Donnerstag, 3. Oktober 2024

Könige der Feld-, Wald-, Wiesenwege!

Kurz nach sechs erwacht das Hotel. Hinter mir quietscht die Zimmertür, vor mir hustet sich eine Raucherin wach. Der "ocean-fresh"-Duft ist immer noch nicht verflogen.
Noch ein paar Worte zum "Premier Class Hotel": Am Morgen tröpfelt das Wasser aus dem warmen Hahn. Frühstück gibt es getrennt für uns und für die Gäste des angenzenden "richtigen" Hotels. Für uns gibt es nur süßen Brotaufstrich - an der Rezeptiion frage ich nach Käse. Die Verständigung ist schwierig und schließlich gibt die Rezeptionistin auf und bringt mir 4 Scheiben Käse. Ich bin ein bisschen ärgerlich über das magere Frühstück, darum packe ich mir davon ein ordentliches Vesper ein.
Nun muss nur noch die Lisl an der nahen Tankstelle versorgt werden. Leider finde ich keine Luft für ihre Reifen, muss ich eben ein anderes mal danach schauen. Die Motorradklamotten sind leider nicht getrocknet, ich hoffe nur, dass ich damit nicht allzu sehr friere.

Ein geschotterter Feldweg? Nein, das wollten wir eigentlich nicht. Ah, das Navi hat durch das viele Wasser gestern seine Einstellungen selbständig geändert. Ok, zurücksetzen und ab sofort wieder befestigte Wege finden. Über unsere Nebenstraßen bekommen wir einen ganz anderen Eindruck des Landes, als wenn man über Hauptstraßen von Stadt zu Stadt fährt. Wieder gibt es keine Läden oder Versorgungsmöglichkeiten entlang unserer Strecke.

Es ist trüb, die Sonne kann die dicke Wolkendecke nicht durchbrechen. Nach und nach trocknen die Klamotten, die Straße trocknet ab, was aber nicht heißt, daß wir nicht ab und zu wieder ein Schlammfeld passieren müssen. Das nächste kleine Sträßchen ist anscheinend so wenig befahren, daß sich in der Mitte bereits Moos breit gemacht hat. Am Ende landen wir an einem kleinen verfallenen Häuschen mit einem nagelneuen Auto davor. Ein Blick um die Ecke in den Garten zeigt, daß es wohl gerade renoviert wird. Pilzgeruch steigt mir in die Nase. Der anschließende Feldweg war vermutlich vor vielen Jahrzehnten tatsächlich asphaltiert, davon ist aber jetzt nichts mehr zu sehen. Um uns herum braune, verblühte und verwelkte, erntereife Sonnenblumenfelder. Wir sind in der Champagne - ich wußte gar nicht, daß Champagner aus Sonnenblumen und nicht aus Weintrauben gemacht  wird...von Wein ist nämlich weit und breit nichts zu sehen. Lediglich ein paar einzelne Bananenstauden in einem Vorgarten zeugen von mildem Klima.
Das ist ist das Paralleluniversum, das wir gesucht haben: saubere einspurige Ortsverbindungen oder Landwirtschaftswege kreuzen orthogonal die gelegentlich auftauchenden größeren Straßen. So gefällt uns das! Könige der Feld-, Wald-, Wiesenwege!

Mittlerweile sind wir in der großen Ebene zwischen Paris und Orleans angekommen. Kein Wald, kaum Bäume. Die wenigen Waldstücke sind dicht verkrautet, keine Chance, die Koje aufzuhängen. Muß heute mal das Tarp herhalten? Ein gut gepflegter Sportplatz am Ortsrand sieht verlockend aus aber die Nähe zu den Häusern stört mich. Wenige hundert Meter weiter liegt das Chateau de Beauclair, ein hübsches kleines Schlösschen neben einem Aussiedlerhof.
Der Park sieht einladend aus, aber dort zu nächtigen wäre wohl zu frech. Also nutze ich eine kleine Mauer am Schloßgraben, um mein Tarp daran anzudocken. Es bläst ein kräftiger Wind, der leider nicht ganz von der Plane abgehalten wird. Während des Scheibens werden die Finger klamm, ich beginne zu zittern - in der Koje würden die Planen doch etwas mehr Windschutz bieten. Wenn es heut so weiter bläst, werde ich heute Nacht sicher frieren. Die Windräder nebenan lassen vermuten, das er nicht nachlassen wird.
Ich sehne mich nach einem Holzofen im warmen Zimmer.