch eine geflieste Strandpromenade, die am Wendekreisel endet. Sieht ganz gut aus, aber noch zu viele Menschen. Am Ende der Promenade führt ein Sandweg vom Getümmel weg, da fahre ich leichtsinnigerweise rein. Ich dachte, der Untergrund wäre fest? Ne, dumm gelaufen, die Lisl eiert und gräbt sich im Sand ein. Also wenden! Als sie richtig feststeckt, steige ich ab und  möchte dann schiebend helfen. Da kommen zwei Frauen, die jüngere spricht mich auf schwitzerdütsch an, ob sie helfen soll. Gerne - ich komme zwar ziemlich gut alleine klar, aber die helfende Hand war sehr lieb. Manuela und ihre Mama (Italienerin) waren spazieren - Manuela ist eine total empathische, offene und liebe Frau. Irgendwie toll. Sie beschreibt mir, wo es bessere, geschütztere Plätze gäbe und besteht sogar darauf, mir diese zu zeigen. Letztendlich fahre ich an der Promenade entlang Richtung Süden, bis ich zwischen geschlossenen Bars einen Platz auf der Strandseite finde. Die Lisl findet etwas entfernt eine Auffahrt zur Promenade und darf dort übernachten. Wie Manuela angekündigt hat, verzeiehen sich die Menschen so langsam, eine junge Familie warnt mich allerdings noch vor "bösen Marokkanern". Ich fürchte mich jedoch nicht, denn die Promenade ist hell beleuchtet.